Viele Menschen wünschen sich, weniger Stunden in der Arbeit zu verbringen und mehr Freizeit zu haben. Immer wieder wird auch über eine Arbeitszeitverkürzung diskutiert, derzeit im Zuge der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise. Doch wie kann das funktionieren? Auch bzw. gerade für Unternehmen? Wir haben bei zwei Firmen nachgefragt, die diesen Schritt - weniger Stunden für gleiches Gehalt - bereits gewagt haben.
In Zeiten des wirtschaftlichen Wiederaufbaus nach der Corona-Krise werden viele Maßnahmen diskutiert. Eine davon ist die Verkürzung der Arbeitszeit – optimalerweise bei gleichem Lohn. Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern etwa appellierte diesbezüglich bereits an Betriebe. Auch in Österreich wird immer wieder von Arbeitszeitverkürzung gesprochen, von einer Umsetzung ist man jedoch noch weit entfernt. Doch (wie) funktioniert so eine Verkürzung eigentlich – und was haben Unternehmen davon?
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Gleiches Gehalt war "Grundbedingung"
"Ganz klar: Unternehmen und Mitarbeiter profitieren auf lange Sicht davon", zeigt sich Klaus Hochreiter, Geschäftsführer der oberösterreichischen Firma eMagnetix überzeugt. eMagnetix hat im Oktober 2018 alle Mitarbeiter auf 30 Stunden reduziert – bei gleich bleibendem Gehalt. Letzteres war für Hochreiter "Grundbedingung, denn wir wollten nicht, dass sich die MitarbeiterInnen einen Zweitjob suchen müssen, weil sie sich ihr Leben nicht mehr leisten können oder das Thema Altersarmut einmal schlagend wird."
"Haben keine neuen Mitarbeiter mehr gefunden"
Ein Grund für diesen Schritt sei der Fachkräftemangel gewesen: "Wir haben einfach keine neuen Mitarbeiter mehr gefunden", erklärt Hochreiter im Gespräch mit News.at. Darum wollte man bestmögliche Arbeitsbedingungen schaffen. Und der Plan ist aufgegangen: "Nachdem wir das gemacht haben, sind unsere Bewerberzahlen explodiert, vor drei Jahren hatten wir im Schnitt zehn Bewerber, jetzt bis zu 100 Bewerber. Dementsprechend sind wir gewachsen." Von 16 Leute hat sich die Firma seit der Arbeitszeitverkürzung auf 30 verdoppelt.
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Lange - aber essentielle - Vorbereitungszeit
Dieser Erfolg kam jedoch nicht von heute auf morgen. Bereits 2015/2016 habe man das erste Mal an die Reduzierung der Stunden gedacht. Dann folgte eine sehr lange Planungsphase in der die MitarbeiterInnen von Anfang an eingebunden waren. Letzteres sei "ganz wichtig. Das ist ein Erfolgsfaktor", ist sich Hochreiter sicher. In dieser Phase wurden Prozesse analysiert, effizienter gemacht und Abläufe mithilfe der Digitalisierung automatisiert. Eine extrem wichtige Vorbereitung, denn "wir haben gewusst, wir können nicht zu den Mitarbeitern sagen: Wir reduzieren von heute auf morgen die Arbeitszeit, ihr bekommt zwar gleich viel Lohn aber habt viel mehr Druck", erklärt Hochreiter, "denn das hätte nicht funktioniert."
Zusätzlich war den eMagnetix-Eigentümern aber auch klar, "dass das in der Umstellungsphase einmal Geld kosten wird. Wer hier kurzfristig gewinnorientiert denkt, der sollte sich die Arbeitszeitverkürzung sehr gut überlegen, denn es ist am Anfang nichts anderes als ein langfristiges Investment." Ein Investment in die Zukunft also. Und die Zukunftsaussichten sehen gut aus.
Zufriedene Mitarbeiter - weniger Stress
Bei einer großen Evaluierung im letzten Herbst gaben 83 Prozent der Mitarbeiter von eMagnetix an, sie würden sich seit der Umstellung gesünder fühlen, 63 Prozent empfanden die Arbeitsbelastung sogar als weniger als davor und für 33 Prozent ist sie gleich geblieben. Die Mitarbeiter sind also zufrieden. Die Kunden – trotz teilweise anfänglicher Skepsis – ebenso. Diese würden die Qualität durch die zufriedeneren Mitarbeiter zu schätzen wissen, so Hochreiter, denn "zufriedene Mitarbeiter sorgen für zufrieden Kunden". So laute auch die Mission.
