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Phlegräische Felder: Supervulkan in Italien rumort gefährlich

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Erdbebenschwärme und Bodenhebung beunruhigen Experten.

Neapel, Italien – In der Nähe der Millionenmetropole Neapel brodelt Europas einziger Supervulkan: die Phlegräischen Felder (ital. Campi Flegrei). Erdbeben im Gebiet der 15 Kilometer weiten Caldera häufen sich – allein im Februar 2025 wurden 267 Beben der Magnitude 1 oder höher verzeichnet. Zugleich hebt sich der Boden rasant, und aus Fumarolen entweichen enorme Mengen an Gas. Behörden schlagen Alarm: Seit 2012 gilt für die Region Alarmstufe Gelb, nun werden Evakuierungspläne für bis zu 500.000 Menschen vorbereitet. Droht ein Ausbruch des schlafenden Riesen?

Unruhige Caldera: Geologie und aktuelle Aktivitäten

Die Phlegräischen Felder, ein ringförmiges Vulkanfeld westlich von Neapel, entstanden durch eine gewaltige Eruption vor etwa 39.000 Jahren. Heute leben rund 350.000 Menschen in der Caldera und ihrem Umland. Nach dem letzten Ausbruch im Jahr 1538 schien der Vulkan zu ruhen – doch der Schein trügt. Seit einigen Jahren registrieren Forscher zunehmende Unruhe unter der Caldera.

Seismische Aktivität: Die Erde bebt in ungewöhnlicher Häufigkeit. Seit elf Jahren steht das Gebiet auf Alarmstufe Gelb, und die vulkanische Aktivität steigt seither stetig. Vorläufiger Höhepunkt: Im Februar 2025 wurden mit 267 Erdbeben (Magnitude ≥ 1,0) so viele Erdstöße gemessen wie nie zuvor in einem Monat. Zum Vergleich: Im April 2024 waren es 165 Beben, im Mai 2024 etwa 145. Im März 2025 kamen allein in den ersten Tagen über 50 weitere Beben hinzu. Besonders besorgniserregend sind Erdbebenschwärme, bei denen sich innerhalb kurzer Zeit Dutzende Mikrobeben ereignen. Ein neues Phänomen sind dabei „burst-artige“ Schwärme – schnelle Abfolgen kleinster Erschütterungen – die seit 2021 beobachtet und auf Änderungen im Magmasystem zurückgeführt werden. Die meisten Beben sind flach (unter 3 km Tiefe) und konzentrieren sich unter bewohnten Gebieten wie Pozzuoli, Bagnoli und der Solfatara.

Bodenhebung (Bradyseismus): Parallel zu den Beben hebt sich die Erde. Das Vulkanobservatorium (INGV) meldet in seinem jüngsten Wochenbericht eine Hebungsrate von etwa 30 Millimetern pro Monat – deutlich mehr als je zuvor. Insgesamt hat sich der Boden im Epizentrum der Hebung, nahe Pozzuoli, seit Beginn der aktuellen Unruhe 2005 um rund 140 cm angehoben – davon allein ~22 cm seit Januar 2024. Diese langsame Bodenanhebung, Bradyseismus genannt, deutet auf Magma und Gase hin, die unter der Caldera Druck aufbauen. Bereits zwischen 1982 und 1984 erlebte Pozzuoli eine zweijährige Hebungsphase, die dann wieder abklang. Ob sich die heutige Hebung ebenfalls beruhigt oder in einen Ausbruch mündet, ist Gegenstand intensiver Forschung. Im September 2023 etwa beschleunigte sich die Hebung plötzlich auf 10 mm in drei Tagen, begleitet von hunderten Mikrobeben. Diese Anzeichen wurden zunächst auf hydrothermale Ausgasung zurückgeführt – doch neuere Daten deuten auch auf das Aufsteigen von Magma hin.

Gasemissionen: Die Phlegräischen Felder sind übersät von Fumarolen und Solfataren – Austrittsstellen für vulkanische Gase. Im Bereich des Solfatara-Kraters werden derzeit etwa 5.000 Tonnen Kohlendioxid pro Tag freigesetzt. Das ist vergleichbar mit der CO₂-Emission eines aktiv ausgasenden Vulkans. Geochemische Messungen zeigen über die letzten Jahre zudem erhöhte Werte an Schwefeldioxid und anderen vulkanischen Gasen. Die Temperatur der Austrittsstellen (z.B. Pisciarelli und Solfatara) bleibt hoch. Diese Gas- und Temperaturdaten bestätigen den Trend: Das hydrothermale System unter der Caldera ist heißer und steht unter stärkerem Druck als früher.

