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Pathologie zu 98 Prozent für Lebende und trotz KI nicht tot

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Pathologie wichtig bei der Frünerkennung von Erkrankungen
©APA/APA/dpa/Bernd von Jutrczenka
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Pathologinnen und Pathologen kümmern sich zu "mindestens 98 Prozent der Zeit um Lebende". Das hat die neue Präsidentin der Gesellschaft für Pathologie (ÖGPath), Eva Compérat, im Gespräch mit der APA betont. Das in der Bevölkerung oft verankerte Bild, "dass wir irgendwelche Kriminalfälle aufklären helfen, stimmt nicht, das macht die Gerichtsmedizin". Künstliche Intelligenz (KI) wird ein immer größeres Thema, dennoch sei die "Pathologie nach wie vor nicht tot", sagte sie.

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Die Pathologie spielt eine entscheidende Rolle bei Früherkennung, Diagnose und Therapiekontrolle in der modernen Medizin. "Der Pathologe ist immer noch derjenige, der die Diagnose erstellt. Das heißt, niemand wird einen Patienten behandeln, insbesondere einen Krebspatienten, ohne ein pathologisches Ergebnis", verwies Compérat beispielsweise auf die Analysen von Biopsien (Gewebeentnahmen) von Tumoren für eine Therapieentscheidung. Auch in der Analyse von Biomarkern spielen die Pathologen eine herausragende Rolle, wobei je nach Ergebnis bestimmte Therapien bevorzugt gegeben werden können.

Es sei auch "nicht, weil wir kaum Patientinnen und Patienten sehen, dass wir uns nicht um diese kümmern. Wir sind in jedem Tumorboard von unserem Spezialgebiet dabei", berichtete die Medizinerin vom AKH/MedUni Wien. Dabei werden die Patienten etwa gemeinsam mit Chirurgen, Onkologen und Radiologen bezüglich des weiteren Vorgehens besprochen "und die Meinung des Pathologen zählt sehr wohl", erläuterte die Universitätsprofessorin.

Compérat ist Uropathologin und kümmert sich um urogenitale Läsionen (Schädigungen) bzw. Tumoren der Prostata, der Blase und um Nierenkarzinome, seltener um Penis- und Hodentumoren. Es gibt viele Vorsorgeuntersuchungen, bei denen der Pathologe ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, beispielsweise bei Personen, die sich einer Koloskopie unterziehen. Die dabei gewonnenen Biopsien werden von einem Pathologen begutachtet und ein Befund erstellt. Aber auch bei Krankheiten wie einer akuten Blinddarmentzündung, einem Leberfleck bzw. Muttermal sowie Krebsabstrichen bei der Gynäkologin kommt der Pathologe ins Spiel. Pathologie "ist wirklich ein extrem breit gefächertes Feld", betonte Compérat.

348 Fachärztinnen und Fachärzte für Pathologie gibt es in Österreich. Von den 164 Ausbildungsstellen werden momentan circa 50 Prozent genützt, berichtete die ÖGPath-Präsidentin. "Das ist viel zu wenig", sagte sie. Momentan sei die Pathologie in Österreich noch relativ gut aufgestellt. Ein großes Problem werde es in fünf bis zehn Jahren geben, "weil dann meine ganze Generation in Pension gehen wird". Das Durchschnittsalter in der Fachrichtung liege bei 54 Jahren, bei den männlichen Kollegen sogar bei fast 57 Jahren.

Ein Grund für den Personalmangel sei, "dass man die Sichtbarkeit der Pathologie wirklich massivst eingeschränkt hat während des Studiums". Der Bereich sei verteilt auf viele Blöcke und die Studierenden hätten "nicht mehr den Gesamteindruck und das Gesamtbild der Pathologie". Früher sei Pathologie eine sehr große Prüfung im Medizinstudium gewesen, für die circa ein Jahr gelernt wurde. Hinzu komme die Fehleinschätzung, "wir obduzieren ja nur und wir kümmern uns nicht um lebende Patienten". Dabei habe sich "wahnsinnig viel geändert. Es gibt immer mehr molekularpathologische Zusatzuntersuchungen" und auch Künstliche Intelligenz spiele zunehmend eine wichtige Rolle. "Wir sind ein sehr modernes Fach", betonte Compérat.

