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Starke Blutdrucksenkung rettet Leben - bei mehr Nebenwirkungen

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Rund 45 Prozent der Erwachsenen in Europa leiden an einer Hypertonie
©APA/APA/dpa/Jochen Lübke
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Ein systolischer Blutdruck ("oberer Wert") von unter 120 mmHg senkt bei Patienten mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko die Sterblichkeit. Doch das geht mit dem "Preis" von Nebenwirkungen wie zu niedrigem Blutdruck, Herzrhythmus- und Störungen der Nierenfunktion einher. Das hat jetzt eine groß angelegte Metaanalyse von Wiener Klinischen Pharmakologen ergeben.

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In den vergangenen drei Jahrzehnten gab es bezüglich der empfohlenen Blutdruckwerte und der bei Menschen mit Hypertonie empfohlenen Behandlungsziele nur eine Tendenz: nach unten. Zuletzt haben die Fachgesellschaften sowohl in den USA als auch in Europa gar weniger als 120 mmHg für Risikopersonen empfohlen.

Doch wie Felix Bergmann von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien (AKH) und seine Co-Autoren jetzt im angesehenen Journal of Internal Medicine (doi: 10.1111/joim.20078) schreiben: "Der optimale systolische Blutdruckzielwert (SBP) bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko bleibt unklar."

Deshalb analysierten die beteiligten Wissenschafter in ihrer Metaanalyse jene wissenschaftlichen Studien, welche bis November 2024 auf der Basis von Placebokontrolle und per Zufall erfolgter Zuteilung der Probanden zu den Vergleichsgruppen zu dem Thema durchgeführt worden sind. Die Teilnehmer wiesen einen erhöhten Blutdruck und andere starke Risikofaktoren für Herzinfarkt etc. auf. Verglichen wurden Personen, welche durch eine besonders intensive Antihypertoniebehandlung auf systolische Werte von weniger als 120 mmHg kamen, mit Probanden, bei denen man - wie bis zu den neuen Empfehlungen - weniger als 140 mmHg systolisch anstrebte.

Insgesamt konnten schließlich die Daten von 39.434 Patienten ausgewertet werden. Bezüglich der Gesamtsterblichkeit (alle Ursachen) zeigte sich ein eindeutig positives Ergebnis bei besonders wirkungsvoller Blutdrucktherapie. "Die Gesamtmortalität war in der intensiven Kontrollgruppe bezüglich des systolischen Blutdrucks (672 Sterbefälle von 19.712 oder 3,4 Prozent; Anm.) signifikant niedriger als in der Standard-Kontrollgruppe (778 Sterbefälle von 19.722 oder 3,9 Prozent; Anm.)", stellten die Wissenschafter fest. Der Unterschied war statistisch signifikant.

So reduzierte sich die Gesamtsterblichkeit bei weniger als 120 mmHg systolischen Blutdrucks im Vergleich zu weniger als 140 mmHg als Zielwert um 13 Prozent. Die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Todesfällen nahm um 27 Prozent ab, die Häufigkeit von Herzinfarkten um 17 und jene von Schlaganfällen um 19 Prozent.

Freilich, die Positiva hatten auch ihren sprichwörtlichen "Preis". So klagten die Probanden in der Gruppe mit intensiver Behandlung mehr als dreimal häufiger über zu niedrigen Blutdruck. Die Häufigkeit von Kreislaufkollaps-Ereignissen nahm um 56 Prozent zu, jene von Herz-Arrhythmien um 17 Prozent. Akute Nierenfunktionsstörungen traten um 66 Prozent öfter auf. Es kam auch häufiger zu Elektrolystörungen.

"Eine intensive Kontrolle des systolischen Blutdrucks auf weniger als 120 mmHg war mit einer geringeren Inzidenz (Häufigkeit; Anm.) von Gesamtmortalität und MACE (schwere akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen; Anm.), aber einer höheren Inzidenz von unerwünschten Ereignissen verbunden", fassten die Wissenschafter ihre Ergebnisse zusammen.

Alle diese Analysen haben potenzielle Auswirkungen auf viele Millionen Menschen. Rund 45 Prozent der Erwachsenen in Europa leiden an einer Hypertonie. Der Bluthochdruck ist der bedeutendste Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Schon seit einigen Jahren empfahlen die europäischen Hypertonieexperten einen Blutdruck von weniger als 120 mmHg systolisch (oberer Wert) und weniger als 80 mmHg diastolisch (unterer Wert) als "optimal". Als normal wurden 120 bis 129 mmHg und 80 bis 84 mmHg bezeichnet. 130 bis 139 und/oder 85 bis 89 mmHg galten als "hochnormal". Als eine Hypertonie wurden und werden Werte über 140/90 mmHg bezeichnet. Es gibt weitere Abstufungen nach oben.

Vergangenen Sommer wurden beim Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) neue Leitlinien präsentiert. Demnach wurde in den Empfehlungen des Jahres 2024 eine neue Kategorie eingeführt: "Erhöhter Blutdruck". "Das ist definiert als ein Blutdruck von 120 bis 139 mmHg (systolisch) zu 70 bis 89 mmHg (diastolisch). "Diese neue Kategorie wurde geschaffen, um zum früheren Überlegen einer intensiven Blutdruckbehandlung bei Menschen mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko zu führen", hieß es in einer Aussendung der größten medizinischen Fachgesellschaft Europas.

"Diese neue Kategorie soll zeigen, dass die Menschen nicht über Nacht von einem 'normalen' Blutdruck zu einer Hypertonie wechseln", stellten die Fachleute vergangenes Jahr bei der Präsentation der Richtlinien fest. Co-Autor Rhian Touyz von der McGill Universität (Kanada) ergänzte: "Die Gefahren, die mit einem erhöhten Blutdruck einhergehen, beginnen schon bei Werten von 120 mmHg (systolisch)."

HANNOVER - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Jochen Lübke

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