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Schulterschluss soll rechte Absolute in Frankreich abwenden

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Attal stemmt sich gegen Verlust der Regierungsgeschäfte
©APA/APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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In Frankreich hat sich vor der zweiten Runde der Parlamentswahl ein lagerübergreifendes Zweckbündnis zur Abwehr einer absoluten Mehrheit der Rechten formiert. Premier Gabriel Attal von der zentristischen Renaissance-Partei des Präsidenten Emmanuel Macron sagte am Mittwoch, er glaube an den Erfolg des parteiübergreifenden Versuchs, einen Durchmarsch von Marine Le Pens rechtsextremem Rassemblement National (RN) bei der Stichwahl am Sonntag zu verhindern.

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Der RN erhielt im ersten Durchgang 33 Prozent der Stimmen. Der Zusammenschluss von Linken und Grünen - die Neue Volksfront (NFP) - kam auf 28 und das Mitte-Lager von Macron auf 20 Prozent. In der ersten Runde am 30. Juni konnten sich Kandidaten ein Mandat sichern, wenn sie mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreichten. Im zweiten Wahlgang am Sonntag reicht die einfache Mehrheit: Wer die meisten Stimmen erhält, gewinnt.

Lokale Medien schätzten, dass bis zu 218 Bewerber ihre Kandidatur zurückgezogen haben, um damit die Siegchancen besser platzierter Gegner des RN (Nationale Vereinigung) in den Wahlkreisen zu erhöhen. "Diese Rückzüge zeigen, dass wir eine absolute Mehrheit für die extreme Rechte vermeiden können", sagte Attal dem Radiosender France Inter. Der RN bräuchte 289 Sitze, um die absolute Mehrheit in der 577 Sitze umfassenden französische Nationalversammlung zu erlangen. Vor dem strategischen Rückzugsmanöver der RN-Gegner waren der Partei Le Pens in Prognosen 250 bis 300 Sitze im Parlament vorausberechnet worden.

Sollten die Wahlen nicht zu klaren Mehrheitsverhältnissen führen, hat Attal einen Vorschlag parat: Demnach könnten Konservative, Linke und die Parteien der Mitte Ad-hoc-Allianzen bilden, um im Parlament über einzelne Gesetzesvorhaben abzustimmen.

Le Pen sagte, sie könne auf andere Parteien zugehen, wenn es mit der absoluten Mehrheit nicht klappen sollte. Ihr Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, Parteichef Jordan Bardella, will nur eine Regierung bilden, wenn er dafür eine ausreichend starke Unterstützung erhält.

Die Finanzmärkte wurden durch den Versuch der RN-Gegner beruhigt, eine sogenannte "republikanische Front" gegen Le Pens Partei zu bilden. Der Risikoaufschlag, den Investoren für französische Anleihen verlangen, verringerte sich: Die Renditespanne zwischen den als Benchmark für die Eurozone geltenden deutschen Bundesanleihen und den französischen Papieren mit zehnjähriger Laufzeit sank zwischenzeitlich auf 67,8 Basispunkte - der niedrigste Wert seit dem 13. Juni.

Experten sehen als Auslöser für diese Entwicklung die Bemühungen der RN-Gegner, den Durchmarsch der europaskeptischen Nationalisten zu vermeiden: "Die Strategie dürfte die Chancen von Le Pen, eine absolute Mehrheit zu gewinnen, erheblich einschränken", sagte Mohit Kumar, Chefökonom für Europa bei der Investmentbank Jefferies. Da weder die extreme Rechte noch die extreme Linke voraussichtlich in der Lage sein werde, extreme politische Maßnahmen umzusetzen, dürfte sich dieses Szenario aus seiner Sicht kurzfristig positiv auf die Märkte auswirken.

Unterdessen befasst sich die französische Justiz seit Mittwoch mit einer mutmaßlich rassistischen Äußerung eines rechtspopulistischen Kandidaten für die Parlamentswahl. "2016 sind Maghrebiner (Nordafrikaner) an die Macht gekommen, diese Leute haben auf diesen Posten nichts zu suchen", soll der Kandidat des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Daniel Grenon, bei einer Debatte im Burgund gesagt haben. Diese Äußerungen seien "eindeutig rassistisch", erklärte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei in Yonne, Mani Cambefort, der deswegen die Staatsanwaltschaft einschaltete.

Grenon, der in seinem Wahlkreis in der ersten Runde der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag auf gut 40 Prozent der Stimmen gekommen war, wies die Vorwürfe zurück und erklärte später, dass es ihm um den Fall der früheren Bildungsministerin gegangen sei. "Es ist sehr gut, dass Maghrebiner wie Najat Vallaud-Belkacem mit doppelter Staatsbürgerschaft an die Macht kommen, aber sie sind für manche Posten nicht geeignet, weil es ein Loyalitätsproblem gibt", erklärte er.

Vallaud-Belkacem war wegen ihrer doppelten Staatsangehörigkeit bereits von anderen RN-Kandidaten angegriffen worden. Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti reagierte empört. "Es sollten sich alle schämen, die den RN salonfähig gemacht haben", schrieb er im Onlinedienst X.

Die Zeitung "L'Yonne républicaine", welche die Debatte organisiert hatte, versicherte auf der Basis von Tonaufnahmen, dass das erste Zitat des RN-Kandidaten so gesagt worden sei.

In den vergangenen Tagen waren mehrere RN-Kandidaten unter Beschuss geraten. Eine Kandidatin zog ihre Teilnahme an der Stichwahl zurück, nachdem ein Foto von ihr mit einer Schirmmütze der NS-Luftwaffe samt Hakenkreuz bekannt geworden war.

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