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YouNow - Livestreams, Kinder und nackte Fakten

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©Bild: YouNow/Screenshot
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Kinder und Jugendliche streamen live aus ihren Kinderzimmern, Musiker und Kleinkünstler machen Eigenwerbung und einige User verdienen damit sogar ihren Lebensunterhalt - Das alles ist YouNow. Vor allem junge Leute nutzen die Social-Media-Plattform, um live aus ihrem Leben zu berichten. YouNow boomt gerade, auch im deutschsprachigen Raum. Jugendschützer haben bereits zur Vorsicht aufgerufen. News.at hat sich die Plattform näher angeschaut: Was ist an YouNow so faszinierend? Welche Risiken birgt die Plattform? Und was sagt Adi Sideman, Gründer und Geschäftsführer von Younow, zu den kritischen Stimmen?

Was ist YouNow? - ein kurzer Videoeinblick:

Was ist YouNow? - ein kurzer Videoeinblick:

© Video: News.at

Eines fällt sofort auf bei YouNow: Die Nutzer sind durchwegs jung. Viele 13- bis 14-jährige Mädchen und Burschen tummeln sich auf der Social-Media-Seite.

Mittlerweile streamen täglich zigtausende User über YouNow. Allein im deutschsprachigen Raum verzeichnet die Plattform über 10 Millionen "User Sessions" im Monat. Dabei wird jeder Nutzer der sich bei YouNow einloggt als "User Session" gewertet. "Weltweit liegen wir zur Zeit monatlich bei 100 Millionen User Sessions", teilt Geschäftsführer Adi Sideman mit. Für Österreich gibt es keine expliziten Zahlen.

Zu tiefe Einblicke in die Privatsphäre

"Das Bedenkliche sind die Broadcaster selbst, weil sie mit Inhalten so freizügig umgehen", sagt Andre Wolf vom Verein "Mimikama". Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Wien klärt über Internetmissbrauch auf, macht auf potentielle Gefahren im Netz aufmerksam und verfasst Analyseberichte über aktuelle Themen. Auch die Website YouNow hat "Mimikama" genau unter die Lupe genommen: Ein Problem sieht Wolf darin, dass YouNow eine extrem junge Zielgruppe anzieht. Laut Auskunft von YouNow ist die Mehrheit der User zwischen 15 und 25 Jahre alt. Der Experte schätzt, dass das durchschnittliche Alter noch weiter nach unten tendiert. "Minderjährige Jugendliche erzählen frei heraus alles Mögliche über ihr Leben, ohne zu wissen, wer ihnen dabei zuschaut", sagt Wolf. Sie sprechen offen darüber, wo sie wohnen, wo sie zur Schule gehen und was sie für Hobbies haben. Und das alles vor Großteils fremden Leuten.

Denn prinzipiell kann jeder der auf YouNow geht sämtliche Livestreams ohne Einschränkung mitverfolgen. Es gibt lediglich die Möglichkeit einzelne Nutzer zu blockieren. Im Unterschied zu Facebook oder Twitter sehen alle alles, es gibt keine privaten Nachrichten oder die Möglichkeit, nur bestimmte Personen am Livestream teilhaben zu lassen.

Und nicht immer sind die "fremden User" den Broadcastern gut gesinnt. Teilweise werden die Mädchen und Burschen beleidigt oder es fallen anzügliche Bemerkungen. So schreibt ein User beispielsweise zwei 16-Jährigen Mädchen: "ihr seid voll hesslich [sic]". Ein anderer schreibt: "Wuerde dich so gerne baengen [sic] (Anm. der Red.: umgangssprachlich für Sex haben)" (siehe Fotos unten). Auf die weniger netten beziehungsweise anzüglichen Kommentare reagieren diese beiden Mädchen erst gar nicht. Immer weiter streamen lautet die Devise.

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© YouNow/Screenshots

Eine 20-jährige Streamerin erzählt, dass sie beleidigt worden ist, weil sie etwas nicht von sich preisgeben wollte. "Ich finde nicht, dass ich in YouNow über alles sprechen muss. Es hat auch seine Grenzen", sagt sie in ihrem Livestream.

