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5G: Wie gefährlich ist das neue Funknetz wirklich?

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Einer aktuellen Umfrage zufolge hat jeder dritte Österreicher Angst vor 5G. Und immerhin jeder Vierte würde sogar eine Bürgerinitiative gründen, wenn in seiner Nachbarschaft ein neuer 5G-Mast errichtet wird. Ist 5G wirklich ein Grund, sich zu fürchten? Wir haben die wichtigsten Fragen mit Unterstützung von Umweltmediziner Prof. Dr. Hans-Peter Hutter zusammengefasst.

Wie unterscheidet sich 5G von anderen Funknetzen?

5G bezeichnet die neueste Mobilfunkgeneration, die zumindest theoretisch und im Labor mehr Daten mit geringerer Verzögerungszeit übertragen kann. 5G ist „frequenzneutral“ und kann sowohl im Frequenzband 1 (bis 6 GHz, derzeit 3,45 GHz) als auch im Frequenzband 2 („Millimeterwellen“, wahrscheinlich zunächst zwischen 25 und 30 GHz) eingesetzt werden und ist (was Frequenzband 1 betrifft) nichts ganz Neues, sondern eine Kombination von 3G und 4G.

Für den Nutzer wird sich zunächst kein merkbarer Unterschied ergeben, für die Netzbetreiber ist das System jedoch wirtschaftlicher. Erst wenn Frequenzband 2 ausgebaut wird, werden bei der Ausrollung tausende neue Sender notwendig sein, weil diese Funkwellen nur eine geringe Reichweite haben. Hinzu kommt, dass Antennen in Innenräumen notwendig sein werden, weil diese Funkwellen kaum Wände durchdringen können.

Prof. Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Uni Wien gibt zudem zu bedenken: "UMTS, LTE und GSM werden nicht alle abgeschaltet, weil 5G auf den Markt kommt, das heißt, es handelt sich um zusätzliche Strahlung bzw. Expositionen. 5G ist eine Ergänzung, weil es letztendlich ganz andere Aufgaben bekommen soll als bisherige Funknetze."

Im Endeffekt soll es bei 5G ja um das Internet der Dinge, Smart Home, autonomes Fahren und ähnliche Anwendungsgebiete gehen. Umweltmediziner Hutter ergänzt: "5G-Anwendungen im hohen Gigahertz-Bereich sind noch Zukunftsmusik - stehen allerdings vor der Türe."

Moment, das "echte" 5G gibt es also noch gar nicht?

Das ist richtig. Letztes Jahr hat es eine staatliche Versteigerung der Frequenzen im Frequenzbereich von 3,4 bis 3,8 GHz gegeben. Das sind die erste Anwendungen von 5G, aber nicht das „echte“ 5G, das "Internet der Dinge", um das es gehen soll.

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Die versteigerten und derzeit genutzten Frequenzbereiche sind im Bereich oberhalb von UMTS (3G) und LTE (4G) angesiedelt. Dementsprechend wird es nur wenige zusätzliche Antennen geben müssen, weil eben auch die Reichweite der Antennen vergleichbar ist. Salopp formuliert: Was bislang etabliert wird, ist nur der Versuch neue Protokolle auf einer ganz ähnlichen Frequenz zu nutzen.

Gibt es schon Studien zu 5G?

Die Situation ist die gleiche, wie es schon bei UMTS und LTE der Fall war. Umweltmediziner Hutter präzisiert dazu: "Es gibt keine einzige Untersuchung zu der Funkfrequenz inklusive technischem Protokoll, sprich Modulation der Welle, im genutzten Bereich und schon gar nicht im höheren Frequenzbereich darüber." Es sieht also danach aus, als wären die Nutzer in diesem Fall die Testpersonen.

Gibt es dann generell Studien zum hochfrequenten Bereich?

