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Dabei müssten die unterschiedlichen Dimensionen der Sprache im Auge behalten werden: "Wir schreiben und sprechen, aber Sprache hat auch sehr viel damit zu tun, was und wie wir denken. Außerdem verknüpfen wir mit allen sprachlichen Formen bestimmte Stereotype, Vorstellungen und Ideologien", so der Forscher von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Universität Wien bei einem Science Talk mit dem Titel "Gemeinsame Sprache - eine Illusion? Facetten der sprachlichen Vielfalt in Österreich". Abseits vom einfachen Verstehen haben Sprachen und Dialekte so auch eine wichtige Funktion, da sie Zugehörigkeit und Gemeinschaft signalisieren können.
Gerade für die Schulen in Österreich ist sprachliche Vielfalt charakteristisch, sagte auch Hannes Schweiger von der Universität Wien. "Wir können von Mehrsprachigkeit als Normalität ausgehen - weltweit, aber auch historisch betrachtet", so der Forscher. "Diese Erkenntnis ist für unser Bildungssystem entscheidend, denn das ist sehr stark auf Einsprachigkeit ausgerichtet."
Dabei wisse man noch viel zu wenig darüber, wie diese Vielfalt an den Schulen konkret gestaltet ist. Die Details hierzu werden etwa in der Bildungsstatistik nicht ausreichend erfasst. Es wäre deswegen notwendig, auch Kompetenzen in anderen Sprachen als Deutsch in die Statistik mit einzubeziehen und das Phänomen gezielter zu erforschen, sagte Schweiger.
Ziel sollte kein "Entweder-oder" sein, sondern ein Weg, wie man sprachliche Fähigkeiten in Deutsch und in einer anderen Erstsprache verbinden kann. Eine Möglichkeit wäre etwa die Erlaubnis Vorwissenschaftliche Arbeiten (VWA) bzw. die neuen "Abschließenden Arbeiten" in anderen Sprachen zu verfassen. Nach der jetzigen Regelung kann man dies nur tun, wenn diese auch im Unterricht verwendet wurden. "Eine größere Vielfalt an unterrichteten Sprachen ist generell wünschenswert, weil mehr Sprachen immer mehr Möglichkeiten, etwa im Bildungsbereich und in der Karriere, bedeuten", erklärte Schweiger. Mehrsprachigkeit bzw. das Lernen von Fremdsprachen wirke sich auch positiv auf die individuellen kognitiven Möglichkeiten aus.
"Wir brauchen außerdem schlicht mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen", so Schweiger. Es müsse eine Basisqualifikation für alle neuen Lehramtsstudierenden sein, dass sie sich im Rahmen der Ausbildung mit Deutsch als Zweitsprache und sprachlicher Bildung befassen. Zudem gebe es Bedarf an Spezialistinnen und Spezialisten zu diesem Thema, ein Studienfach mit diesem Schwerpunkt sei aktuell in Vorbereitung.
Ebenso unabdingbar ist laut dem Forscher eine Reform der Deutschförderklassen mit einer Höchstzahl von Schülerinnen und Schülern, qualifizierteren Lehrkräften und einer Veränderung der Zuteilung in diese Klassen im Sinne der Förderdiagnostik. Auch die Elementarpädagogik dürfe nicht vergessen werden: Eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels sowie höhere Bezahlung für Pädagoginnen und Pädagogen seien da nur der Anfang. "Natürlich kostet das alles Geld, da braucht es politische Entscheidungen und Ressourcen. Aber aus Forschungsperspektive ist recht klar, was wir tun sollten und das ist leider nicht für Nichts zu haben", sagte Schweiger.
Keine Studienergebnisse gebe es hingegen, die belegen, dass die Motivation von Schülerinnen und Schülern, Sprachen zu lernen, wegen neuer technologischer Möglichkeiten, die Übersetzungen erheblich vereinfachen, sinkt, ergänzte Schweiger. Aber muss angesichts sogenannter großer Sprachmodelle (LLMs) und maschineller Translation in Zukunft überhaupt jemand Fremdsprachen in den Schulen lernen? Und wird es noch Übersetzerinnen und Übersetzer brauchen? "Solche Technologien vermitteln den Eindruck, immer konsistente und gute Ergebnisse zu liefern", erklärte die Translationswissenschafterin Barbara Heinisch von der Universität Wien. Dem ist aber nicht so - weswegen es zentral ist, die Outputs kritisch zu hinterfragen.
Dabei kommt es immer auf die jeweilige Sprache an: Wie viele Trainingsdaten den maschinellen Übersetzungssystemen zur Verfügung stehen, entscheidet, wie hoch die Qualität der Übersetzungen ist, so Heinisch. Von Deutsch zu Englisch funktioniere sie textunabhängig deswegen schon relativ gut, aber selbst dabei braucht es menschliche Expertise, um die Qualität und die Feinheiten der Übersetzung zu bewerten. "Es ist also entscheidend, dass wir den kritischen Umgang mit diesen Technologien auch in der Schule thematisieren und ihre Nutzung nicht verbieten oder vermeiden", ergänzte Schweiger.
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT