iPhones bleiben in der Schublade, Starbucks-Becher im Regal und Teslas beim Händler: Seit Trump Europa mit Strafzöllen provoziert, schlägt die Stimmung um. In den Einkaufsstraßen formiert sich leiser, aber bestimmter Widerstand – mit dem Einkaufswagen als Waffe. Wer jetzt shoppt, denkt politisch: „BuyFromEU“ heißt die Devise. Doch ganz ohne US-Produkte? Gar nicht so einfach, wie viele merken. Von Christian Neuhold
Der rasende Donald hat es also getan. Mitte der vergangenen Woche verhängt US-Präsident Trump Zölle in Höhe von 25 Prozent auf europäischen Stahl und Aluminium. Weitere Zölle auf andere Produktgruppen hat er schon angekündigt. Die Antwort der EU hat nicht lange auf sich warten lassen.
Es wird Zölle in Höhe von 26 Milliarden Euro auf US-Waren geben, darunter neben Bourbon-Whiskey und Harley Davidson-Motorrädern auch auf Autos und landwirtschaftliche Produkte. Und europaweit regt sich bei Konsumentinnen und Konsumenten Widerstand gegen die viele Menschen verstörende Politik Donald Trumps und seines Effizienzbeauftragten Elon Musk. Das Mittel der Wahl: Konsumverweigerung von US-Produkten. Doch ist der Ausstieg aus „Made in USA“ überhaupt machbar?
Schweden schreitet voran
In Schweden haben mehrere Facebook-Gruppen, die zum Boykott von US-Produkten aufrufen, schnell eine beträchtliche Zahl von Anhängern gewonnen. Eine Gruppe, „Boykot varer fra USA“, hat fast 67.000 Mitglieder, eine andere, „Bojkotta varor från USA“, mehr als 70.000. Deren Mitglieder fordern die Schweden auf, keine US-Produkte wie Coca Cola, McDonald‘s oder Tesla zu kaufen und keine US-Dienstleistungsunternehmen wie Amazon oder Airbnb zu verwenden.
Jannike Kohinoor, Gründerin der Gruppe „Bojkotta varor från USA“, sagt, sie fühle sich verpflichtet, etwas zu tun, obwohl sie schwedische Staatsbürgerin sei. „Wenn ich schon nicht an den US-Wahlen teilnehmen oder in den Vereinigten Staaten auf der Straße demonstrieren kann, habe ich trotzdem das Gefühl, dass ich etwas tun muss“, sagte sie. Auf der Seite geben die Mitglieder Empfehlungen für Alternativen zu US-Waren und -Dienstleistungen ab, aber in vielen Bereichen ist der Wechsel nicht so einfach, wie es scheinen mag.

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Außen europäisch, innen amerikanisch
Denn hinter vielen anscheinend europäischen Produkten stecken Eigentümer aus den USA. Beste Beispiele in Österreich: Hinter der beliebten Milka-Schokolade steht der US-Konzern Mondelez, Steyr Traktoren gehört dem US-Hersteller Case. Da die wenigsten Konsumenten beim Einkaufen wirklich nachvollziehen können, woher die Waren im Einkaufswagen stammen, haben Verbraucher nach kanadischem Vorbild die Initiative „BuyFromEU“ gestartet. 135.000 Mitglieder hat ihr Forum (auf Reddit „Sub“ genannt) bereits, jeden Tag kommen Tausende neu hinzu. Laut einer aktuellen Umfrage des Handelsblatt können sich 64 Prozent der Deutschen vorstellen, US-Produkte zu boykottieren. In Österreich fehlen derartige Studien noch, aber Experten gehen von einer ähnlich hohen Bereitschaft aus, heimischen Produkten gegenüber US-Produkten den Vorzug zu geben.