So sieht es auch Stefan Unterweger, Eigentümer der Brüder Unterweger Gesellschaft, einer Tiroler Latschenbrennerei. Auch hier wurde 2018 der Schritt gegangen und die Arbeitszeit verkürzt, zwar nicht auf 30, aber auf 36 Stunden. Dafür wurde die 4-Tage-Woche eingeführt. Freitag ist grundsätzlich frei. Auch für Unterweger machen die Mitarbeiter nach drei Tagen Wochenende stets "einen erholten Eindruck, was sich als solches bemerkbar macht, als dass die Arbeitsleistung sowie die Motivation der Mitarbeiter entsprechend hoch ist", erzählt er gegenüber News.at.
Auch bei Unterwegers gibt es keinerlei Probleme mit Kunden oder Geschäftspartnern aufgrund der Tatsache, dass freitags keiner im Büro ist. "Viele Kunden haben nicht einmal bemerkt, dass wir am Freitag nicht arbeiten - und wenn doch, sind die meisten sehr neidisch auf diese Reglung", so der Unternehmer. Ebenso sei sein Geschäftspartner, der zunächst gar nicht überzeugt gewesen sei, "um das mal halbwegs positiv zu sagen", inzwischen "zufrieden und überzeugt" von dem neuen Modell.
Gleiche Arbeitsleistung in weniger Stunden möglich?
Doch kann man nun tatsächlich in weniger Arbeitszeit die gleiche Leistung erbringen? "Man kann auf alle Fälle, man muss es nur gut vorbereiten – und die Digitalisierung nutzen", findet Hochreiter. Laut Studien ist effizientes Arbeiten ohnehin nur für fünf Stunden möglich. "Das kann ich zu 100 Prozent unterstreichen", so der Unternehmer: "Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass jemand nach acht oder neun Stunden vor dem Bildschirm noch etwas weiterbringt. Da macht es mehr Sinn, wenn man nach Hause geht, seinen Ausgleich hat und am nächsten Tag ausgeruht wiederkommt."
Stefan Unterweger will diese These allerdings nicht allgemein bestätigen. Aus seiner Sicht sei das "abhängig von der zu verrichtenden Arbeit zu betrachten". So gab es bei der Firma Unterweger etwa in Teilbereichen sogar auch 12-Stunden-Tage. Dafür mussten die Mitarbeiter nur drei Tage arbeiten. Inzwischen sei man aber auch in diesen Abteilungen wieder zurück bei der 4-Tage-Woche.
Flexibilität "ganz, ganz wichtig"
Flexibilität scheint somit neben guter Vorbereitung ein ebenso wichtiger Faktor zu sein, um eine Arbeitszeitverkürzung zu ermöglichen. "Flexibilität ist heutzutage ganz, ganz wichtig", stimmt Hochreiter zu "und zwar in alle Richtungen". So kann sich bei eMagnetix jeder Mitarbeiter die Arbeitszeit (im Rahmen einer Gleitzeit) selbst einteilen - "und sich auch nach 14 Uhr, wenn unter der Office-Telefonnummer nur mehr das Band antwortet, noch Termine ausmachen." Auch bei Unterweger ist ein Arbeiten - nach Absprache mit der Geschäftsführung - freitags möglich.
Modell für die Zukunft?
Ist weniger arbeiten also ein Modell für die Zukunft? Von Hochreiter kommt dazu ein klares Jein. Es sei wohl von Branche zu Branche unterschiedlich. In Österreich sei eMagnetix, so Hochreiter, seines Wissens ohnehin noch immer das erste und einzige Unternehmen, das diesen Schritt (voller Lohnausgleich bei 30 Stunden) gegangen sei.
Und auch Unterweger findet zwar, dass die Verkürzung der Arbeitszeit "definitiv immer mehr zum Thema werden wird" - schon allein aufgrund der "ganz anderen (Wert)Vorstellung vom Leben" nachfolgender Generationen. Dass eine Umstellung wie in seinem Betrieb für jede Branche möglich sei, wagt jedoch auch er zu bezweifeln. Außerdem: "Wenn man sich die Historie anschaut: Es dauert lange, bis sich etwas verändert", fügt Hochreiter hinzu und sieht somit eine Verkürzung der Arbeitszeit für alle wohl nicht so bald kommen.