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"Die Integration von Künstlicher Intelligenz in den Notaufnahmen ermöglicht eine effizientere, besser strukturierte und qualitativ hochwertige Ersteinschätzung aller Patientinnen und Patienten. Systeme wie "DokPro" oder der Kommunikationsroboter können den Patientenfluss deutlich verbessern und das Personal spürbar entlasten - zugunsten der bestmöglichen Versorgung der kritischsten Fälle", erklärte Ivica Grgic, Leiter des XR-Lab in Medicine und Experte für Virtual Reality-Anwendungen an der Universitätsklinik Gießen/Marburg.
Der Hintergrund: Immer mehr Menschen suchen medizinische Hilfe in den Notfallambulanzen. Das gilt für Deutschland genauso wie es auch in Österreich seit Jahren kritisiert wird. Oft muss dort innerhalb kürzester Zeit entschieden werden, wer besonders dringend behandelt werden sollte. "Der Personalmangel verschärft die Situation zusätzlich. In vielen Notaufnahmen herrscht Überlastung. Zu viele Patientinnen und Patienten, zu wenig Personal, hoher Dokumentationsaufwand und Zeitdruck. Oft dauert es lange, bis Hilfesuchende überhaupt ihr Anliegen schildern können und noch länger, bis es zur Diagnose und Behandlung kommt", hieß es dazu am Montag in einer Aussendung der größten medizinischen Fachgesellschaft Deutschlands.
Neueste KI-Technologien ließen jedoch hoffen. Das Ziel sei eine zügige, strukturierte erste Erhebung der Krankengeschichte und eine orientierende Ersteinschätzung, die das medizinische Personal entlaste und den Weg dafür ebne, besonders dringende Fälle schnell identifizieren und somit priorisieren zu können. Das an der Universitätsklinik Gießen und Marburg entwickelte KI-System "DokPro" setzt bei diesen Fragestellungen an und übernimmt - sobald ein kritischer Zustand eines in der Notfallambulanz angekommenen Patienten ausgeschlossen ist - die strukturierte Erhebung der Patientendaten.
Die Patientinnen und Patienten werden an einen Pulsoximeter zur Messung der Sauerstoffsättigung des Bluts angeschlossen und von einem Avatar in einer Kabine befragt. "'DokPro' erfasst nicht nur Vitalparameter wie Herzfrequenz oder Blutsauerstoff, sondern stellt auch alle relevanten anamnestischen Fragen (Krankheitsgeschichte; Anm.). Ein integriertes KI-System erstellt anschließend einen umfassenden, strukturierten Bericht, der automatisiert ins Krankenhausinformationssystem (KIS) übertragen wird. 'DokPro' garantiert so eine gleichbleibend hohe Qualität der Anamnese, entlastet das medizinische Personal und ermöglicht es, frei werdende Ressourcen gezielt den kritischsten Fällen zu widmen", berichtete die DGIM.
Ein weiteres bei dem Kongress in Wiesbaden ausgestelltes System ein Kommunikationsroboter der Berliner Universitätsklinik Charité, der besonders den Self-Check-In-Prozess und die Kommunikation im Wartebereich der Notaufnahme unterstützt. "Der Roboter kann Vitalparameter wie Temperatur und Blutdruck messen und diese Informationen digital an das Notaufnahmepersonal weiterleiten. Dank mehrsprachiger Unterstützung werden Sprachbarrieren abgebaut und der Ablauf für Patientinnen und Patienten effizienter gestaltet. Auch das medizinische Personal profitiert: Es wird bei Routinetätigkeiten entlastet und kann sich auf die dringendsten Aufgaben konzentrieren", so die DGIM.
Auch Kongresspräsident Jan Galle, leitender Nephrologe an der Klinik in Lüdenscheid im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, betonte: "Der sinnvolle Einsatz von KI in der Medizin bietet einen echten Hebel zur Verbesserung der Patientenversorgung. Wichtig ist, dass bei aller technologischer Innovation das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt steht. Wir betrachten die KI ganz klar als Entlastung, aber niemals als Ersatz für die ärztliche Betreuung." Es müsse immer wieder geprüft werden, und zwar systematisch nach wissenschaftlichen Kriterien, wie solche Systeme beim medizinischen Personal und bei Patientinnen und Patienten ankommen.
Die Situation rund um die Notfallambulanzen ist in Deutschland sehr ähnlich wie in Österreich. Vor allem an Wochenenden und Feiertagen sichern sie oft auch die ärztliche Grundversorgung. In den Krankenhäusern in Deutschland wurden im Jahr 2023 rund 12,4 Millionen ambulante Notfälle behandelt - der höchste Wert seit Beginn der Erfassung im Jahr 2018. Zum Vergleich: Die Zahl der voll stationär aufgenommenen Patienten betrug im Jahr 2023 laut offiziellen Zahlen insgesamt rund 17,2 Millionen.
BRAUNSCHWEIG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Holger Hollemann