Besser sieht es im hochfrequenten Funkbereich der bisherigen Mobilfunkstandards aus, für den es etwa 1650 Einzeluntersuchungen gibt. Für den Bereich von 6 bis 100 Gigahertz gibt es laut Umweltmediziner Hutter rund 100 veröffentlichte Fachartikel mit Ergebnissen aus Zell- und tierexperimentellen Untersuchungen. Die gute Nachricht daran: Je höher die Frequenz ist, desto geringer ist die Eindringtiefe ins Gewebe. Waren das bei GSM und UMTS noch Zentimeter, sind es bei hohen Frequenzen nur Millimeter.

Die potenziell schlechte Nachricht: Es sind aber auch Bereiche im Körper betroffen, die lokale Probleme mit sich bringen können. Zum einen ist es die Haut an sich und zum anderen das Auge und die Netzhaut. Außerdem finden sich Hinweise, dass es ausgehend von der Haut auch systemische Effekte auf den ganzen Körper geben könnte, , weil in der Haut Immunzellen vorhanden sind, die zwischen Haut und den lymphatischen Organen „pendeln“.

Man müsste sich also genauer anschauen, welche Auswirkungen dort genau auftreten können. Dazu meint Hutter: "Sogar das Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland hat darauf hingewiesen, dass es Forschungsbedarf gibt und diese Institution ist sicher kein Feind des Mobilfunks gewesen."

Wie gefährlich ist 5G derzeit wirklich?

Wenn man sich die derzeitige Ausbaustufe von 5G vor Augen führt, dann ist die Antwort auf diese Frage denkbar einfach und leider auch ein wenig unbefriedigend: 5G ist genauso gefährlich oder ungefährlich wie andere Mobilfunknetze auch, weil der Frequenzbereich nicht stark vom bestehenden 3G- und 4G-Netz abweicht.

Gleichzeitig muss man sich aber auch vor Augen führen, dass der Status von 5G einem stetigen Wandel unterzogen sein wird, weil dieses Mobilfunknetz noch lange nicht dort ist, wo es sich die Industrie vorstellt.

Und wie gefährlich sind 3G und 4G?

5G ist also ähnlich gefährlich wie 3G und 4G, schön und gut. Aber wie gefährlich ist die Strahlung aktueller Mobilfunknetze? Im Prinzip hat die WHO schon 2011 alle Strahlungen mit einer Frequenz von 30 kHz bis 300 GHz als "möglicherweise krebserregend"eingestuft.

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Nach einem Aufschrei der Industrie und industrienaher Institutionen ob dieser Beurteilung sowie aufgrund neuer Forschungsergebnisse soll es 2024 oder 2025 eine Neubewertung geben. Umweltmediziner Hutter rät zu gesunder Vorsicht: "Die Evidenz, die wir zum Endgerät und den Basisstationen haben, zeigt: Panik ist nicht angebracht, aber vorsichtiger Umgang ist allemal geboten."

Gibt es Kontrollinstanzen in Österreich für 5G?

Für den Bereich Telekom ist das Bundesministerium für Finanzen (BMF) verantwortlich. Eine direkte Kontrollfunktion gibt es allerdings nicht.

Das BMF schreibt auf seiner Website zu möglichen gesundheitlichen Risiken: "In Österreich kümmert sich unter anderem der Wissenschaftliche Beirat Funk um mögliche Gesundheitsrisiken und die Auswertung aller jährlich und weltweit erscheinenden aktuellen Studien dazu (über 150 pro Jahr). Für eine Beeinträchtigung der Gesundheit durch elektromagnetische Felder von elektrisch betriebenen Geräten oder Funkanlagen (= Elektrosensibilität) gibt es bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis."

Warum stimmt die Politik 5G zu?

Angesichts dieser Lage stellt sich schon die Frage, warum die Politik dabei zu sein scheint, 5G bei voller Fahrt unkontrolliert durchzuwinken. Prof. Hutter gibt zu bedenken: "Es geht nicht darum eine Technologie aufzuhalten, sondern berechtigte Fragen in diesem Zusammenhang aufzuklären. Man kann aber nicht so tun, als ob es diese Fragen nicht gäbe."

