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Benko: Der Schattenmann

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Im Schattenreich von René Benko gibt es wenige, die einen derart tiefen Einblick in das System und die Struktur haben wie der 62-jährige Tiroler Marcus Mühlberger.

Seit mehr als 20 Jahren steht er unverbrüchlich an René Benkos Seite: Marcus Mühlberger ist nicht nur Benkos Mann für die Unterschriften. Er ist vielmehr auch einer der wenigen, die bis zuletzt das absolute Vertrauen des Signa-Gründers genossen haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den jahrelangen Holding-Geschäftsführer. Eine Spurensuche von Innsbruck bis Chemnitz.

Der Jäger

Als Marcus Mühlberger bei René Benko an Bord ging, da hieß das überschaubare Konstrukt noch nicht Signa, sondern Immofina – eine Firma mit einer Handvoll Mitarbeiter. Im Jahr 2003 herrscht dort eine fast familiäre Atmosphäre. René Benkos Schwester dient ihm als Sekretärin, ein vormaliger FPÖ-Bundesgeschäftsführer kümmert sich um das Marketing und Mühlberger ist für die Finanzen zuständig. Formal zumindest. Tatsächlich hat Mühlberger – Typ britischer Landadeliger, mit Tweed-Sakko und Siegelring – frühzeitig erkannt, wo in Österreich die Immobiliendeals ausgeschnapst werden. Bei der Jagd. Und so kam es, dass der Benko-Vertraute gleich nach Amtsantritt einen Jagdkurs absolvierte, um mittendrin statt nur dabei zu sein.

Die Jagd wurde über viele Jahre zu seinem Revier. Gemeinsam mit seinem späteren Co-Geschäftsführer bei der Signa Holding, Christoph Stadlhuber, sowie dem Mann für die Spezialprojekte, Ex-Telekom-Manager Michael Fischer, seines Zeichens auch Signa-Jagdkoordinator, hatten die Herren die Hoheit über die Einladungslisten zur Signa-Jagd. Im undurchsichtigen Firmen-Universum keine unwesentliche Rolle. Zur Benko-Blütezeit im Jahr 2019 wurden laut einer „News“ und der „Krone“ vorliegenden Einladungsliste 250 Personen zur Jagd auf Rehbock, Hase, Ente, Niederwild und Fasan geladen. Darunter: Investoren, Immobilienmakler und Gutachter, aber auch Lobbyisten mit besten Kontakten in die Wiener Stadtregierung.

Nur in höchst seltenen Fällen kamen auch Jägerinnen in die Signa-eigenen Reviere im Burgenland und in der Steiermark angereist. Und wenn es unter absoluter Diskretion ablaufen sollte, lud man bei der Signa in das Revier hoch oben in den Bergen, ins Tiroler Gleirschtal. Allein für das Tiroler Revier im Karwendel war eine Jahrespacht von 103.271,96 Euro fällig. Für die Abwicklung dieser Zahlungen zeichnete seitens der Signa Holding Geschäftsführer Marcus Mühlberger zuständig.

Ob Sturm oder Schnee, ob Regen oder Sonnenschein – Mühlberger kümmerte sich intensiv um Benkos Revier. Die Signa leistete sich sogar eigene Berufsjäger, die wenig konfliktscheu waren und Mühlberger regelmäßig hitzige Diskussionen mit den angrenzenden Wald- und Grundbesitzern wie den Bundesforsten bescherten. Ob Borkenkäfer, Abschusslisten oder Schlaglöcher auf den Wegen – Mühlberger kümmerte sich. In seiner Rolle als Holding-Geschäftsführer. Und als Netzwerker.

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Vertrauensmann: Mehr als 20 Jahre war Marcus Mühlberger eng mit dem Tiroler Immobilienjongleur abgestimmt

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Deutsche Aristokraten

Über die Jahre konnte Mühlberger seine persönliche Kontaktliste erweitern. Besonders im Visier: Ein Zugang zu deutsch-österreichischen Adelskreisen. Für diesen exklusiven Zirkel pflegten Mühlberger und die Signa jahrelang einen engen Draht zu deutschen Aristokraten. Zum einen, um den großen Gesellschaftsjagden eine besonders exquisite Note zu verleihen. Zum anderen, um Investoren aus diesen Kreisen zu gewinnen. Ein deutscher Reichsgraf (Name der Redaktion bekannt) versorgte Benko und sein Team mit allerlei Hintergründen über potenzielle Investoren und mögliche Deals. Darüber hinaus saß er bis 2023 auch im Aufsichtsrat einer der unzähligen Signa-Firmen: Der SIGNA Real Estate Capital Partners Development I Holding GmbH.

