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Unicredit steigt in großem Stil bei der Commerzbank ein

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Unicredit kauft sich bei der Commerzbank ein
©APA/APA/AFP/MARCO BERTORELLO/ARMANDO BABANI
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Der Einstieg der italienischen Großbank Unicredit, Mutterkonzern der Bank Austria, bei der Commerzbank befeuert Spekulationen über eine Übernahme des deutschen Rivalen. Unicredit-Chef Andrea Orcel will einem Insider zufolge mit der Commerzbank eine Fusion ausloten. Er habe das Management des deutschen Konkurrenten am Mittwoch zu Gesprächen über ein Zusammengehen eingeladen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.

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Die Commerzbank wollte diese Angaben weder bestätigen noch dementieren. Von Unicredit war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Zuvor war die italienische Bank überraschend mit einem Anteil von neun Prozent bei der Commerzbank eingestiegen. Die Italiener schlugen zum einen bei dem vor einer Woche angekündigten Verkauf von Aktien durch den Deutschen Bund zu. Zum anderen kauften sie Anteile am Markt. In Summe halten die Italiener jetzt rund neun Prozent der Commerzbank-Aktien. Die Bank ließ offen, ob sie weiter aufstocken will.

Um hier aber flexibel entscheiden zu können, will sie sich bei den Aufsehern die Genehmigung holen, den Anteil auch auf mehr als 9,9 Prozent aufstocken zu können. Die Commerzbank-Aktie schoss kurz nach Handelsstart um mehr als 15 Prozent hoch.

Die Commerzbank reagierte zurückhaltend auf den überraschenden Einstieg der Unicredit. "Wir haben die heutige Mitteilung der UniCredit zur Beteiligung an der Commerzbank zur Kenntnis genommen", erklärte das deutsche Institut am Mittwoch mehrere Stunden nach Bekanntwerden des Schritts des italienischen Konkurrenten. "Diese Mitteilung ist auch ein Beleg für den Stellenwert der Commerzbank und die Fortschritte, die sie erzielt hat", hieß es weiter. "Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank werden weiterhin im besten Interesse aller unserer Anteilseigner sowie von Mitarbeitenden und Kunden handeln." Darüber hinaus wolle sich die Commerzbank gegenwärtig nicht äußern.

Unterdessen muss sich die Commerzbank mit dem Auswahlprozess für die Nachfolge von Konzernchef Knof befassen, der überraschend Ende 2025 aufhören wird. Er führt die Bank seit 2021 und hatte den Sparkurs des Geldhauses verschärft: Tausende Stellen fielen weg, das Filialnetz schrumpfte deutlich. Mit dem Umbau und dank gestiegener Zinsen, von denen die gesamte Bankenbranche profitierte, schaffte die Commerzbank die Trendwende. Als aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge für den Vorstandsvorsitz gilt die Commerzbank-Finanzchefin und Vize-Vorstandsvorsitzende Bettina Orlopp (54).

Widerstand gegen eine mögliche Übernahme des deutschen Instituts durch die italienische Großbank kam von Arbeitnehmervertretern. Commerzbank-Aufsichtsratsmitglied Stefan Wittmann sagte am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters, man werde alles tun, was man könne, um eine Übernahme zu verhindern. Er befürchte einen Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und eine Verlagerung unternehmerischer Entscheidungen nach Italien. Wittmann ist Vertreter der Gewerkschaft Verdi in dem Kontrollgremium.

Ökonomen werteten den Schritt der Unicredit dagegen positiv. "Eine Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch sinnvoll", sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der Nachrichtenagentur Reuters. Dies gelte auch im Hinblick auf eine Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion in der EU. Ähnlich äußerte sich Regierungsberater Jens Südekum. "Die Übernahme durch eine italienische Großbank ist eine interessante und durchaus begrüßenswerte Entwicklung", sagte der Ökonom, der dem wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums angehört. "Der europäische Kapitalmarkt ist immer noch zu stark entlang nationaler Grenzen zersplittert. Diese Verzerrung würde durch den Deal etwas behoben."

Rund die Hälfte des 9-prozentigen Pakets erwarb die Unicredit vom deutschen Staat. Der Deutsche Bund verkaufte im Rahmen des vor einer Woche angekündigten Teilausstiegs knapp 4,5 Prozent im Paket an die Italiener. Diese waren bereit, mehr zu zahlen, als die Papiere am Dienstagabend an der Börse wert gewesen waren, wie die Finanzagentur am Mittwoch in der Früh in Frankfurt mitteilte. Alle vom Deutschen Bund offerierten Aktien seien "infolge einer deutlichen Überbietung aller übrigen Angebote innerhalb des Bookbuilding-Verfahrens" an die Unicredit zugeteilt worden.

Der Zuteilungspreis von 13,20 Euro je Aktie liegt 60 Cent oder knapp fünf Prozent über Xetra-Schluss vom Dienstag. Der Anteil des Staats sinkt damit auf 12 Prozent, womit der Deutsche Bund vorerst der größte Anteilseigner der seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Commerzbank bleibt.

Vorerst will die deutsche Bundesregierung einem Insider zufolge keine weiteren Aktien der Commerzbank auf den Markt werfen. Zwar gelte formal der politische Beschluss weiter, schrittweise aus der Commerzbank-Beteiligung aussteigen zu wollen, sagte die mit den Überlegungen vertraute Person am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Die Commerzbank müsse die neue Lage aber zunächst prüfen, danach auch der Bund. Es sei zu erwarten, dass nun auch andere Interessenten an einer Übernahme auf den Plan gerufen würden. Das spreche dafür, erst einmal abzuwarten.

Mit einem Anteil von 9 Prozent ist die Unicredit nun der zweitgrößte Aktionär. Die Unicredit hatte bereits vor knapp 20 Jahren im deutschen Bankenmarkt zugeschlagen. 2005 kaufte sie die deutsche Hypovereinsbank für rund 15 Mrd. Euro und ist seitdem stark im deutschen Privatkundenmarkt vertreten, auch wenn sie die Zahl der Mitarbeiter und Filialen seit der Übernahme deutlich abgebaut hat.

Die Unicredit und die Commerzbank gehörten in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und in der EU-Schuldenkrise Anfang des vergangenen Jahrzehnts zu den größten Verlierern am Aktienmarkt. Die Aktienkurse beider Institute waren zeitweise um mehr als 90 Prozent gefallen. Inzwischen hat sich die Lage für beide Häuser unter anderem wegen der zuletzt wieder deutlich höheren Zinsen massiv verbessert. Bei der Unicredit fiel die Erholung allerdings deutlich stärker aus.

Sie ist fast 60 Mrd. Euro wert und könnte sich damit eine Übernahme der Commerzbank leisten. Der Börsenwert der Frankfurter Commerzbank liegt mit knapp 15 Mrd. Euro lediglich bei rund einem Viertel der Unicredit. Schon in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Spekulationen über eine Übernahme der Commerzbank durch die Italiener.

Im vergangenen Jahr erzielte die Konkurrentin der Deutschen Bank einen Rekordgewinn von rund 2,2 Mrd. Euro. Der Deutsche Bund will schrittweise bei der Commerzbank aussteigen, die er in der Finanzkrise mit Milliarden an Steuergeld vor dem Kollaps gerettet hatte.

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