Die Website buy-european-made.eu listet eine umfangreiche Datenbank europäischer Alternativen zu US-Produkten, übersichtlich nach Kategorien sortiert. Das betrifft nicht nur Lebensmittel, Mode oder Autos. Statt Facebook, X und Instagram empfiehlt sie etwa die dezentralen Netzwerke Mastodon und BeReal. Für Streamingdienste wie Netflix und Disney+ werden europäische Anbieter wie Viaplay, Canal+ oder britbox gelistet. Selbst bei Fast Food gibt es Alternativen: Statt McDonald‘s und KFC verweist die Seite auf Ketten wie Max Burgers oder Big Bite. In Dänemark wurde die App Madeometer entwickelt, die Konsument:innen dabei unterstützt, US-Produkte im Supermarktregal zu identifizieren.
Noch keine Bewegung in Österreich
Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbandes: „In Österreich gibt es derzeit noch keine groß angelegte Initiative, die einen Boykott von US-Produkten fordert. Allerdings könnten sich solche Bewegungen entwickeln, wenn der Handelskrieg eskaliert und US-Maßnahmen als unfaire Belastung für die europäische Wirtschaft empfunden werden. Die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie durchaus bereit sind, ethisch oder politisch motivierte Kaufentscheidungen zu treffen – etwa bei der Bevorzugung regionaler Produkte.“
Nicht so einfach wie bei Jeans ist der Verzicht auf US-Produkte im Digitalbereich. Denn da haben US-amerikanische Firmen in vielen Bereichen eine große Dominanz. Doch Alternativen aus Europa gibt es auch hier. Statt ChatGPT kann man etwa auf Produkte der französischen KI-Firma Mistral ausweichen, statt WhatsApp bietet sich der Schweizer Messengerdienst Threema an.


Zwei Arten des Zollkriegs
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten des Boykotts US-amerikanischer Produkte. Beim „Herkunftsland-Prinzip“ werden Zölle explizit auf US-Marken angewandt, unabhängig davon, wo die Waren eigentlich produziert wurden. Levi’s Jeans, die aus Bangladesch kommen, wären damit von diesen Zöllen betroffen und ihr Preis würde sich entsprechend verteuern
Beim „Ursprungsland-Prinzip“ würden die Zölle nur auf Waren erhoben, die tatsächlich in den USA produziert wurden. Die Levi’s Jeans aus Bangladesch wäre davon nicht betroffen, der Jeep aus Detroit aber schon. Bei einem breiten Konsumentenboykott US-amerikanischer Produkte hätte die Art des Zolls aber ohnehin keinen Einfluss.
Vorbild Kanada
Die Kanadier machen es Europa derzeit vor. Dort sind die Konsumenten politisch geworden. 42 Prozent der Bevölkerung boykottieren in Kanada bereits US-amerikanische Produkte. Am Boykott beteiligt sich auch die öffentliche Hand. Doug Ford, der Premierminister der Provinz Ontario, hat etwa einen 100-Millionen-Dollar-Vertrag mit Elon Musks Satellitenfirma Starlink aufgekündigt und hat seinerseits Zölle auf Strom in Höhe von 25 Prozent eingeführt, was die Strompreise in drei US-Bundesstaaten, darunter auch New York, extrem verteuert. Für viele Europäer ist Kanada damit zu einem Vorbild in Sachen Konsumentenprotest gegen die US-Zollpolitik geworden.
Für die derzeit von EU-Zöllen andiskutierten Produktgruppen gibt es genügend Ersatz aus Europa


Rainer Will
hat als Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbandes das Ohr immer ganz nah bei den Konsumenten
© Katharina SchifflWelche Auswirkungen hat der Handelskrieg zwischen den USA und der EU für den heimischen Handel?
Vorweg als Entwarnung: Die derzeit innerhalb der EU diskutierten Maßnahmen würden nur sehr geringe Auswirkungen auf die Beschaffung im heimischen Handel sowie nahezu keine auf die Preissetzung haben. Generell führen steigende Zölle und Handelsbarrieren jedoch immer zu höheren Importkosten, die sich bei den betroffenen Produkten auch in höheren Endverkaufspreisen niederschlagen. Wir haben in Österreich gerade eine Inflationskrise hinter uns, unter der auch der Handel schwer zu leiden hatte. Darum ist aus Sicht unserer Branche alles zu vermeiden, was die Preise nach oben drücken könnte. Die Erfahrungen der letzten Jahre – Coronapandemie, Havarie im Suez-Kanal, Angriff Russlands auf die Ukraine – haben gezeigt, wie leicht internationale Lieferketten aus dem Gleichgewicht zu bringen sind. Ähnliches könnte wieder eintreten, wenn zum Beispiel aufgrund von Maßnahmen der US-Regierung der Warentransport durch den Panama-Kanal blockiert werden würde. Diese Maßnahme hätte deutlich schwerwiegendere Folgen für die Warenversorgung Österreichs als etwaige Zölle. Eine weitere indirekte Folge eines Handelskrieges wäre eine Schwächung der inländischen Konsumnachfrage infolge steigender Arbeitslosigkeit in anderen Wirtschaftszweigen wie der Industrie, die nun primär von den US-Importzöllen betroffen ist.