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Eigenjagd: Für exklusive Jagdrunden wurde eigens ein Revier in Tirol gepachtet

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Treuhandanstalt

Den Reichsgrafen und Mühlberger verband jedoch nicht nur die private wie berufliche Leidenschaft für die Jagd, sondern auch eine Vorliebe für Ostdeutschland. Konkret: für dortige Immobilien. Gemeinsam gründete man eine Firma mit Sitz in Innsbruck, um Liegenschaften einzukaufen. Der Osten Deutschlands war Mühlberger schon aus früheren Zeiten bestens bekannt. Benkos rechte Hand war von 1993 bis 1995 Abteilungsleiter einer vor allem in den damals neuen deutschen Bundesländern nicht sonderlich beliebten Firma: Wie Recherchen von News und Krone ergaben, war Mühlberger Abteilungsleiter der Treuhandanstalt. Dort zeichnete er für Rechnungswesen und Privatisierungen verantwortlich und bekam frühzeitig vielschichtige Einblicke in den dortigen Immobiliensektor. Es waren wilde Zeiten im wilden Osten. Und Mühlberger mischte mit.

Die neuen deutschen Bundesländer waren auch für Signa-Mastermind Benko ein Objekt der Begierde. Der Immobilienspekulant sollte auch abseits der Signa-Gruppe im Osten investieren. Mit der von ihm gegründeten Laura Stiftung, die in Halle, Chemnitz, Dresden und Leipzig im großen Stil Zinshäuser aufkaufte. Etwa im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg. Benkos Laura Privatstiftung hält über eine Gesellschaft namens RB Mitteldeutschland Chemnitz GmbH & Co. KG Mietwohnungen.

Eine Website für Mietinteressenten ist im Internet abrufbar: „Das neue Wohnen im Sonnen-Eck: Willkommen im Sonnenberg, dem lebendigen und aufstrebenden Stadtteil im Osten des Chemnitzer Zentrums!“, heißt es dort. Der Manager dieser Benko-Gesellschaft? Wenig überraschend Marcus Mühlberger, der nicht nur als Geschäftsführer zahlreicher Firmen im verschachtelten Signa-Konglomerat fungieren sollte, sondern auch in den dunklen Ecken des Benko-Reichs aktiv gewesen sein soll. Bis heute scheint der 62-Jährige im Firmenbuch als Geschäftsführer von „RB Immo-Firmen“ auf.

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Diskretes Investment: In Ostdeutschland hat eine Benko nahestehende Stiftung Millionen in Zinshäuser investiert

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Multi-Geschäftsführer

Mühlbergers Vorliebe für den Osten Deutschlands manifestierte sich nicht nur im Immobilienbereich. Wie Recherchen von News und Krone offenbaren, war Mühlberger dort gar in der Gastronomie tätig. Bis kurz vor dem Zusammenbruch der Signa-Gruppe wurde in der Chemnitzer Hainstraße ein heimatliches Kaffeehaus betrieben. Das Café Herr Ferdinand sollte laut vorliegendem Mietvertrag von der RB Mitteldeutschland Chemnitz GmbH & Co. KG an eine Herr Ferdinand Gastro GmbH & Co. OHG vermietet werden. Mühlberger trat dabei sowohl als Geschäftsführer der RB Mitteldeutschland Chemnitz auf, die sich im Eigentum der Laura Privatstiftung befindet, als auch mit einer Innsbrucker Ricchieri Holding als Investor der Herr Ferdinand Gastro in Erscheinung. Bewirtschaftet wurde das Café von einer Kärntnerin in enger Abstimmung mit Mühlberger. Selbst mit den Feinheiten der Speisekarte war Benkos Multi-Geschäftsführer befasst: vom Tiroler Gröstl bis zum Kaiserschmarrn. Doch im Sommer 2023 war dann Schluss mit dem Schmankerl-Betrieb: Das Herr Ferdinand wurde geschlossen. Offiziell wegen Personalmangels.

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Mietvertrag: Mit dem Kaffeehaus „Herr Ferdinand“ wollte Mühlberger österreichische Kulinarik nach Chemnitz bringen

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Benkos Mann fürs Grobe

Die Beziehung von Marcus Mühlberger zu seinem Chef ist von großer Loyalität und Demut geprägt. Auch nach dem Beginn des Insolvenz-Dominos wich Mühlberger nicht von Benkos Seite. Im Gegenteil. Er stimmte sich weiterhin eng mit dem Signa-Gründer ab. Während andere längst das Weite suchten, ging Mühlberger noch regelmäßig zu Benko in das Innsbrucker Büro.

