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Die Turbulenzen bei dem viertgrößten Autokonzern weltweit, der nach einer Gewinnwarnung im Herbst bereits einen Teil der Führung ausgetauscht und zunächst den Rückzug von Tavares nach Ende seines Vertrags 2026 angekündigt hatte, schickten die Aktien auf Talfahrt. Die Papiere sackten um 8 Prozent auf Kurse um 11 Euro ab - seit Jahresbeginn verlor die Aktie damit 45 Prozent an Wert.
Unter Tavares hatte der aus 14 Marken wie Fiat, Peugeot und Jeep bestehende VW-Konkurrent in den vergangenen drei Jahren Renditen von 10 bis 12 Prozent erreicht - ein Niveau, von dem Volkswagen weit entfernt ist. Der 66-jährige Portugiese fuhr einen harten Kostensenkungskurs, übertrieb es nach Expertenmeinung zugleich aber mit Preiserhöhungen. Das führte vor allem bei der US-Tochter Chrysler zu hohen Lagerbeständen, während weltweit die Autonachfrage sank. Für heuer erwarten Analysten gut 5 Prozent Umsatzrendite, nur noch halb so viel wie im Vorjahr.
Eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle sagte Reuters, die Spannungen hätten zugenommen, nachdem der Vorstand den Eindruck gehabt habe, Tavares handle zu schnell und konzentriere sich zu stark auf kurzfristige Lösungen. Der Manager habe vor allem seinen Ruf retten wollen und weniger die Interessen des Unternehmens im Blick. Auch die Analysten von Bernstein Research vermuteten, Tavares wollte aus Eigeninteresse für bessere Zahlen sorgen. Im vergangenen Jahr war er mit insgesamt 36,5 Millionen Euro an Vergütungen der mit Abstand am besten bezahlte Automanager Europas. Mit seiner unverblümten Art geriet Tavares häufig in Konflikt mit Kollegen, den US-Gewerkschaften und der italienischen Regierung, die sich über seine Entscheidung zur Reduzierung der Automobilproduktion in Italien beschwerte.
Womöglich wollte Tavares abermals an den Kosten ansetzen, während das Problem bei Stellantis aber auf der Vertriebsseite liege mit einer "überheblichen" Preisgestaltung und tauben Ohren gegenüber den Sorgen der zunehmend verärgerten Autohändlern, hieß es in einem Kommentar von Bernstein Research. Wie Reuters von Händlern, Kunden und Führungskräften erfuhr, trieben die Preiserhöhungen vor allem bei Volumenmodellen die mit der Inflation preisbewussteren Kunden in die Arme der Konkurrenz.
"Billigmodelle sind aus dem Sortiment von Stellantis sukzessive verschwunden", sagte Alberto Di Tanno, Gründer der Händlergruppe Intergea, die 169 Filialen in Italien und der Schweiz betreibt. Im September lag der durchschnittliche Verkaufspreis eines Stellantis-Pkw in den 14 größten Ländern der Eurozone bei fast 40.000 Euro und damit über dem Durchschnitt anderer Massenmarkt-Konkurrenten, wie aus Daten von JATO Dynamics hervorgeht. Modelle von Renault, Mitsubishi und Suzuki kosteten im Schnitt weniger als 29.000 Euro. Stellantis-Händler hätten zunehmend noch andere Marken angeboten, um Rückgänge auszugleichen, erklärte Herman Claes, Vorsitzender der Stellantis-Händlervereinigung für Belgien und Luxemburg.
Nicht nur in Nordamerika, sondern auch in Europa verlor der aus der Fusion von PSA und Fiat Chrysler hervorgegangene Autoriese deshalb seit seinem Start 2021 Marktanteile: Opel büßte etwa ein Viertel auf rund drei Prozent ein.
Zu Stellantis gehörte auch das ehemalige Opel-Werk in Wien-Aspern, das im August 2017 Teil der französischen PSA-Gruppe wurde, die im Jänner 2021 mit Fiat-Chrysler zu Stellantis fusionierte. Im Jahr 2020 endete die Motorenproduktion in Wien-Aspern, da der Vertrag mit General Motors auslief. Bis Juli dieses Jahres wurden noch 6-Gang-Schaltgetriebe produziert, die in verschiedenen Fahrzeugen des Stellantis-Konzerns mit Marken wie Opel, Fiat, Peugeot und Alfa Romeo verbaut wurden.
Insgesamt 850.000 solcher 6-Gang-Getriebe wurden von 2019 bis 2024 in Aspern gefertigt. Zwei Betriebe in Indien und Frankreich zählen zu den letzten, die dieses Getriebe aktuell noch herstellen.