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Fährt man sehenden Auges auf eine Wand zu, würde niemand kurz vor dem Aufprall noch einmal aufs Gas steigen. So ähnlich agiere aber die Politik in vielen Industrieländern momentan - von den USA über Deutschland bis nach Österreich, so Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, bei der Veranstaltung unter dem Titel "Status Quo Klimakrise - Was ist noch zu retten?". Blicke man aber etwa nach China, sehe man einen "massiven Ausbau" erneuerbarer Energie. Sogar in Saudi-Arabien würden große Solaranlagen geplant, weil es mittlerweile billiger sei als das eigene Öl und Gas zu verbrennen.
Trotzdem fahren Populisten in unseren Breiten mit einem "Zurück-zu-Kohle-und-Gas" oder einem propagierten "Autoland Österreich" Wahlerfolge ein. Ein Problem seien gerade in Industrieländern teuer aufgebaute Systeme wie Gasheizungsnetze, aus denen viele Akteure noch 10 bis 20 Jahre Profit herausschlagen möchten. Ähnliches gelte für die in den Raum gestellte Renaissance der Atomkraft - für Quaschning der "teuerste Strom überhaupt". Hier gehe es um ein "Festhalten an guter alter Zeit", das Europa aber letztlich auch wirtschaftlich aufs Abstellgleis führe, so der Forscher.
Vor einem Verkommen zum "Ramschladen" für alte Technologie warnte auch die Klimaaktivistin und Vorständin von "Kontext - Institut für Klimafragen", Katharina Rogenhofer: Wenn aber etwa die Standesvertreter der Installateure und Elektriker kritisieren, dass FPÖ und ÖVP die Heizkesseltausch-Förderungen zurückfahren wollen, sehe man, dass in vielen Bereichen ein Umdenken stattfinde. "Es wird der Punkt kommen, wo wir mehr machen müssen - egal unter welcher Regierung", so Rogenhofer, die die Sparpläne der mutmaßlich nächsten Regierung für den Klimaschutz als insgesamt "besser als erwartet", aber trotzdem "keine gute Nachricht für das Klima" ansieht.
Schmerzhaft sei vor allem die Rücknahme von Umweltförderungen, wobei am Donnerstag vielfach weiter unklar blieb, wo überall gestrichen wird. Pikantes Detail am Rande: Im nach gehörigen Verzögerungen an die EU gemeldeten österreichischen Klimaplan weise man genau auf diese Förderungen als Klimaschutzmaßnahmen hin. Dass die von der FPÖ ungeliebte CO2-Besteuerung offenbar bleibt, zeige, dass "man scheinbar alle Einnahmen braucht, die man bekommen kann". Eine Rücknahme mache auch keinen Sinn, da die EU in den nächsten Jahren einen CO2-Preis voraussichtlich so und so einfordern wird. Bitter sei, dass bei klimaschädigenden Subventionen wie dem Dieselprivileg, Pendler- oder Dienstwagenförderung erneut nicht gespart werde, so Rogenhofer.
Er sei zwar "begeistert", dass mittlerweile in Sachen Energiewende und Co "irgendetwas in Bewegung kommt. Aber es geht viel, viel zu langsam", so der Glaziologe, Klimaforscher und Vizepräsident des Wissenschaftsfonds FWF, Georg Kaser. Die Netto-"Null" bei den Treibhausgasemissionen muss endlich in die Köpfe von Entscheidungsträgern, betonte auch die ehemalige Generalsekretärin des Weltklimarates (IPCC), Renate Christ.
Kommt man nicht schleunigst dort hin, wird es weiter wärmer, so Kaser. Das ist physikalisch klar absehbar - ebenso wie die Tatsache, dass Klima-Subsysteme wie die Eiskappen an den Polen oder die Permafrostböden ganz nahe am Kippen sein dürften. Passiert das, "wird es brandgefährlich" und der Klimawandel unkontrollierbar. Kaser: "Wir wissen nicht, ob es schon zu spät ist, darum müssen wir weiter machen mit dem Klimaschutz."
Den verhaltenen Optimismus in der Gesprächsrunde konnte der Wissenschafter nur schwer teilen, seien doch äußerst bedenkliche Trends im Laufen: So würden viele Staaten in verheißungsvolle Techniken wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Wasserstoff investieren, aber keiner habe eine Idee, wo die Energie für diese Stromfresser herkommen soll. Ebenso energieaufwendig wäre das Herausholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Mit undurchdachten technologischen Luftschlössern, "werden wir nicht klimaneutral". Und ganz ohne Verzicht werde es nicht gehen: Man müsse schon auch "Maß halten", betonte Kaser.