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Die ehemalige Gesundheitsministerin und Ex-SPÖ-Chefin ist seit Mitte Juni 2024 Leiterin der von der EU im Jahr 2022 mit zusätzlichen Agenden betrauten Stelle in Stockholm, die für die Mitgliedsländer, aber auch indirekt über intensive Kontakte mit vergleichbaren Stellen in anderen Staaten und Erdteilen (z.B. CDC/USA, Kanada, China, Japan, ASEAN-Staaten, CDC/Afrika) global einen wesentlichen Beitrag zur Öffentlichen Gesundheit leisten soll.
"Ohne internationale Zusammenarbeit im Konnex mit Infektionskrankheiten sind wir halb blind", sagte Rendi-Wagner. Das Konzept von "One Health", bei dem Aspekte der Veterinär- und der Humanmedizin zusammen betrachtet werden, schließe "blinde Flecken". Ein aktuelles Beispiel ist die Verbreitung der "Vogelgrippe" H5N1 in den USA und Kanada, wo die Erreger in die Nutztierhaltung inklusive der Milchproduktion vorgedrungen sind.
Insgesamt, so die Expertin, gelte es, die Lehren aus der SARS-CoV-2-Pandemie zu ziehen und daraus Maßnahmen zu entwickeln, welche die Staaten und die Welt insgesamt besser vorbereitet sein lassen als es 2019/2020 der Fall war. "Wir müssen schneller werden. Wir müssen besser zusammenarbeiten. Wir brauchen mehr Vertrauen der Bevölkerung", sagte Rendi-Wagner.
Interessanterweise sei das ECDC - im Grunde mit den US-Zentren für Krankheitskontrolle (CDC/Atlanta) als Vorbild - vor 20 Jahren aufgrund der damaligen Erfahrungen mit SARS gegründet worden. "Unser ECDC wurde 2022, inmitten der Covid-19-Pandemie, durch wichtige Beschlüsse der EU gestärkt und mit einem neuen Mandat im Kampf gegen Infektionskrankheiten versehen. Wir beschreiben nicht nur Dinge, sondern wir bewerten jetzt auch die Situation und wurden dazu verpflichtet, Empfehlungen und Leitlinien auszuarbeiten", erklärte die ECDC-Direktorin.
Zwar habe die Überwachung (Surveillance) der epidemiologischen Entwicklung während der Covid-19-Pandemie an sich recht gut funktioniert. Das Ziel müsse aber eine bessere Integration verschiedener Datenquellen sein, so wären hier beispielsweise die Abwasser-Untersuchungen hinzugekommen. "Das Ziel ist eine Echtzeit-Surveillance, damit wir wissen, was in welchem Land, in welcher Region, geschieht. Wenn wir schneller Antworten geben können, führt das auch zu mehr Vertrauen in der Bevölkerung." Die Kommunikation müsse transparenter und verständlicher werden. Auf ein österreichisches Beispiel umgelegt, gehe es darum, zur Beobachtung der epidemiologischen Situation die Daten aus der elektronischen Patientenakte (ELGA) und des epidemiologischen Meldesystems (EMS) zu verschmelzen.
Das ECDC ist jedenfalls mit neuen Agenden für die EU-Mitgliedsländer und Kooperationspartner ausgestattet. "Wir können erstmals Missionen in den Mitgliedsstaaten durchführen und den Grad der Pandemie-Preparedness analysieren. Das haben bereits sechs Mitgliedsstaaten in Anspruch genommen", sagte Rendi-Wagner. Auf Wunsch würde jeweils ein Team aus zehn bis zwölf Experten anderer Mitgliedsstaaten lokal eine solche Bewertung zu 16 Themenbereichen durchführen.
Eigene "Health Task Forces" als Expertengruppen würden aber auch zunehmend international tätig sein, so die ECDC-Direktorin. "Wir sind seit dem Ausbruch von Mpox (Affenpocken; Anm.) im Kongo." Erst vor kurzem habe der Gesundheitsminister von Ruanda um Entsendung eines ECDC-Teams gebeten, um die Situation rund um einen Ausbruch des Marburg Virus in diesem Land zu begutachten und das Ende des Ausbruchs zu bestätigen. Hinzu komme, dass man auf dem Westbalkan mit den dortigen EU-Beitrittsländern, in der Türkei, Moldawien und der Ukraine helfe, die Öffentliche Gesundheit so zu stärken, dass man an den EU-Status herankomme.
Ganz wichtig sei aber die Wiedergewinnung und die Verstärkung des Vertrauens der Menschen. "Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie schnell das Vertrauen der Bevölkerung verloren gehen kann - in die Politik, in die Wissenschaft, in die Medizin. Man braucht Vertrauen vor der Krise. Du vertraust aber auch nur jemandem, den Du kennst. Da braucht es klare und effektive Kommunikation mit Menschen. Wir dürfen uns nicht hinter unserer wissenschaftlichen Sprache verstecken", sagte die Expertin.
Die größten Probleme für die öffentliche Gesundheit abseits der Vorbereitung auf eine allfällige nächste Pandemie sind laut Rendi-Wagner zwei Themen: "Die Antibiotika-Resistenzen sind eine der größten Bedrohungen, mit denen wir zu kämpfen haben." Extrem besorgniserregend seien aber die in vielen Ländern der EU abnehmenden Impfquoten gegen vermeidbare Infektionskrankheiten. Man dürfte sich nicht täuschen: "Jede Gesundheitskrise und jede Pandemie bedrohen nicht nur Gesundheit und Leben der Menschen. Sie stellen auch eine Bedrohung für den Zusammenhalt der Gesellschaft dar."
SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner am Donnerstag, 01. Juni 2023, anl. einer Sondersitzung des Nationalrats auf Verlangen von ÖVP und Grünen zu Entlastungsmaßnahmen für finanziell Schwächere und Strompreiskompensation für die Industrie im Parlament in Wien.