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 © istock/PeterHermesFurian

Erschütterungen und Schäden: Stärkste Beben seit 40 Jahren

In den vergangenen zwei Jahren kam es zu mehreren spürbaren Beben, die in der Region teils Panik auslösten. September 2023 registrierten die Messstationen zwei der stärksten Erdstöße seit vier Jahrzehnten: Am 7. September bebte die Erde mit Magnitude 3,8, am 27. September mit 4,2​. Die Bewohner von Pozzuoli und dem Neapler Stadtteil Agnano meldeten Risse in Wänden; in Teilen der Region fiel zeitweise der Strom aus​.

Am 20. Mai 2024 folgte dann ein Beben der Magnitude 4,4 – das stärkste Ereignis in den Phlegräischen Feldern seit 1984. Sein Zentrum lag im Krater der Solfatara, nur wenige Kilometer unter der Oberfläche. Mehrere Gebäude in Pozzuoli wurden vorsorglich evakuiert, nachdem Mauern Risse gezeigt hatten. Dem Hauptbeben ging ein Schwarm von über 150 kleineren Erdstößen voraus, der auch am Folgetag anhielt. Die Bevölkerung reagierte verunsichert – viele verbrachten die Nacht im Freien.

März 2025: In den frühen Morgenstunden des 13. März bebte die Erde erneut mit Magnitude 4,4, diesmal unter dem Golf von Pozzuoli in nur ca. 2 km Tiefe. Häuser wackelten bis ins Stadtzentrum von Neapel. Bilder zeigten herabgestürzte Mauerteile und zersprungene Fensterscheiben. In der Kleinstadt Pozzuoli stürzte eine Zwischendecke ein und verletzte eine Frau schwer. Fünf Nachbeben erschütterten die Region in den folgenden Stunden und steigerten die Unruhe der Anwohner. Viele Menschen rannten in Panik auf die Straßen. „Es fühlte sich an, als ob die Apokalypse beginnt“, zitiert die Presse einen verängstigten Einwohner. Wissenschaftler betonen jedoch, dass einzelne Beben – so stark sie auch sein mögen – nicht zwangsläufig einen unmittelbar bevorstehenden Vulkanausbruch ankündigen. Dennoch gilt: Je länger die Phase erhöhter Aktivität andauert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vulkan einen neuen Weg an die Oberfläche bahnt.

Warnstufen und Evakuierungspläne: Region wappnet sich

Die italienischen Behörden beobachten die Entwicklung der Phlegräischen Felder mit höchster Aufmerksamkeit. Offiziell steht der Vulkan seit 2012 auf Warnstufe Gelb (von vier Stufen) – ein Status, der erhöhte Aufmerksamkeit erfordert, aber noch keine akute Ausbruchswarnung darstellt. Nach den jüngsten Beben und Bodenhebungen diskutieren Experten jedoch eine Anhebung auf Warnstufe Orange, die einem Voralarm entspricht. Nello Musumeci, Minister für Zivilschutz, erklärte im Oktober 2023 vor dem Parlament, eine Hochstufung sei „im Bereich des Möglichen“. In dem Fall müsste man damit rechnen, dass ein Ausbruch nicht erst in einigen Monaten, sondern möglicherweise in einigen Wochen bevorsteht.

