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Barbara Stelzl-Marx: "Nationalsozialismus ist Familiengeschichte"

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Barbara Stelzl-Marx
©APA/APA/ROLAND SCHLAGER/ROLAND SCHLAGER
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Die Wanderausstellung "Hitler Exekutive. Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus" hat nach Wien und Eisenstadt ihren dritten Zwischenstopp in Graz beendet. Es sei "unser kontaminiertes Erbe, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen". Das sagte die Kuratorin der Ausstellung, Martina Zerovnik, in einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Rahmen der Finissage im Graz Museum.

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Gemeint ist damit das Gebäude mit der Adresse Parkring 4 inmitten der Grazer Innenstadt. 1867 ursprünglich als Pathologisches Institut errichtet, wurde dort in der Zeit von 1938 bis 1945 die Geheime Staatspolizei (Gestapo) untergebracht. Diese spielte bei der Durchsetzung und der Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Regimes eine wesentliche Rolle: "Ihre Aufgabe war es, politische Gegner aus dem Weg zu räumen", erklärte der Historiker der Universität Graz, Markus Rieger-Roschitz. Hierfür konnte die Gestapo autonom Sanktionen verhängen - wie etwa die euphemistisch genannte "Schutzhaft". Dadurch war es möglich, Personen ohne Gerichtsverfahren oder Anklage direkt in ein Konzentrationslager zu schicken, führte Rieger-Roschitz aus. Für viele Ausstellungsbesucherinnen und -besucher sei es überraschend gewesen, dass das Gebäude der Gestapo mitten in der Stadt lag, sagte die Kuratorin.

Das heute von der Landespolizeidirektion Steiermark genutzte Gebäude zeige, dass die Spuren der nationalsozialistischen Vergangenheit oftmals auf den ersten Blick nicht sichtbar seien, erklärte die Leiterin des zugrunde liegenden Forschungsprojekts, Barbara Stelzl-Marx. "Der einzelne Mensch hat eine Rolle gespielt", so die Historikerin. Das zeige sich anhand der im Projekt erforschten Biografien. Die Sekretärin Ilse Killer arbeitete beispielsweise nach dem "Anschluss" für die Gestapo. Nach Kriegsende wurde sie von der Roten Armee verhaftet und zu 25 Jahren Arbeitslager in der Sowjetunion verurteilt. Nach ihrer Rückkehr im Jahr 1953 arbeitete sie erneut als Sekretärin für die Grazer Polizei. Anfragen von Nachfahren, die mehr über die Rolle ihrer Großeltern erfahren wollen, zeigen für Stelzl-Marx, dass durch die Ausstellung ein "Stein ins Rollen" gebracht wurde, "in der eigenen Familie nachzufragen". "Nationalsozialismus ist Familiengeschichte", sagte sie.

Ebenso sieht Zerovnik durch die Ausstellung ein Ineinandergreifen der Makrogeschichte des Systems mit der Mikrogeschichte des Einzelnen. Bei jedem Zwischenstopp der Wanderausstellung werde es eine landesspezifische Erweiterung geben. Dies sei nicht nur für die Öffentlichkeit per se interessant, sondern auch für Bedienstete und Auszubildende der Polizei. Für Letztere ist der Besuch Teil der Ausbildung. "Wir sind bemüht, weiterzulernen" und wollen hinsehen, "wo dunkle Flecken" sind, sagte der stellvertretende Landespolizeidirektor Joachim Huber. Ähnliche Bestrebungen der Aufarbeitung verfolgt auch die Bundesimmobiliengesellschaft: "Gebäude haben eine DNA und sind Denkmäler der Geschichte. Aber es gibt sehr viel, das noch nicht beleuchtet wurde", sagte die Geschäftsführerin Christine Dornaus.

Die Wanderausstellung "Hitlers Exekutive" ist ab dem 13. März im kärnten.museum in Klagenfurt zu sehen. Bis 2027 soll sie in allen Bundesländern Halt gemacht haben. Angestoßen wurde die Aufarbeitung der Polizei im Nationalsozialismus durch das Innenministerium. Die Uni Graz, das Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und das Mauthausen Memorial lieferten die wissenschaftliche Grundlage für die Ausstellung.

Service: https://www.grazmuseum.at/ausstellung/hitlers-exekutive/ )

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