Kampf gegen globale Erwärmung: Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sieht großes Potenzial in der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.
Ottmar Edenhofer, Direktor des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), will im Kampf gegen den Klimawandel auf eine – zumindest auf den ersten Blick – ungewöhnlich Methode setzen: die künstliche Abkühlung der Erde mittels sogenannter CO2-Staubsauger.
Noch kann das Allerschlimmste verhindert werden
„Es gibt die Chance, den Trend der Erderhitzung umzukehren, indem wir – zusätzlich zur schnellen Emissionsminderung in Richtung null – auch auf CO2-Entnahme aus der Atmosphäre setzen“, sagte der PIK-Direktor der Neuen Osnabrücker Zeitung. Bei den von ihm dafür ins Spiel gebrachten CO2-Staubsauger handelt es sich um große Filteranlagen. Sie saugen Luft an, entnehmen Klimagas, das dann in die Erdkruste geleitet und dort zu Stein wird, erläuterte Edenhofer.
„Es gibt auch andere Möglichkeiten, etwa den Anbau schnell wachsender Biomasse zum Verfeuern mit CO2-Abscheidung oder das Ausbringen zerkleinerter Mineralien auf Böden zur beschleunigten Verwitterung“, fügte der Klimaforscher in der Sonntagsausgabe der Zeitung hinzu. „Ich bin davon überzeugt, dass uns die CO2-Entnahme und Speicherung vor dem Allerschlimmsten noch bewahren kann.“
Deswegen drängte Edenhofer die westliche Welt, eine Industrie zur CO2-Entnahme und Speicherung aufzubauen. „Wir können den europäischen Emissionshandel durch einen Handel mit Zertifikaten für die CO2-Entnahme und -Speicherung ergänzen“, sagte er. „Ich sehe die Industriestaaten hier auch in einer moralischen Pflicht. Unsere Emissionen aus der Vergangenheit haben der Welt die Klimaprobleme eingebrockt, und die Schäden sind im globalen Süden am gravierendsten“, führte der Wissenschafter aus. „Wenn wir durch CO2-Entnahme die Temperaturen wieder senken, wäre das nur gerecht. Wir können und sollten in großem Stil eine planetare Müllabfuhr schaffen, um den Mist aus der Atmosphäre zu holen, den wir hineingekippt haben.“
Arrangieren mit einer menschenfeindlichen Erde
Eine reale Chance auf Bewältigung der Klimakrise gebe es aber nur, wenn die Emissionen wirklich auf nahe Null gesenkt würden, betonte der PIK-Direktor. „Gelingt das nicht, und schaffen wird es auch nicht, der Atmosphäre in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gewaltige Mengen an CO2 zu entziehen, dann werden wir uns mit einer in weiten Regionen menschenfeindlichen Erde arrangieren müssen“, warnte Edenhofer.
Das Tempo, das die Politik vorlege, stimme noch lange nicht. „Das 1,5-Grad-Ziel ist auf dem direkten Wege unerreichbar geworden, es geht wohl nur noch über einen 'Overshoot' mit nachträglichem Zurücksteuern“, sagte der PIK-Direktor. „Ohne eine ambitioniertere Klimapolitik steuert die Welt auf eine Erwärmung von rund drei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu. Die Folgen – auch für Europa – wären einfach fatal. Daran lässt der Wissensstand keinen Zweifel mehr zu.“
Grüne Technologie muss erzwungen werden
Dazu passt auch die Einschätzung der beiden Forscher Oliver Bugge Hunt und Joachim Peter Tilsted von der Universität Kopenhagen, dass grüne Technologien „erzwungen“ werden müssen, um sie zum Erfolg zu führen. Fossile Brennstoffe seien immer noch attraktivere Investitionen, bei denen die Risikoerwartungen stabilisiert und die Renditen höher sind, so Tilsted. So seien beispielsweise weltweit Wasserstoffprojekte in der Pipeline, die klimafreundlich wären, aber kaum umgesetzt werden, da es an der Finanzierung hapert. Der Markt werde von potenziellen Investoren als viel zu riskant eingestuft.
Um die Industrie zu „disziplinieren“ sei ein stärkeres Eingreifen von staatlicher Seite notwendig – etwa durch Maßnahmen zur Abschaffung von Subventionen und Steuervorteilen für fossile Brennstoffe, die Festlegung von aktiven Ausstiegsanforderungen, die Erhöhung der CO2-Steuern und die Umleitung der immer noch immensen Finanzierung weg von neuen fossilen Projekten.
Anreize alleine reichen nicht
Anreize allein, etwa staatliche Subventionen für grünen Wasserstoff, reichten jedoch nicht aus, um die Herausforderung zu bewältigen. Subventionen könnten zwar das Risiko mindern und den Markt für Investoren attraktiver machen, doch die Forscher betonen, dass der Klimaschutz weitaus robustere Maßnahmen erfordert.
„Öl- und Gasunternehmen haben kein Interesse daran, ihre Gewinne aus fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Ohne Bemühungen, fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen, erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solarenergie auszubauen und eine klimafreundliche Nutzung von grünem Wasserstoff sicherzustellen, lässt sich das fossile Zeitalter nicht beenden“, ist Tilsted überzeugt.
BERGHEIM - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Oliver Berg