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"Jeder spricht darüber", sagt JP Flores, ein auf Genetik spezialisierter Doktorand an der Universität des Ostküsten-Staates North Carolina. Es sei bereits ziemlich klar, dass es einen großen Brain Drain, also eine Abwanderung hoch qualifizierter Kräfte, in der amerikanischen Forschung geben werde.
Laut einer Ende März in "Nature" veröffentlichten Umfrage denken mehr als 75 Prozent der Wissenschafter in den USA über den Wegzug ins Ausland nach. Der Trend sei "besonders ausgeprägt" unter Forschern, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stünden, schrieb das renommierte Wissenschaftsmagazin.
"Die Leute haben so viel Angst", sagt Daniella Fodera von der Columbia University in New York, die zu Myomen - also gutartigen Wucherungen - in der Gebärmutter forscht. Ihr eigenes Forschungsstipendium wurde gestrichen. Deswegen schaut sie sich nun nach möglichen Stellen oder anderswo im Ausland um, in denen sie ihre Post-Doktorandenausbildung fortsetzen könnte.
Es ist nicht nur der wissenschaftliche Nachwuchs, der den USA in größerer Zahl abhanden zu kommt droht. Der renommierte Philosoph und Faschismus-Forscher Jason Stanley von der US-Eliteuniversität Yale sorgte für Aufsehen mit seiner Ankündigung, wegen Trump an ein Institut im kanadischen Toronto zu wechseln. Den Entschluss zu diesem Umzug habe er getroffen, nachdem die Columbia-Universität dem Druck der Trump-Regierung nachgegeben habe, sagte Stanley dem US-Sender CBS News.
Die Regierung hatte ihre Zuwendungen an die Columbia University im März um 400 Millionen Dollar (365 Mio. Euro) gekürzt und dies damit begründet, dass die Hochschule beim Schutz jüdischer Studenten vor antisemitischen Angriffen versagt habe.
Die Columbia-Universität ging daraufhin auf Forderungen der Regierung ein und sagte zu, das Tragen von Masken bei Protesten auf dem Campus weitgehend zu verbieten, die Campus-Polizei personell zu verstärken und die Abteilungen für Nahost-, Südasien- und Afrika-Studien durch einen Verwaltungsbeschäftigten mit weitreichenden Vollmachten beaufsichtigen zu lassen.
Für den Philosophen Stanley steht der Charakter der zweiten Trump-Präsidentschaft bereits klar fest: "Das, was die Trump-Regierung gerade macht, ist Faschismus", sagte er der Deutschen Welle. Er habe "Angst, dass mich die Regierung ins Visier nimmt".
Die Sorgen um die akademische Freiheit, die Finanzierung der Hochschulen und anderen Forschungsstätten wie auch um den eigenen Arbeitsplatz - all dies heizt die Exodus-Stimmung in den US-Wissenschaften an.
Und auch wenn aufgrund der internationalen Vernetzung der Forschungen in allen Feldern der Sparkurs in den USA nicht nur dort, sondern überall den Wissenschaften schadet, hoffen andere Länder, von der Abwanderung aus den USA zu profitieren. Der Brain Drain der Vereinigten Staaten könnte für sie zum "Brain Gain" werden, also zum Zugewinn an "Hirn", werden.
Hochschulen in Kanada und Europa, darunter Österreich, haben deshalb inzwischen Initiativen lanciert, um Forscher aus den USA anzulocken, oder erwägen sie. Auch die deutsche Wissenschaftsgemeinde setzt darauf, sich durch die Aufnahme von Kolleginnen und Kollegen einen Qualitätsgewinn zu verschaffen.
Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) mit Sitz in Berlin, Patrick Cramer, bezeichnete bereits kurz nach Trumps Amtsantritt im "Spiegel" die USA als "neuen Talentpool für uns". Auf eine jüngste Ausschreibung für die Leitung von Forschungsgruppen habe die MPG doppelt so viele Bewerbungen aus den USA erhalten wie im Jahr davor.
Die Gesellschaft werde mit zusätzlichen Mitteln weitere Gruppenleiterstellen schaffen, "um diesen Menschen eine Perspektive zu bieten und zugleich die Max-Planck-Gesellschaft zu stärken", kündigte Cramer an.
In den USA gibt es bereits Warnungen, dass das Land seine Führungsrolle in manchen Wissenschaftsfeldern verlieren könnte. Die Leukämie-Forscherin Gwen Nichols berichtet von diversen Kollegen mit besonders guten Voraussetzungen für den Wegzug ins Ausland wie doppelter Staatsbürgerschaft oder Angehörigen in Kanada, Frankreich oder Deutschland, die diesen Schritt konkret ins Auge fassten.
Nichols warnt, dass die Vereinigten Staaten infolge des sich anbahnenden Brain Drain ihre "Dominanz in der biopharmazeutischen Innovation" verlieren könnten. Das Problem werde dann in zehn Jahren deutlich werden, wenn das Land nicht die benötigten Fortschritte auf diesem Feld erzielt habe, fügt die Forscherin hinzu.
(Von Charlotte Causit/AFP)
WASHINGTON - USA: FOTO: APA/APA/GETTY IMAGES NORTH AMERICA/ANNA MONEYMAKER