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Wolfgang Pauli: 100 Jahre Ausschließungsprinzip und 125. Geburtstag

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Wolfgang Pauli
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Wolfgang Pauli, einer der einflussreichsten Physiker des 20. Jahrhunderts, könnte 2025 durchaus als wissenschaftlicher Jahresregent fungieren: Denn der österreichische Nobelpreisträger gilt nicht nur als einer der Väter der vor 100 Jahren formulierten Quantenmechanik, sondern veröffentlichte vor 100 Jahren, im Februar 1925, auch das nach ihm benannte Ausschließungsprinzip. Zudem wurde der als "Gewissen der Physik" bezeichnete Forscher am 25. April vor 125 Jahren geboren.

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Die Idee, dass Materie aus winzigen, unteilbaren Teilchen besteht, stammt schon aus der Antike. Anfang des 20. Jahrhunderts konkretisierten sich die Vorstellungen über Aufbau und Form der Atome.

Der britische Physiker Joseph John Thomson, der 1906 den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung des Elektrons erhielt, entwickelte 1903 ein Atommodell: Er ging davon aus, dass die Elektronen im Inneren der Atome eingebettet wie Rosinen in einem Kuchen ("Rosinenkuchen-" bzw. "Plumpudding-Modell") sind.

1911 legte dann der neuseeländische Physiker Ernest Rutherford sein auf Experimenten fußendes Atommodell vor. Demnach gibt es einen klar lokalisierten, positiv geladenen Atomkern, der von einer viel größeren Hülle aus Elektronen umgeben ist.

Zwei Jahre später formulierte der dänische Physiker Niels Bohr ein Atommodell, in dem die Elektronen den Kern auf bestimmten Bahnen umkreisen, dabei aber nur ganz bestimmte Energiezustände einnehmen können. Dieses Bohrsche Atommodell konnte zwar die von angeregten Atomen ausgesendeten und oftmals beobachteten verschiedenen Lichtfrequenzen (Spektrallinien) erklären. Wirklich gut hat das aber nur für den Wasserstoff und solche Atome funktioniert, die nur ein Elektron in der äußersten Schale haben. Bohr lieferte damit aber keine überzeugende Erklärung für die Struktur des Periodensystems.

"Unklar war, warum die Elektronen schwererer Atome nicht alle in den Grundzustand zurückfallen", sagte der theoretische Physiker Gerhard Ecker von der Uni Wien zur APA. Er schreibt derzeit ein Buch über Wolfgang Pauli, das im Frühjahr im Springer-Verlag in der Reihe "Essentials" erscheint und verweist auf Paulis Dissertation aus 1921. Darin hatte der Physiker anhand der Elektronenbahnen im positiv geladenen Wasserstoffion die Schwächen des Bohrschen Modells aufgezeigt.

Drei Jahre später, Ende 1924, gelang Pauli der Durchbruch: Bis dahin wurden drei sogenannte "Quantenzahlen" verwendet, um den Zustand eines Elektrons und seine Bewegung zu beschreiben. Pauli fügte eine vierte Quantenzahl hinzu, eine Quanteneigenschaft, die dem Elektron eine "klassisch nicht beschreibbare Zweiwertigkeit" zuschreibt.

Zunächst fand Pauli keine logische Erklärung für die vierte Quantenzahl, aber sie funktionierte. Die zwei niederländischen Physiker Samuel Goudsmit und George Uhlenbeck interpretierten sie etwas später als "Spin" (Eigendrehimpuls) des Elektrons. Diese Idee hatte zuvor schon Ralph Kronig, doch Pauli redete dem jungen Physiker diesen Gedanken als "witzigen Einfall", aber ohne Bezug zur Realität aus.

Gleichzeitig zu seinem Vorschlag einer weiteren Quantenzahl reichte Pauli Anfang 1925 in der "Zeitschrift für Physik" eine Arbeit ein, in der er das "Ausschließungsprinzip" beschreibt. Diesem später nach ihm benannten "Pauli-Prinzip" zufolge können zwei Elektronen in einem Atom nicht in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen. Für diese entscheidende Erklärung der Anordnung der Elektronen in der Atomschale und des Periodensystems der Elemente wurde Pauli 1945 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.

Paulis Ideen befeuerten die Entwicklung der Quantenmechanik. Den Grundstein für diese Theorie legte - nach regem Austausch mit Pauli - im September 1925 der deutsche Physiker Werner Heisenberg, der mit Pauli seit der gemeinsamen Studienzeit in München befreundet war. Als "mathematisches Riesentalent" (Ecker) konnte Pauli aus Heisenbergs Arbeit rein algebraisch das Wasserstoff-Spektrum ableiten und 1926 zeigen, dass die Wellenmechanik des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger völlig äquivalent zu Heisenbergs - auf Matrizenrechnung beruhende - Theorie ist.