Neben dem Südtiroler Anwalt und langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Laura Stiftung, Heinz Peter Hager, weiß kaum jemand mehr über die Grauzone zwischen Benko-Sphäre und Laura-Sphäre Bescheid. Auf der einen Seite hatte Manuel Pirolt, Benkos Mann der Zahlen, die dunkle Seite der Signa-Finanzen im Blick. Auf der anderen trat Mühlberger als Benkos Verwalter und Problemlöser in Erscheinung. Man könnte ihn auch als Fixer bezeichnen. Gab es beispielsweise Stress mit den exorbitanten Honorarnoten eines schillernden Wiener Innenstadt-Anwalts, der bis zu 600 Euro pro Stunde verrechnete, war Mühlberger als Mann fürs Grobe zur Stelle und eröffnete Nachverhandlungen. Auf Mühlberger war Verlass. Bis tief in die private Sphäre der Benkos hinein.

In der Signa-Gruppe wurden etwa Jahresabschlüsse über Jahre nicht im Firmenbuch hinterlegt. Es hagelte Strafzahlungen. Mühlberger trug das lange praktizierte System der Verschleierung und Intransparenz als Holding-Geschäftsführer mit. Obwohl er eigentlich die offizielle Rolle des „Chief Compliance Officers“ innehatte. Er nahm die zahlreichen Strafzahlungen in Kauf, um seinem „Chef“ zu dienen und das System Signa am Laufen zu halten. Obwohl es René Benko war, der Mühlberger in einer kleinen Runde einmal despektierlich als „Unterschriften-August“ vorstellte. Der persönlichen Beziehungsebene tat dies offenbar keinen Abbruch.

Verdächtige Geldtransfers

Am 25. Juni 2024 klopfte es allerdings nicht nur an René Benkos Villentor. Ermittler der Soko Signa durchsuchten im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch die privaten Räumlichkeiten von Marcus Mühlberger. Laut Verdachtslage geht es um mutmaßlich schweren Betrug. Mühlberger war sowohl als Vorstand der Familie Benko Privatstiftung als auch als Geschäftsführer der Signa Holding in Kreis-Überweisungen involviert.

Beim „Faktum Kapitalerhöhung-Karussell“ hegen die Ermittler den Verdacht, dass durch eine Geldtransaktion anderen Gesellschaftern der Signa Holding der Eindruck vermittelt werden sollte, die Familie Benko Privatstiftung würde eine 35,35 Millionen Euro Kapitalerhöhung durchführen. Doch das Geld soll auf der einen Seite des Signa-Konstrukts aufgenommen und auf der anderen Seite als angeblich „frisches“ Kapital wieder eingezahlt worden sein. Im Vertrauen auf die Transaktion und damit verbundene Zahlungsfähigkeit durch Benkos Privatstiftung sollen andere Investoren wie der Schweizer Schokoladen-Baron Ernst Tanner und der Schweizer Investor Arthur Eugster im Rahmen der Kapitalerhöhung tatsächlich frisches Kapital zugeschossen haben. Wurden sie getäuscht? Mühlbergers Anwalt lässt auf Anfrage ausrichten, dass „sein Mandat das laufende Ermittlungsverfahren im jetztigen Stadium nicht näher kommentieren möchte.“ Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

„Weil wir kein Geld haben“

Im Laufe des Jahres 2023 hatte sich die prekäre Liquiditätslage der Signa Holding von Monat zu Monat weiter zugespitzt. Bereits Mitte Mai 2023 erkundigte sich Mühlberger in seiner Rolle als Holding-Geschäftsführer beim „Head of Controlling“ der Signa über ausbleibende Zahlungen unter dem Betreff „Aries“: „… scheinbar haben wir zwei Rechnungen offen? Stimmt das und warum?“.

Der Controller antwortet kurz und bündig: „Stimmt, weil wir kein Geld haben ;) RB kennt das Thema.“

Mit RB ist in der Signa-internen Kommunikation-Regel René Benko gemeint. Übrigens: Noch ein paar Wochen später, im September 2023, sollte Mühlberger der Signa sein Mitarbeiter-Aktienpaket für 400.000 Euro zurückverkaufen können. Zahlreiche anderen Signa-Beschäftigte schauten durch die Finger.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 29/2024 erschienen.

Die Causa Benko - News berichtete:

Inside Signa: Aufstieg und Fall des René Benko. Ein Blick hinter die Kulissen und neue Fakten über groteske Deals, Politnetzwerke und den Zerfall eines Imperiums.

Inside Signa: Aufstieg und Fall des René Benko. Ein Blick hinter die Kulissen und neue Fakten über groteske Deals, Politnetzwerke und den Zerfall eines Imperiums.

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Causa René Benko

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