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Warnung vor Rechtspopulisten in Europa nach Frankreich-Wahl

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Sánchez hälte die Rechte in Spanien seit 2018 in Schach
©APA/APA/AFP/THOMAS COEX
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Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez setzt nach dem Wahlsieg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) bei der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich auf eine "Mobilisierung der französischen Linken", sagte der Sozialist am Montag im Radiosender Cadena Ser. Die deutsche Regierung hofft trotz des starken Abschneidens der Rechtspopulisten bei der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich auf eine weiter enge Zusammenarbeit mit Paris.

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"Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit Frankreich, unserem wichtigsten Partner in Europa, zusammen", sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. "Und so soll es nach unseren Vorstellungen auch bleiben." Weiter wollte Hebestreit das Wahlergebnis nicht kommentieren. Die Regierung warte jetzt ab, was der zweite Wahldurchgang ergebe, sagte er. "Dann sind wir in einer Woche klüger". Davor werde sich die Bundesregierung "nicht eingehender äußern".

Er glaube, dass die extreme Rechte "mit der Mobilisierung der Bürger" bekämpft werden müsse, sagte Sánchez. "Ich habe Hoffnung auf die Mobilisierung der französischen Linken." Der Chef der sozialdemokratischen Partei PSOE (Partido Socialista Obrero Español/Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) verwies dabei auf sein Land als Vorbild. Die extreme Rechte müsse "durch Regieren (...), wie Spanien es seit sechs Jahren tut", besiegt werden, sagte der spanische Regierungschef.

Sánchez ist seit 2018 an der Macht. Nach der vorgezogenen Parlamentswahl im vergangenen Jahr konnte er sich trotz Wahlerfolgs der Konservativen mit dem Linksbündnis Sumar sowie den katalanischen und baskischen Regionalparteien sowie einigen weiteren Abgeordneten eine Mitte-Links-Mehrheit organisieren.

Den Sieg der extremen Rechten hält Sánchez nach eigenen Worten nicht für selbstverständlich. Man gewinne "immer gegen die extreme Rechte, wenn man regiert und eine progressive Politik betreibt", sagte er. Er betonte in diesem Zusammenhang, "wie wichtig es ist, auf fortschrittliche Politik zu setzen, auf fortschrittliche Regierungen, die wie die spanische Regierung zeigen, dass Lügen und Fake News dekonstruiert werden können".

Bei der ersten Wahlrunde in Frankreich kommt der RN (Nationale Vereinigung) von Marine Le Pen laut ersten Hochrechnungen auf gut 33 Prozent. Nach manchen Prognosen könnte der RN nach der zweiten Runde am 7. Juli auf eine relative oder absolute Mehrheit kommen. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire/NFP) kommt nach den Hochrechnungen auf etwa 28 Prozent. Das zentristische Regierungslager liegt mit etwa 20 Prozent abgeschlagen auf Platz drei. Für die Verteilung der 577 Sitze der Nationalversammlung ist es entscheidend, ob und wie viele Kandidaten sich in der zweiten Wahlrunde zurückziehen, um etwa den Sieg eines RN-Kandidaten zu verhindern.

In Deutschland sorgte das Wahlergebnis in Frankreich auch für Kritik. "Macron hat sich mit seinem Schritt, Neuwahlen anzusetzen, verrechnet und jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen", sagte Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang dem Nachrichtenmagazin "Politico". "Das Spiel von Macron ist nicht aufgegangen", sagte auch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt den Sendern RTL/ntv. "Er geht jetzt geschwächt in die nächste Runde der Wahlen. Und das ist für Europa eine ganz schwierige Zeit, weil damit die deutsch-französische Achse geschwächt ist."

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich über das starke Abschneiden der RN besorgt: "Es kann niemanden kaltlassen, wenn (...) bei unserem engsten Partner und besten Freund eine Partei weit vorne liegt, die in Europa das Problem und nicht die Lösung sieht", sagte sie am Rande einer Veranstaltung in Berlin. Deutschland und Frankreich hätten gemeinsam eine besondere Verantwortung für ein Europa.

In Polen warnte Regierungschef Donald Tusk vor dem Aufstieg von Rechtspopulisten in Europa insgesamt. "Sie mögen Putin, Geld und Macht ohne Kontrolle. Sie regieren oder greifen nach der Macht im Osten und Westen Europas. Sie bündeln ihre Kräfte im Europäischen Parlament.", schrieb Tusk am Montag auf der Plattform X mit Blick auf Frankreich. Tusk schloss einen Vergleich mit der Situation in seinem eigenen Land an seine Warnung an. "In Polen haben wir diesen verhängnisvollen Lauf der Dinge in letzter Minute umgedreht. Wir sollten das nicht vergeuden", schrieb er weiter. Bei der polnischen Parlamentswahl im vergangenen Oktober war die nationalkonservative PiS-Regierung, die das Land seit 2015 regiert hat, abgewählt worden. Sie hatte das Land mit ihrer Justizreform auf Konfrontationskurs zur EU gebracht und das Verhältnis zu Berlin mit anti-deutschen Tönen zerrüttet. Seit Dezember wird Polen von einer Mitte-Links-Regierung unter Tusk geführt.

Italiens rechte Regierungschefin Giorgia Meloni gratulierte Le Pen und dem RN "zu ihrem klaren Sieg in der ersten Runde. Was die Stichwahl anbelangt, so behandle ich die politische Dynamik anderer Nationen stets mit Respekt. Natürlich haben wir es mit einem sehr polarisierten Szenario zu tun, bei dem ich natürlich die Rechten bevorzuge". Meloni sieht die sogenannte "republikanische Front" gegen die Rechte in Frankreich durchbrochen. Meloni: "Etwas Ähnliches, wenn auch in unterschiedlichen Formen, geschieht bei uns: Der ständige Versuch, die Menschen, die nicht für die Linke stimmen, zu dämonisieren und in die Enge zu treiben, ist ein Trick, der dazu dient, der Diskussion über die verschiedenen politischen Vorschläge zu entgehen. Aber immer weniger Menschen fallen darauf herein, das haben wir in Italien gesehen, wie auch in Europa."

Der Kreml interpretierte den RN Sieg als klares Zeichen für den Willen der französischen Wähler. "Die bereits vorher ersichtlichen Tendenzen in einer Reihe europäischer Länder bestätigen sich, aber wir warten auf den zweiten Wahlgang, obwohl die Vorlieben der Franzosen, der französischen Wähler uns mehr oder weniger schon jetzt verständlich sind", sagte der Sprecher des russischen Präsidialamts in Moskau, Dmitri Peskow, am Montag.

Dem RN wurden in der Vergangenheit immer wieder enge Beziehungen zum Kreml vorgeworfen. So ist bekannt, dass Le Pens Partei Front National (später Rassemblement National) 2014 einen Millionenkredit bei einer russischen Bank aufgenommen hatte. Le Pen hat die in dem Jahr von Moskau annektierte Krim als russisch bezeichnet. In einem Bericht an das französische Parlament aus dem vergangenen Jahr wurde zudem darauf verwiesen, dass Parteifunktionäre vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs 2022 auf die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim und in das schon damals von russischen Kräften besetzte Donbass-Gebiet gereist seien - ähnlich wie FPÖ-Politiker, die 2014 als "Wahlbeobachter" des von Moskau unter Besatzungsbedingungen abgehaltenen Referendums zum Anschluss der Krim an Russland fungierten. In der Frage, ob der russische Angriffskrieg zu verurteilen sei, ist der RN gespalten.

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