Wegen seiner oft schonungslosen und direkten Art, mit Kollegen und deren Aussagen umzugehen, wurde Pauli von seinen Kollegen als "Gewissen der Physik" bezeichnet, wegen seiner häufigen Sticheleien aber auch "Geißel Gottes". War eine Arbeit nicht ganz schlüssig, bekam sie von ihm das Attribut "nicht einmal falsch". Pauli ging es vor allem um klare und schlüssige Erklärungen sowie um strenge mathematische Handhabung physikalischer Probleme.

Die mathematische Begabung wurde dem am 25. April 1900 in Wien geborenen Pauli quasi in die Wiege gelegt. Der Physiker und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach war Paulis Taufpate und beeinflusste ihn bis zu seinem Tod 1916. Bereits in der Unterstufe des Gymnasiums, wo er gemeinsam mit dem späteren Chemie-Nobelpreisträger Richard Kuhn in der Klasse saß, las Pauli Werke u.a. von Albert Einstein.

Über dessen Allgemeine Relativitätstheorie (ART) schrieb er als 21-jähriger Student an der Uni München im Auftrag von Arnold Sommerfeld eine Abhandlung, die ihn "schlagartig in der Physikergemeinde bekannt machte und Generationen von Studierenden und Physikern" die ART näher brachte, so Ecker. Und selbst Einstein mochte "nicht glauben", dass der Verfasser dieses "reifen und groß angelegten Werks ein Mann von 21 Jahren ist".

Nach seiner Promotion summa cum laude 1921 ging Pauli als Assistent zu Max Born an die Universität Göttingen, der ihn als "Genius ersten Ranges" bezeichnete, aber auch seine Angewohnheit kritisierte, lange zu schlafen und deshalb öfters seine Vorlesung zu versäumen. Nach einem Zwischenstopp bei Niels Bohr in Kopenhagen wechselte Pauli 1923 nach Hamburg, wo er sein Ausschließungsprinzip und seine Beiträge zur Quantenmechanik schuf.

1928 ging der Physiker dann an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich. Er bemühte sich zweimal vergeblich um die Schweizer Staatsbürgerschaft und nahm 1940 die Einladung für eine Gastprofessur an der Princeton University (USA) an. Er blieb sechs Jahre in den USA, kehrte dann aber wieder an die ETH Zürich zurück.

Dort gelang Pauli bereits im Dezember 1930 seine zweite große Leistung: In einem Brief postulierte er die Existenz eines bis dahin unbekannten Teilchens. Zur Erklärung des radioaktiven Beta-Zerfalls nahm der Physiker dieses neue Teilchen mit der festen Überzeugung in seine Berechnungen auf, dass es niemals nachgewiesen werden könnte. Er wettete sogar mit einem Kollegen um eine Kiste Champagner, dass das Neutrino niemals experimentell nachgewiesen wird. Erst 1956 gelang der Nachweis und Pauli musste seine Wette einlösen.

Dass er seine Idee für das neue Teilchen in einem Brief formulierte, war typisch für Pauli, dessen Publikationsliste nicht sehr lang ist. "Es gibt nur etwa 90 Publikationen von ihm, damit kann man heute fast keine Professur bekommen", so Ecker. Dagegen habe Pauli über 2.000 wissenschaftliche Briefe geschrieben. Alleine von Heisenberg gebe es etwa 250 Briefe an Pauli, die dieser alle beantwortete.

Neben dem "Pauli-Prinzip" war der Physiker auch für den - vielfach belegten - "Pauli-Effekt" berühmt. Demnach war es unmöglich, dass sich Wolfgang Pauli und ein funktionierendes Gerät im gleichen Raum befinden. Selbst erprobte Experimente neigten bei Anwesenheit Paulis zum Versagen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierten sich Pauli und Heisenberg für die Gründung des Europäischen Kernforschungslabors CERN bei Genf. Einer der ersten CERN-Direktoren war der aus Österreich stammende US-Physiker Victor Weisskopf, der ebenso Assistent bei Pauli in Zürich war, wie der österreichische Physiker Walter Thirring.

Gegen Ende seines Lebens kooperierte Pauli mit Heisenberg zu dessen Idee, die als "Weltformel" bezeichnet wurde. Dabei kam es zum Zerwürfnis der beiden Freunde, die sich aber kurz vor Paulis Tod wieder versöhnten. Pauli starb am 15. Dezember 1958 in Zürich an Bauchspeicheldrüsenkrebs.

(Von Christian Müller/APA)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/NOBEL FOUNDATION

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