Kann man schon. Das Problem dabei ist nämlich auch, dass die Lizenzen für einzelne Frequenzbereiche vom Staat verkauft werden. Das ist eine Zwickmühle, weil man auf der einen Seite Geld kassiert, und auf der anderen Seite gesetzlich regelt, dass die Industrie die Versorgungssicherheit gewährleisten muss. Dementsprechend verweist die Politik auf deren Standpunkt, der hierzulande im Forum für Mobilkommunikation (FMK) abgebildet wird.

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Und was sagt die Industrie dazu?

Die Telekom-Industrie organisiert sich in Österreich im Forum für Mobilkommunikation (FMK), in dem Provider, Netzausrüster und Hersteller von Endgeräten vertreten sind. Wenig verwunderlich ist man dort bemüht, gesundheitliche Bedenken gegen die eigene millionenschwere Investition mit entsprechenden Studien aus dem Weg zu räumen. Letztlich kommt man im FMK zu der Schlussfolgerung, "dass sich die Expositionshöhen (bei 5G, Anm. d. Red.)nur kaum verändern werden und dass unter dem internationalen Kenntnisstand der Wissenschaft daraus keine Gesundheitsrisiken zu erwarten sind."

Prof. Hutter von der Medizinischen Uni Wien relativiert: "Publikationen und Studien, die zeigen, dass auch nichtthermische Effekte auf den menschlichen Körper wirken, werden abgetan, dass sie keine gesundheitliche Relevanz haben". Und der thermische Effekt kann mit gängigen Grenzwerten ohne Aufwand einfach abgedeckt werden. Für 5G im hohen Frequenzband ist jedoch selbst das nicht sicher.

Wie kann man sich grundsätzlich gegen Handystrahlung schützen?

Als Einzelner hat man eine Reihe von Möglichkeiten, um das Ausmaß der Strahlung möglichst gering zu halten. Das betrifft den Kauf des Geräts, aber vor allem eine Änderung im Verhalten.

  • SAR-Wert beachten: Bei der nächsten Neuanschaffung sollte man diesen technischen Wert berücksichtigen, der sich für jedes Modell rasch Nachgoogeln lässt. Je geringer der Wert ausfällt, desto niedriger die Strahlung des Geräts im Körper des Nutzers.

  • Headset verwenden: Je weiter man das Smartphone von sich fernhält, desto weniger Strahlung setzt man sich aus. Das gilt insbesondere für den Kopfbereich, weshalb man im Idealfall über ein Headset oder die Freisprecheinrichtung telefonieren sollte.

  • Auf den Empfang kommt es an: Je besser der Empfang ist, desto weniger stark muss das Smartphone senden, um mit der Basisstation zu kommunizieren. Ist der Empfang extrem schlecht, sollte man also erst gar nicht telefonieren, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.

  • Flugmodus: Wenn man sein Smartphone nicht beabsichtigt zu nutzen, dann kann man es gleich komplett abschalten oder es zumindest in den Flugmodus versetzen. Auch in diesem Zustand produziert es keine Handystrahlung.

  • Gute Nacht ohne Telefon: Wenn man schlafen geht, dann sollte man sich das auch wirklich vornehmen und nichts anderes. Für eine gute Schlafhygiene ist es essenziell, kein Smartphone ins Schlafzimmer mitzunehmen.

Was kann man sich unter Elektrosensitivität vorstellen?

Elektrosensitivität ist eine unüblich starke Reaktion auf die Einwirkung von elektromagnetischen Feldern. Elektrosensitive oder -hypersensitive Personen geben an, körperlich unter elektromagnetischen Feldern zu leiden. Die Symptome reichen dabei von Kopfschmerzen über Erschöpfung und Energiemangel bis hin zu Schlafproblemen.

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Es gibt kein eindeutiges, ganz klar umschriebenes Beschwerdebild. Es sind viele diffuse, sehr unspezifische Symptome. Es gibt wissenschaftliche Überlegungen dazu, wie man das diagnostizieren und was man dagegen unternehmen kann. Für diese Personen wäre eine Vermeidung der Exposition wichtig, was angesichts der globalen Verbreitung der Technologie kaum gelingt.

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