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Im Jahr 2023/2024 wurde nun mit einem durchschnittlichen Rückzug von 24,1 Metern der "drittgrößte Rückzugswert" in der 134-jährigen Geschichte des Gletschermessdienstes gemessen. Damit befand sich das Jahr knapp hinter den "Rekordjahren" 2021/2022 mit 28,7 Metern und 2016/2017 mit 25,2 Metern. Laut den Experten wird es auch so weitergehen: "In 40 bis 50 Jahren werden die meisten Gletscher in Österreich Geschichte sein", hielt Andreas Kellerer-Pirklbauer, wie Lieb Leiter des Alpenverein-Gletschermessdienstes und ebenso für den Gletscherbericht verantwortlich, bei einer Pressekonferenz in Innsbruck fest. "Alle Gletscher, die jetzt noch existieren, zehren nur mehr von den Eisreserven, die im Gebirge liegen", beschrieb er die Situation.
Für die Ergebnisse verantwortlich waren im "Gletscherhaushaltsjahr" erneut zu hohe Temperaturen verbunden mit zu wenig Niederschlägen. Auch wenn es im November 2023 auf den Bergen viel geschneit habe, sei dies für den Sommer - und damit für die wichtige Periode für die Gletscher - nicht mehr von Bedeutung. "Auf das ganze Jahr betrachtet war es ein ganz mieses Jahr für die Gletscher", fasste Kellerer-Pirklbauer zusammen. Auch war das betroffene Jahr mit 1,9 Grad über der normalen Temperatur deutlich zu warm.
Zudem fiel die Prognose auch für das laufende Jahr nicht rosig aus. "Aktuell ist es furchtbar für die Gletscher", sagte Kellerer-Pirklbauer, der am Institut für Geographie und Raumforschung an der Uni Graz forscht, zu dem niederschlagsarmen Februar. Der nun ins Land ziehende Saharastaub werde sich im Gebirge ablegen und die Gletscherschmelze begünstigen.
Die zahlreichen Freiwilligen des Alpenvereins beobachteten direkt am Berg - und nicht etwa anhand von Satellitenbildern - 90 Gletscher in Österreich. "87 davon sind kürzer geworden", berichtete Lieb. Die "Top 3" der stärksten Gletscherrückgänge befanden sich allesamt in den Ötztaler Alpen in Tirol. Hinter dem Sexegertenferner belegte der Taschachferner mit einem Rückgang von 176 Metern Platz zwei, der Gepatschferner folgte mit einem Minus von 104 Metern. Das Bundesland mit dem zweitstärksten Rückgang war indes Oberösterreich mit dem Hallstättergletscher (-73,3), gefolgt von Kärnten mit der Hauptzunge der Pasterze (-66,6). Jene drei Gletscher, die keinen Rückgang verzeichneten, seien von "Zufallssituationen" geprägt gewesen.
"Wir sehen eine komplette Veränderung der Landschaft", erklärte Kellerer-Pirklbauer zu den Folgen der Schmelze. Bestehende Seen werden etwa vergrößert. Jener bei der Pasterze messe mittlerweile fast 50 Hektar. Der Rückzug der Gletscher bringe zudem mit dem Abtauen von Permafrosteis gefährliche Felsstürze mit sich. Für Lieb zeige die Veränderung die Bedeutung von naturbelassenen Flächen und der dort herrschenden Ökosysteme auf. Damit einher gehe die "Verpflichtung der Ausweisung von Schutzgebieten", wie in den Alpenkonvention festgelegt. Die Landschaften seien nämlich mit einem extremen Nutzungsdruck konfrontiert - vor allem durch Gletscherskigebiete.
"Es ist wirklich an der Zeit, Gletscherskigebiete nicht weiter auszubauen", verdeutlichte Nicole Slupetzky, Vizepräsidentin des ÖAV, die Position des Vereins. Der Druck auf den alpinen Raum sei enorm - auch außerhalb Österreichs. Nun gehe es "um das Gesamtklima", wo "jeder einzelne einen Beitrag leisten kann". Die Politik müsse sich an die "Green Deals" halten und damit den "CO2-Ausstoß reduzieren". "Wir müssen Gletschervorfelder schützen, das sind Rückzugsgebiete für viele Pflanzen und Tieren", appellierte auch sie an die Einhaltung der Alpenkonvention.
Das Jahr 2025 wurde indes von den Vereinten Nationen (UNO) zum "Internationalen Jahr zum Schutz der Gletscher" ausgerufen. Damit soll unter anderem auf die Bedeutung für die Bereitstellung von Süßwasser bzw. Trinkwasser aufmerksam gemacht werden. "In Österreich sind die Gletscher übrigens nicht für die Trinkwasserversorgung entscheidend", sagte Lieb. Berge sowie Grundwasser seien dafür verantwortlich. Pünktlich zum Gletscher-Jahr veröffentlichte der Alpenverein übrigens einen Gletschermonitor. Auf einer interaktiven Homepage kann die Veränderung einzelner Gletscher beobachtet werden. Zum Teil reichen die Daten bis ins 19. Jahrhundert zurück.
GALTÜR - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/EXPA/JOHANN GRODER/EXPA/JOHANN GRODER