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Eine Lieferkette umfasst alle Schritte, die bis zur Lieferung eines Produkts notwendig sind: vom Rohstoff über Produktion, Logistik, Lagerung und Vertrieb hin zum Endverbraucher. Kommt es zu Problemen bei einem Schritt, können extreme Preiserhöhungen, lange Lieferzeiten und geringe Verfügbarkeiten die Folgen sein - so geschehen während der Corona-Pandemie. Von einem Tag auf den anderen wurden Lieferketten weltweit unterbrochen.
Besonders ersichtlich sei in der Pandemiezeit die "Vulnerabilität" der Lieferketten bei Halbleitern gewesen, erklärte Klimek im Interview mit der APA. "Diese Lieferkette hat es besonders erwischt." Halbleiter sind nahezu überall verbaut, etwa in Autos, Smartphones oder Waschmaschinen. Ihre Wertschöpfungskette ist laut dem Wissenschafter allerdings "sehr komplex" und verteilt sich über verschiedene Regionen weltweit.
Eine Schlüsselrolle in der globalen Halbleiterproduktion spielen vor allem Taiwan und China. Europa hat dabei wenig mitzureden. Nach EU-Angaben werden rund 20 Prozent aller Chips in Europa verwendet, aber nur rund zehn Prozent werden auch in dieser Region produziert. Die Pandemie machte diese Abhängigkeit deutlich spürbar.
Rigide Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus führten etwa in Asien zu vorübergehenden Betriebsschließungen. Dies löste unter anderem die sogenannte Chips-Krise aus, Bänder in der Automobil- und Unterhaltungsindustrie standen still, weil Bauteile fehlten. Die Lieferzeiten von Autos dauerten daraufhin länger und die Preise stiegen in die Höhe, wie Klimek erinnerte. Er sprach von einem "deutlichen Schaden" für die Industrie.
"Man habe gemerkt, dass die Versorgung mit bestimmten Gütern von komplexer Elektronik bis bestimmten Lebensmitteln nicht so sicher ist, wie man es vorher gedacht hat", sagte der Experte. Nicht nur Betriebsschließungen führten zu Störungen in der Lieferkette, sondern unter anderem auch Reisebeschränkungen. Gewisse Lebensmittel konnten laut Klimek nicht geliefert werden, weil Lkw-Fahrer nicht über die Grenzen kamen. "Überraschenderweise" zeigten sich auch Lieferengpässe ("Bottle Necks") beim Verpackungsmaterial. Dabei sei es etwa um Joghurtdeckel gegangen, ohne die man die Lebensmittel nicht verkaufen könne, so Klimek. Auch bei Medikamenten sei es zu Verpackungsmaterialproblemen gekommen, fügte der Experte hinzu.
Anhand des Vergleichsindex "Austrian Supply Chain Index" erhebt das 2023 gegründete Forschungsinstitut ASCII auf Basis verschiedener Faktoren wie Transportpreisen oder Erwartungen der Einkaufsmanager den Druck auf die Lieferketten auf einer Art Ampel. Im November 2021 - inmitten der Corona-Pandemie - stieg der Index auf knapp sieben Punkte und damit deutlich in den roten Bereich. Zum Vergleich: Zu Beginn der Krise - im März 2020 - lag der Wert bei Minus 0,26 Punkten, also im grünen Bereich.
Als Reaktion auf die Lieferkettenstörungen kam es auf EU-Ebene zu vielen Initiativen. Kernziel des "European Chips Act" ist etwa die Verdoppelung des Weltmarktanteils in Europa produzierter Computerchips auf 20 Prozent bis 2030. Mit dem "Critical Raw Materials Act" soll unterdessen die Abhängigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen reduziert werden. Bei entsprechend gelisteten Mineralien sollen zum Beispiel Bergbauprojekte viel einfacher genehmigt und der Zugang zur Finanzierung erleichtert werden.
Aber die Produktion in Europa "allein ist nicht die eierlegende Wollmilchsau", betonte Klimek. "Wir werden nicht alles (wieder) in Europa produzieren können." Bei Abhängigkeiten ließe es sich nicht ganz vermeiden, dass "man die möglichst breit streut, auf Regionen streut, wo man von einer stabilen Beziehung ausgehen kann", erklärte der Experte. Diversifizierung sei dabei ein "taugliches Mittel". Allerdings könne man die Produktionsnetzwerke nicht "von heute auf morgen" ändern. Durch die Erfahrung aus der Krise sei Europa auf "ein paar Sachen besser eingestellt", aber bei einer neuen Krise würde man vor denselben Herausforderungen stehen, betonte Klimek.
HAMBURG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Christian Charisius