Bereits jetzt bereitet der Zivilschutz umfangreiche Maßnahmen vor. Für das schlimmste Szenario, einen Vulkanausbruch, existiert ein Evakuierungsplan, der stetig verfeinert wird. Rund eine halbe Million Menschen aus Neapel und den umliegenden Gemeinden müssten die Gefahrenzone verlassen. Die Pläne sehen vor, dass innerhalb von nur 72 Stunden alle Bewohner der roten Zone – von Pozzuoli bis in Teile der Stadt Neapel – in Sicherheit gebracht werden. Dazu wurden Partnerschaften mit weniger gefährdeten Regionen Italiens geschlossen, um die Evakuierten aufzunehmen. Im Oktober 2024 probten Behörden und Bevölkerung den Ernstfall: Bei der Übung „Exe Flegrei 2024“ wurden Alarmierungen per Handy, Sammelpunkte und der Abtransport zehntausender Bürger simuliert. An der mehrtägigen Simulation beteiligten sich neben der Region Kampanien auch Einsatzkräfte aus ganz Italien. Ziel solcher Übungen ist es, mögliche Engpässe – etwa Verkehrsstaus oder Versorgungslücken – frühzeitig zu erkennen und zu beheben.

Das Leben auf dem Supervulkan

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 © iStock/M-Production

Wissenschaftliche Einschätzung: Risiko ja, Panik nein

Trotz aller beunruhigenden Signale betonen Vulkanolog:innen, dass ein Ausbruch nicht zwangsläufig unmittelbar bevorsteht. „Supervulkane wie die Phlegräischen Felder folgen langfristigen Zyklen“, erklärt das Nationale Vulkanologischen Institut. Es könne Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis sich ein kritischer Druck aufgebaut habe. Allerdings habe man es hier mit einem komplexen System zu tun, das bereits als „ruhelos“ eingestuft wird. Der INGV-Präsident Carlo Doglioni verglich die Situation mit einem Topf, in dem das Wasser zu kochen beginnt: „Die steigende Seismizität und Hebung könnten darauf hindeuten, dass Magma sich in etwa 4 km Tiefe ansammelt“, so Doglioni im Mai 2024. Tatsächlich haben Magnetotellurik- und Seismik-Daten einen möglichen magmatischen „Sill“ (flache Magmaintrusion) in dieser Tiefe identifiziert, gespeist von einem größeren Magmakörper in 8 km Tiefe. Dieses Magma könnte für einen Teil der Bodenhebung verantwortlich sein. Sollte es weiter nach oben dringen, könnte sich die Aktivität nochmals verstärken.

Ausbruchsszenarien: Ein potenzieller Ausbruch der Phlegräischen Felder müsste nicht die Dimension einer Supereruption annehmen. Wahrscheinlicher sind kleinere Eruptionen, bei denen Magma in Form von Lavaströmen oder Ascheauswürfen aus bereits bestehenden Schwachstellen austritt. Simulationen des INGV zeigten, dass ein Ausbruch – etwa im Bereich eines früheren Kraters wie Agnano – zwar lokal verheerend wäre, aber nicht zwingend globale Auswirkungen hätte. Dennoch wären die Folgen für die dicht besiedelte Umgebung dramatisch: Neben pyroklastischen Strömen und Aschefall wären massive Schäden an Infrastruktur zu erwarten, inklusive der möglichen Lähmung des internationalen Flughafens Neapel und des Hafens.

Internationale Wissenschaftler verfolgen die Entwicklung genau. Eine im Februar 2025 veröffentlichte Studie in Nature Communications berichtet, dass sich typische Anzeichen vulkanischer Unruhe in der Region beschleunigt haben: Neben den „burst“-Erdbebenschwärmen zeigen auch die Bodenhebung und Gasfreisetzung eine zunehmende Dynamik. Diese Ergebnisse untermauern, dass die Phlegräischen Felder in eine neue Phase der Aktivität eintreten. Das INGV hat sein Monitoring nochmals verstärkt – mit zusätzlichen seismischen Stationen, satellitengestützter Bodenmessung (InSAR) und kontinuierlicher chemischer Analyse der Fumarolengase. „Wir überwachen Campi Flegrei rund um die Uhr“, versichern die Experten. Ebenso wichtig sei die Aufklärung der Bevölkerung: Im Fall einer Gefahr müsse schnell und geordnet reagiert werden, ohne Panik zu schüren.

Die Phlegräischen Felder sind geologisch so aktiv wie lange nicht mehr. Erhöhte Erdbebenaktivität, rasant steigende Bodenhebung und immense Gasemissionen sind Warnsignale eines nervösen Vulkansystems. Ob und wann es tatsächlich zu einem Ausbruch kommt, bleibt ungewiss – doch Italien wappnet sich.

Zehn wichtige Fakten zu den Phlegräischen Feldern (Stand: 2025)

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