Auf die Medienkompetenz kommt es an

"Die jungen Nutzer sind im Bereich Datenschutz oft noch sehr ungeschult", teilt Wolf mit und rät den Jugendlichen: "Im Internet sollen User nur das preisgeben, was sie auch Fremden auf der Straße erzählen würden." Für fragwürdig hält Wolf außerdem das Ranking-System von YouNow: Denn je mehr die Jugendlichen erzählen, desto mehr Punkte und "Likes" erhalten sie und umso weiter steigen sie im Ranking auf. Das würde die Broadcaster nur zusätzlich animieren, viel von sich preiszugeben, so Wolf. Er kritisiert weiters, dass es im mitteleuropäischen beziehungsweise deutschsprachigen Raum an Moderatoren fehlt, die Sanktionen einleiten, wenn User gegen die Regeln von YouNow verstoßen.

Umso wichtiger sei es, den Kindern und Jugendlichen rechtzeitig den richtigen Umgang mit Medien beizubringen. Hier seien besonders die Eltern sowie die Schulen gefragt, teilt Wolf mit. Der Verein kommt in seinem Bericht zu dem Schluss, dass YouNow keineswegs zu verteufeln ist. Jugendliche müssen eben lernen, wie sie sich auf solchen Portalen bewegen sollen und was sie von sich preisgeben.

Aus der Sicht von YouNow ist das Portal so sicher wie möglich: "Alle Nutzer müssen sich an unsere strengen Regeln halten. Dazu gehören unter anderem keine Nacktheit, kein Drogenkonsum, keine Beleidigungen", erklärt der YouNow-Geschäftsführer. Zur Überwachung der Einhaltung dieser Regeln seien an sieben Tagen in der Woche und 24 Stunden täglich Live-Moderatoren in den Chats unterwegs. "Hinzu kommen sogenannte YouNow-Ambassadoren. Das sind Freiwillige die mit besonderen Rechten ausgestattet sind. Sie passen innerhalb der Community auf, dass sich alle an die Regeln halten", teilt Sideman mit. Und was sagt der Geschäftsführer zu den kritischen Stimmen? "Ich verstehe die Sorgen, die sich Eltern machen, sehr gut. Deshalb kann ich ihnen nur raten, mit ihren Kindern zu sprechen und sie über die Gefahren des Internets aufzuklären. Mein persönlicher Ratschlag ist an die Kids ist: Tue online nichts, was du offline nicht auch offline tun würdest."

YouNow bitte erst ab 13

Grundsätzlich ist YouNow erst für User ab 13 Jahren gedacht, aber wie wird das Alter kontrolliert? "Wer bei YouNow rein möchte, muss sich mit einem Account von Facebook, GooglePlus oder Twitter authentifizieren. Diese bekommt man frühestens mit 13", sagt Adi Sideman. Der Verein "Mimikama" bezeichnet die Anmeldung als eine Farce. "Ein Facebook- oder ein Twitter-Account stellt keine Altersbegrenzung dar", sagt Wolf.

Wie leicht man die Altersbegrenzung umgehen kann, beweist dieses Foto. Die beiden Mädchen beantworten die Frage nach ihrem Alter, wobei das rechte Mädchen während des Livestreams angibt, erst 12 Jahre alt zu sein. Die 12-Jährige hat sich allerdings nicht selbst eingeloggt, das Profil gehört ihrer um zwei Jahre älteren Freundin.

Dass viele der Nutzer auf YouNow noch so jung sind, beschäftigt nicht nur Jugendschützer: So fragt eine Userin kritisch nach: "Warum ist man bitte mit 13 auf younow?!" (siehe Foto unten). Die Antwort der 13-Jährigen kommt prompt: "Ach lass mich doch in Ruhe!"

Gerade auf junge User übt das Portal augenscheinlich eine enorme Anziehungskraft aus. Doch was mach die Faszination YouNow aus? "Ich streame, weil ich Bock dazu habe", antwortet ein 15-Jähriger auf die Frage, warum er bei YouNow dabei ist. Der Gründer erklärt sich die Popularität bei jungen Nutzern so: "YouNow ist das nächste große Ding, weil Videointeraktionen in Richtung Teilnahme in Echtzeit gehen. Wir ermöglichen mehr Interaktivität und – genauso wie bei traditionellem Fernsehen – live ist einfach am ansprechendsten."

