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Zum Beispiel sei nicht immer klar geregelt, was mit Systemen geschieht, die im Rahmen von klinischen Tests in den Körper eines Betroffenen verpflanzt wurden, deren Entwicklung dann aber nicht weitergeführt wird, so die Wissenschafter, zu denen auch Stanisa Raspopovic vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Medizinischen Universität (Meduni) Wien zählt. Klarerweise müssten solche Geräte auch nach Ablauf einer Studie gewartet oder gegebenenfalls wieder entfernt werden. Auch die Frage der Eigentümerschaft muss klar geregelt sein.
All diese Fragen tauchen nun auf, nachdem sich erste Systeme anschicken, den Sprung aus dem Tierversuchs- oder Prototyp-Stadium in Richtung Anwendung bei menschlichen Patienten zu machen, schreiben Raspopovic, Marcello Ienca von der Technischen Universität München und Giacomo Valle von der ETH Zürich in ihrem Perspektivenartikel. Raspopovic sorgte bereits mit einer neuartigen Prothese mit Verbindungen zu Nerven im Arm für Aufsehen, mit der Patienten sozusagen ein Stück weit wieder fühlen und tasten können. Ebenso arbeitete er noch an der ETH Zürich u.a. an einer Beinprothese, die über eine neuartige Schnittstelle mit dem Gehirn verbunden ist. In Wien führt er diese Forschungen nun weiter und testet etwa mit Kollegen eine Art elektrischen Socken zur Therapie des Verlusts des Empfindungsvermögens bei Diabetes.
Beim Ausrollen solcher Innovationen einfach die Regelungen für klinische Studien aus anderen Bereichen, wie etwa der Impfstoff- oder Medikamentenentwicklung und -zulassung zu übernehmen, reiche eher nicht aus, argumentieren die Experten. Ein Beispiel für besondere Umstände sei der Fall eines querschnittsgelähmten US-Patienten, der durch ein Gehirnchip-Implantat seinen Rollstuhl ebenso ansteuern konnte wie eine Computertastatur, was ihm beispielsweise das Schachspielen ermöglichte. Allerdings stellte sich nach der spektakulären Lernkurve nach rund einem Monat ein gegenteiliger Effekt ein, und die Steuerung wurde wieder unpräziser. Mittlerweile konnte das Problem zwar teilweise behoben werden, das Beispiel zeige aber die Herausforderungen auf, heißt es in einer Aussendung der Meduni.
Solchen Implantaten, mit denen ein mehr oder weniger direkter Kontakt zwischen technischen Geräten und dem Nervensystem hergestellt werden kann, wird von vielen Experten jedenfalls großes Potenzial zugebilligt. Neben der Wiederherstellung der Kontrolle über Bereiche des Körpers, wo diese etwa auch durch Schlaganfälle verloren gegangen ist, oder dem intuitiven Ansteuern von Prothesen, die diese ersetzen, könnten so auch chronische Schmerzen oder Epilepsien hintangehalten oder Erkrankungen, die mit dem Abnehmen geistiger Fähigkeiten zu tun haben wie Parkinson oder Alzheimer, vielleicht behandelt werden.
Vor allem in den USA, Kanada, China, der Schweiz oder auch in Deutschland laufen bereits zahlreiche einschlägige Studien. In Österreich würden allerdings "nur sehr wenige oder gar keine ähnlichen Studien durchgeführt", erklärte Raspopovic gegenüber der APA. Das liege in erster Linie an strengen und langwierigen Zulassungsverfahren für neue Techniken: "Einerseits ist das gut für die Sicherheit, andererseits verwehrt es den am stärksten behinderten Patienten den Zugang zu den modernsten Behandlungen und Geräten", so der Meduni Wien-Forscher.
Hier sollte in Zukunft gut zwischen Pros und Kontras abgewogen werden: Immerhin könnten durch die direkte Verbindung ins Nervensystem solche Geräte vielleicht auch einmal "Bewusstsein, Kognition und affektive Zustände und sogar den freien Willen beeinflussen", wird Raspopovic in der Aussendung zitiert: Daher brauche es neue Ansätze, um bei Studien die unmittelbare Erfahrung der Patientinnen und Patienten gründlich zu bewerten und überdies die Privatsphäre selbiger zu schützen, so die Wissenschafter in ihrer Arbeit.
Denn die Systeme müssen nicht nur neuronale Informationen aussenden, sondern diese auch aufzeichnen können, um sie etwa mittels Künstlicher Intelligenz zu interpretieren. Damit würden automatisch sensible Daten erzeugt und gespeichert. Und: An jeder neuen Daten-Schnittstelle entstehen Möglichkeiten, Informationen auch abzugreifen bzw. Geräte zu hacken.