Das Montreal-Protokoll gilt als Erfolgsgeschichte: Seit 1987 schrumpft das Ozonloch langsam. Doch Klimawandel, illegale FCKW-Emissionen und neue Chemikalien gefährden den mühsamen Fortschritt.
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Vom Weltuntergangsszenario zur Hoffnung: Die zweite Chance der Ozonschicht
In den 1980er-Jahren löste das Ozonloch über der Antarktis globale Panik aus. Schuld waren Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus Spraydosen und Kühlschränken, die die schützende Schicht zerfraßen. Heute, fast 40 Jahre nach dem Montreal-Protokoll, melden Forscher:innen Fortschritte – die Ozonschicht könnte sich bis 2060 regenerieren. Doch Satellitendaten der NASA zeigen: Die Heilung verläuft stockend. Ist die Krise wirklich gebannt, oder atmet die Erde nur kurz durch?
Das Montreal-Protokoll: Wie die Welt gemeinsam handelte
Als „erster wahrhaft globaler Umweltvertrag“ gilt das Abkommen von 1987 als Blaupause für Klimadiplomatie. 197 Länder verbannten FCKW – mit Erfolg: Laut UNEP sank die Konzentration ozonzerstörender Chemikalien seit 2000 um 50 %. „Ohne das Protokoll hätten wir bis 2050 einen Kollaps der Ozonschicht erlebt“, sagt Dr. Susan Solomon, Atmosphärenchemikerin am MIT. Doch der Weg war steinig: Industrienationen blockierten zunächst, während Länder wie China später illegale FCKW-Emissionen zugaben – ein Rückschlag, der die Erholung um Jahre verzögerte.


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Status 2023: Eine langsame Genesung mit Rückschlägen
Das antarktische Ozonloch erreicht jedes Jahr im September seine maximale Größe – 2023 war es mit 26 Mio. km² so groß wie Afrika. Doch der Trend stimmt hoffnungsvoll: Seit 2000 wächst die Ozonschicht um 1–3 % pro Jahrzehnt, so die World Meteorological Organization (WMO). „Das Loch schließt sich, aber es ist ein Marathon, kein Sprint“, betont Prof. Martyn Chipperfield, Ozonforscher an der University of Leeds. Gefährlich bleibt die Arktis: 2020 riss dort ein Mini-Ozonloch auf, verursacht durch extrem kalte Stratosphärenwinde und Chemikalienreste.
Neue Gefahren: Klimawandel und schmutzige Geheimnisse
Während FCKW zurückgehen, drohen neue Risiken:
Illegale Emissionen: 2018 entdeckten Ermittler:innen der Environmental Investigation Agency (EIA), dass chinesische Fabriken verbotene FCKW-11 zur Schaumstoffproduktion nutzten – ein Skandal, der 18.000 Tonnen des Stoffes freisetzte.
Klimawandel: Die Erderwärmung kühlt die Stratosphäre paradoxerweise ab – ein Effekt, der Ozonabbau begünstigt. Die verheerenden Buschbrände in Australien 2020 schleuderten zudem Aerosole in die Atmosphäre, die Ozon killen.
Ersatzstoffe: Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW), die FCKW ersetzen, sind zwar ozonfreundlich – aber potente Treibhausgase.


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Kollateralnutzen: Wie das Ozon-Abkommen auch das Klima rettete
Das Montreal-Protokoll hat ungeplant die Erderwärmung gebremst: FCKW sind 10.000-mal klimaschädlicher als CO₂. Durch ihr Verbot wurden bis 2030 Emissionen von 135 Mrd. Tonnen CO₂-Äquivalent vermieden, rechnet die NASA vor. „Es ist der effektivste Klimavertrag, den wir haben“, sagt Tina Birmpili, ehemalige Chefin des Ozon-Sekretariats. Doch der Deal hat eine Lücke: Die boomende Kälteindustrie setzt auf klimaschädliche Ersatzstoffe wie HFO-1234yf – ein Teufelskreis.
Prognose 2060: Wann ist das Ozonloch Geschichte?
Laut Scientific Assessment of Ozone Depletion könnte sich die Schicht über der Antarktis bis 2060, über der Arktis bis 2040 erholen – vorausgesetzt, alle Länder halten sich an die Regeln. Doch die Klimakrise könnte alles verzögern: Stärkere Polarwirbel, mehr Extremwetter und Waldbrände stressen die fragile Schicht. „Wir dürfen nicht nachlassen“, warnt Prof. John Pyle, Co-Autor des UN-Ozonberichts. „Sonst riskieren wir ein Ozon-Comeback.“
Ein Umweltmärchen mit offenem Ende
Die Ozon-Heilung zeigt: Globale Kooperation kann die Erde retten. Doch der Triumph ist fragil – zu lange ignorierte man die Wechselwirkung mit dem Klima. Die Lehre? „Umweltkrisen lassen sich nicht isoliert lösen“, so Solomon. Das Ozonloch mag schrumpfen, aber der Kampf um die Atmosphäre geht weiter.