Fan-Magnet und Cashcow

Es gibt auch diejenigen Nutzer, die ihre Person via YouNow promoten oder Geld damit verdienen wollen. Musiker und YouTube-Videoproduzenten nutzen die Plattform, um ihre Songs und Clips einer noch breiteren Masse anzudienen. Und genau das war die Idee hinter YouNow, als die Website 2011 ins Leben gerufen wurde: Künstler sollten so besser mit ihren Fans kommunizieren können. "Ich hatte den Gedanken für eine interaktive Plattform mit von Usern generierten Videos wohl schon immer im Hinterkopf. Ein Netzwerk vom Publikum fürs Publikum, wenn man so will", erklärt Geschäftsführer Adi Sideman sein Konzept.

Die Website besitzt ein simples Zahlungssystem: User können sogenannte "YouNow Coins" sammeln, indem sie streamen oder sich aktiv an der Plattform beteiligen. Die Coins fungieren als YouNow-Währung. Damit kann man den Broadcastern während ihrer Live-Shows beispielsweise "Geschenke" in Form von Emojis kaufen, um anzuzeigen, dass einem der Livestream gefällt. Mit YouNow lässt sich jedoch auch richtiges Geld verdienen - vorausgesetzt man wird "YouNow Partner": Eine Mindestanzahl an Fans, interessante Inhalte und regelmäßiges Streamen zählen zu den Kriterien.

Der YouNow-User Tayser Abuhamdeh alias "Mr. Cashier" macht seine Livestreams schon seit einiger Zeit erfolgreich zu Geld: Er arbeitet eigentlich in einen Laden in Brooklyn, New York City, verdient mittlerweile aber mehr über die Website, wie er erzählt. Anfangs hat er lediglich aus Spaß den Alltag als Verkäufer im Laden mitgefilmt und schnell viele Fans gewonnen. Doch die Handykosten sind durch das ständige Streamen horrend gestiegen. Heute kann er seine Kosten locker decken und verdient dabei noch gut.

"Ich wollte schon immer Menschen dabei helfen sich über Medien zu präsentieren. Ich bin stolz aus YouNow, da wir damit der Welt eine neue Form der Unterhaltung gegeben haben", sagt Sideman. Jeder habe heutzutage eine Kamera in seiner Tasche, es gebe überall WLAN und gute Handynetz- Verbindungen, Reality-TV sei beliebt, Selbstvermarktung alltäglich, genauso wie soziale Netzwerke.

YouNow kann also Träume oder Albträume wahr werden lassen, welche Seite der Medaille zum Vorschein kommt, das haben die Nutzer Großteil selbst in der Hand.

Zur Person Adi Sideman:Adi Sideman ist in Israel geboren. Der 44-Jährige hat interaktive Kommunikation an der "New York University" studiert und dort auch seinen Master gemacht. Sideman hat YouNow im Jahr 2011 gegründet und ist seitdem Geschäftsführer. Die Plattform ist aber nicht seine erste Erfahrung im Internetbereich: Er war davor an der Gründung von drei anderen erfolgreichen Internet-Startups beteiligt. So hat er beispielsweise den weltweit ersten Online-Karaoke-Dienst Ksolo mitbegründet. 2014 hat Sideman YouNow durch eine Investorengruppe, die schon Apple und Twitter in ihren Anfängen unterstützt hat, vor der Pleite bewahrt.

Weiterführende Links:

  • Der deutsche Sender WDR hat einen empfehlenswerten Bericht zu YouNow veröffentlicht.
  • www.saferinternet.at bietet ausführliche Informationen zum Thema Sexting.
  • "147 Rat auf Draht " bietet ein psychologisches Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Bezugspersonen.
  • Der Internet Ombudsmann bietet kostenlose Online-Beratung und Streitschlichtung zum Thema Internet-Betrug, Datenschutz und Urheberrecht.

Was treiben unsere Kinder? Die große Sexting-Reportage lesen Sie im aktuellen News in Ihrem Zeitschriftenhandel oder als E-Paper-Version.

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