Welche Produktgruppen sind besonders betroffen?
Bisher sind noch keine Importzölle für Waren aus den USA beschlossen, die EU hat lediglich signalisiert, auf die neuen US-Zölle für europäischen Stahl und Aluminium per 1. April mit Gegenmaßnahmen reagieren zu wollen. Im Gespräch sind dabei Produktgruppen, die für den Handel insgesamt nicht von zentraler Wichtigkeit sind, konkret Whiskey, Motorräder, Reis, Tabak und Schönheitsmittel. All das sind Produktgruppen, für die es genügend alternative Beschaffungsmärkte gibt. Erst in einem zweiten Schritt droht die EU mit der Ausweitung auf weitere Produktgruppen, die u. a. Agrarprodukte wie Geflügel, Rindfleisch, bestimmte Meeresfrüchte oder Nüsse umfassen könnte. Doch auch in diesen Produktgruppen ist Österreich keineswegs auf Importe aus den USA angewiesen.
Wo werden sich die Produktpreise für heimische Konsumentinnen und Konsumenten erhöhen?
Die Vorgehensweise der US-Administration hat sich in den 50 Tagen seit Amtsantritt von Präsident Donald Trump als sehr sprunghaft erwiesen. Angekündigte und auch bereits in Kraft getretene Zölle und andere Handelsbarrieren wurden teils sehr schnell wieder ausgesetzt. Darum ist es aus unserer Sicht deutlich zu früh, um über steigende Produktpreise in Österreich zu sprechen. Die Antwort auf Ihre Frage ist auch insofern nicht einfach, als die genaue Ausgestaltung der EU-Gegenmaßnahmen noch offen ist. Laut Auskunft der Zollabteilung des Finanzministeriums von heute ist auch noch kein Entwurf der EU bekannt
Besteht für die Menschen hierzulande überhaupt die Möglichkeit, auf US-amerikanische Produkte zu verzichten?
Ja. In allen derzeit diskutierten Produktgruppen gibt es ausreichend Alternativen. Wenn aber jemand ausschließlich in den USA hergestellten Whiskey oder ein spezielles Schönheitsmittel will, wird diese Person auch gerne den Zoll-Aufschlag zahlen.
Gibt es seitens des Handels Tendenzen, US-amerikanische Produkte, ähnlich wie Kanada, aus den Regalen zu nehmen?
Bisher gibt es in Österreich noch keine breit angelegte Tendenz, US-Produkte aktiv aus den Regalen zu nehmen. Abgesehen von ganz wenigen Bereichen –etwa Apple bei Smartphones/Computer oder Coca Cola & Pepsi bei Soft Drinks – spielen US-Marken aber auch keine sehr große Rolle in den heimischen Regalen.
In Schweden oder Deutschland gibt es bereits Initiativen, die zum Boykott von US-Produkten im Handel aufrufen. Sehen Sie ähnliche Tendenzen in Österreich?
In Österreich gibt es derzeit noch keine groß angelegte Initiative, die einen Boykott von US-Produkten fordert. Allerdings könnten sich solche Bewegungen entwickeln, wenn der Handelskrieg eskaliert und US-Maßnahmen als unfaire Belastung für die europäische Wirtschaft empfunden werden. Die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie durchaus bereit sind, ethisch oder politisch motivierte Kaufentscheidungen zu treffen – etwa bei der Bevorzugung regionaler Produkte.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 13/25 erschienen.