Es brauche wesentlich mehr Personal in der Pathologie, "zumindest 30 Prozent mehr Leute", weil die Arbeitsbelastung steige. Dadurch, dass die Früherkennungsmethoden besser werden, vor allem die bildgebenden Methoden, werden Erkrankungen eher festgestellt, sagte Compérat. "Es wird mehr und früher erkannt und dadurch sind die Pathologen sehr gefordert." Zur Gesundenuntersuchung zu gehen sei jedenfalls eine gute Entscheidung, "weil man vielleicht nicht bei jedem Patienten, aber zumindest bei einigen doch etwas abfangen kann, das unbehandelt dramatisch enden könnte", riet die Medizinerin.

Künstliche Intelligenz werde und müsse in der Pathologie in den nächsten Jahren vermehrt kommen, "weil wir einfach zeitlich und menschlich nicht genug Ressourcen haben werden". Gewisse Diagnosen lassen sich schon sehr gut erstellen, berichtete Compérat, wie zum Beispiel Prostatabiopsien, wo der Computer analysiert, was typisch oder was pathologisch ist. Natürlich kontrolliert ein Pathologe diese Befunde. "Zum Teil bestellen die Computer dann auch schon Zusatzuntersuchungen", erläuterte die Medizinerin. Der Computer misst auch die Länge der Biopsie und falls vorhanden den Tumor, was sonst der Mediziner für jeden Befund macht. In diesen Domänen ist KI zeitsparend, aber auch sehr präzise.

"Aber in anderen Domänen, wie zum Beispiel beim Blasenkarzinom, funktioniert KI noch nicht zufriedenstellend." Das sei sehr kompliziert. "Da braucht es nach wie vor das menschliche Auge", berichtete die Pathologin. Viele Dinge seien erfahrungs- und wissensbezogen und das werde eine Maschine, "jetzt lehne ich mich sehr weit hinaus, aber sicher nicht in den nächsten zehn Jahren schaffen, was wir an Hirnleistung haben", vermutet Compérat. Zudem müsse eine Maschine zuerst einmal trainiert werden. "Das heißt, der Pathologe muss der Maschine einzeichnen, was sie analysieren muss." Das seien Hunderte Stunden Arbeit, bis ein Computer die Muster erkennt. "Also insofern ist die Pathologie nach wie vor nicht tot."

Ein großes Problem, das Compérat im Rahmen ihrer Präsidentschaft der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie ansprechen will, "ist natürlich das Forschungsproblem". Es werde sehr viel geforscht, von den Möglichkeiten in Österreich müsse aber mehr profitiert werden. "Wenn ich gute Forschung mache, dann werde ich auch international sichtbar und ich möchte, dass die österreichische Pathologie international sichtbarer wird."

Mehr Fördergeld wäre dafür gut und es gehe darum, nicht nur in der Pathologie, sondern überhaupt, "dass man die Jugend dafür begeistert, zu forschen", betonte die Universitätsprofessorin vom Klinischen Institut für Pathologie der MedUni Wien. Viele frisch ausgebildete Pathologen wechseln sofort in ein Privatlabor, weil sie dort besser bezahlt werden, berichtete sie. Nur mit der Forschung gebe es Fortschritt, Forschung schaffe Arbeitsplätze und sei etwas Begeisterndes, betonte die gebürtige Linzerin, die in Wien studiert und dann 28 Jahre in Frankreich gelernt, gelehrt und geforscht hat, unter anderem als Professorin an der renommierten Universität Sorbonne in Paris. Seit 2020 leitet sie an der MedUni Wien die Urologische Pathologie.

Von 6. bis 10. September richten die Europäische Gesellschaft für Pathologie (ESP) und die ÖGPath in Wien den 37. Europäischen Kongress der Pathologie (ECP) aus. "Es ist ganz toll, dass wir es geschafft haben, diesen Kongress nach Österreich zu holen." Dadurch werde Wien für die internationale Pathologie sehr sichtbar. Die Stadt sei ja auch eine Wiege der Pathologie, erinnerte Compérat. Im Wiener AKH wurde ab 1796 eine eigene Prosektur eingerichtet und von dort begann sich die Pathologie als eigenständiges Fach zu entwickeln. Bei dem Kongress werden 7.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt erwartet.

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