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"Wild gefangene Fische können, wenn sie aus ihrem natürlichen Lebensraum entfernt werden, erhöhte Stresshormon-Pegel zeigen", so Kotrschal, der an der Universität Wageningen in den Niederlanden forscht, in dem Fachartikel: "Dies wirkt sich bekanntermaßen negativ auf die Lernfähigkeit aus." Bei in Gefangenschaft aufgezogenen Tieren bestünde wiederum das Risiko, dass sie aufgrund mangelnder Erfahrung bei ökologisch relevanten Aufgaben schlechter abschneiden als ihre wilden Artgenossen. "Wenn wir uns überwiegend auf Laborstudien verlassen, kann dies deshalb unsere Wahrnehmung der Kognition und des Verhaltens von Fischen in ihren natürlichen Lebensräumen verzerren", meint er.
Kotrschal entwickelte deshalb mit Kollegen eine Apparatur, mit der man die Intelligenz der Wasserbewohner in ihren Seen, Bächen und im Meer testen kann. Sie besteht aus einem "Futterbrett" aus Kunststoff, an dem zwei Dutzend Kunststoffscheiben drehbar befestigt sind. Sie verdecken jeweils ein Loch, in das die Forscher Futter-Pellets oder Mückenlarven platzieren können. Wenn die Fische solch eine Kunststoffscheibe zur Seite stupsen, gelangen sie an diese Köstlichkeiten.
Das Futterbrett kann entweder am Gewässergrund oder mittels Gestell in beliebiger Höhe platziert werden. "Es ist also geeignet zum Testen von Arten, die in unterschiedlichen Wassertiefen nach Nahrung suchen", so der Forscher. An jenem Gestell wird auch eine Kamera befestigt, mit der das Verhalten aufgezeichnet wird, um es später am Computer auszuwerten.
"Unser Test beinhaltet eine motorische Lernkomponente, bei der die Fische lernen, die Scheiben zu verschieben, um die Belohnung freizulegen", erklären sie. Mit verschiedenfarbigen Scheiben könne man wiederum ihr Unterscheidungsvermögen untersuchen. Sogar einfache Mathe-Tests sind möglich, wenn die Scheiben mit etwa unterschiedlich vielen Punkten bemalt werden.
Die Forscher haben ihre Apparatur mit Neunstachligen Stichlingen (Pungitius pungitius) in den Niederlanden und Guppys (Poecilia reticulata) im tropischen Trinidad ausprobiert. "Die Stichlinge nahmen unsere Aufgabenstellung bereitwillig an", heißt es im Fachartikel. Sie lernten damit Farben zu unterscheiden und "verbesserten ihre Leistung über mehrere Sitzungen hinweg". Bei den Guppys konnten die Forscher damit selbstständige Tiere von solchen unterscheiden, die nur andere ausnutzen. Etwa jeder fünfte Fisch in der Testgruppe war ein "Produzent", der die Aufgabe kompetent und konsequent löste: Er öffnete die Scheiben einer bestimmten Farbe, um die Belohnung freizugeben und an Nahrung zu gelangen. Die anderen offenbarten sich als "Schnorrer": Sie schnappten sich das Futter meistens nur aus dem Loch, wenn ein anderes Individuum den Deckel geöffnet hatte.
Service: https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/2041-210X.70002