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SPD lässt AfD bei Brandenburg-Wahl hinter sich

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SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Wahlparty
©APA/APA/dpa/Kay Nietfeld
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Bei der Landtagswahl im deutschen Bundesland Brandenburg hat sich die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke knapp gegen die AfD behauptet und ist erneut stärkste Kraft geworden. Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF folgen dahinter das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die CDU. Grüne, Linke, FDP und BVB/Freie Wähler bleiben unter der Fünf-Prozent-Hürde und sind wahrscheinlich nicht im Landtag vertreten. Woidke könnte damit nach elf Jahren im Amt weiterregieren.

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Seit der letzten Wahl 2019 führt er eine Koalition mit CDU und Grünen. Diese haben wohl kaum noch Chancen auf einen Wiedereinzug in den brandenburgischen Landtag, da Grünen-Politikerin Marie Schäffer ihr Direktmandat im Wahlkreis Potsdam I verlor, sie unterlag dort der SPD-Politikerin Manja Schüle. Die Grünen hatten vor allem deswegen auf das Direktmandat gehofft, weil es ihnen auch bei einem Verfehlen der Fünf-Prozent-Hürde einen Einzug ins Parlament mit ihrem landesweiten Wahlergebnis ermöglicht hätte. Doch laut ARD-Hochrechnung kommen die Grünen auf lediglich 4,2 Prozent. Die SPD liegt nun bei 30,7 Prozent, die AfD bei 29,5 Prozent. Danach folgt das BSW mit 13,3 Prozent, das nun deutlich vor der CDU mit 12,1 Prozent liegt. Die Linken scheitern mit 3,0 Prozent, die Freien Wähler mit 2,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt den Hochrechnungen zufolge bei 73 bis 74 Prozent und damit so hoch wie nie seit 1990. 2019 betrug sie 61,3 Prozent.

Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF zeichnet sich eine Sperrminorität der AfD im Landesparlament ab. Nach den aktuellen Zahlen beider Sender kommt die Rechtsaußenpartei auf 30 Sitze. Zu vergeben sind im Potsdamer Landtag üblicherweise 88 Mandate. Viele Direktmandate können aber noch zu Überhang- und Ausgleichsmandaten und damit zu einer Vergrößerung des Landtags führen. Maximal gibt es dort 110 Sitze. Erreicht die AfD mehr als ein Drittel der Mandate, kann sie im Landesparlament Entscheidungen und Wahlen blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern. Auch Verfassungsänderungen sind nur mit einer solchen qualifizierten Mehrheit möglich. Vor drei Wochen hatte die AfD bereits bei der Landtagswahl in Thüringen eine Sperrminorität errungen.

Die SPD kann nach zuletzt schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun etwas aufatmen - auch im Bund. Kanzler Olaf Scholz darf auf leichten Rückenwind für die Bundestagswahl in einem Jahr hoffen. Er reagierte zufrieden auf das Ergebnis und will sich erst am Montag ausführlicher äußern. SPD-Chef Lars Klingbeil stellte sich angesichts des Erfolgs hinter Scholz als Kanzlerkandidaten.

Die AfD ist deutlich stärkste Kraft bei jüngeren Wählern. Laut infratest dimap erreichte sie dort 32 Prozent, die SPD dagegen nur 18 Prozent. Das BSW kommt bei den jüngeren Wählern auf 13 Prozent, CDU erreicht neun, die Linken sieben, die Grünen und die Tierschutzpartei jeweils sechs Prozent. Bei Wählerinnen und Wählern über 60 Jahren punktet die SPD am meisten. In diesem Altersspektrum erreichten die Sozialdemokraten 42 Prozent der Stimmen.

Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf große gemeinsame Auftritte mit Scholz gesetzt - wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner Ampel. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen - es gibt in dem Bundesland weniger Wahlberechtigte als in Berlin.

Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird - das hat er nun geschafft. Eine Fortsetzung der Koalition aus SPD, CDU und Grünen ist aber voraussichtlich nicht möglich. Denkbar wäre eine Zweierkoalition aus SPD und BSW oder ein Dreierbündnis aus SPD, CDU und BSW.

Woidke kündigte an, voraussichtlich zuerst mit der CDU über die Bildung einer Regierungskoalition zu sprechen. "Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat." Wie so oft in der Geschichte seien es Sozialdemokraten gewesen, "die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben", sagte er mit Blick auf die AfD.

Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage". Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen. "So sieht Glaubwürdigkeit aus." Der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. "Das wäre das ganz falsche Signal", sagte er.

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter nannte das Ergebnis seiner Partei "desaströs". Viele Menschen hätten SPD gewählt - "aber nicht aus Überzeugung". Grund sei der aus seiner Sicht "Panikwahlkampf des Ministerpräsidenten" gegen die AfD.

Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Bundesparteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke "in die Rente zu schicken". Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Thüringen, Sachsen und jetzt Brandenburg erfolgreich verlaufen: "Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt." Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei EU- und NATO-Partnern.

Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt. "Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Eine Besonderheit in Brandenburg, die es in keinem anderen deutschen Bundesland gibt, ist die Deckelung der Sitze im Landtag - maximal 110 dürfen es sein. Sollte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, könnte es Experten zufolge dazu kommen, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen.

Sollte die AfD sogar mehr als ein Drittel der Sitze bekommen, hätte sie eine Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müsste sie zustimmen. Verfassungsrichter werden beispielsweise vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

FPÖ-Chef Herbert Kickl gratulierte der AfD noch Sonntagabend zum "imposanten" Wahlerfolg. "Die politischen Reaktionen zeigen, dass das System keine Themen mehr hat, sondern lediglich das destruktive Ziel verfolgt, die AfD vom Spitzenplatz fernzuhalten. Das ist - trotz intensiver Unterstützung der auch von AfD-Wählern zwangsfinanzierten Medien - nur ganz knapp gelungen. Umso höher ist die Leistung der AfD einzuschätzen", reagierte der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen.

Am Montag beraten die Bundesparteien über Ausgang der Landtagswahl. Den Anfang macht am Vormittag die AfD mit einer Pressekonferenz (10.00 Uhr), anschließend folgen die FDP (11.30 Uhr), der Wahlsieger SPD (11.45 Uhr) sowie das BSW (12.00 Uhr). CDU und Linke haben ihre Pressekonferenzen für 13.00 Uhr, die Grünen für 14.00 Uhr angekündigt. In der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam ist eine Pressekonferenz mit Spitzenkandidaten und Generalsekretären der Landesparteien geplant (11.00 Uhr).

22.09.2024, Brandenburg, Potsdam: Dietmar Woidke, Ministerpräsident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg steht nach Bekanntgabe der ersten Prognosen bei der SPD-Wahlparty auf der Bühne. In Brandenburg fand am Sonntag die Landtagswahl statt. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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