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Referendum in Moldau: Knappe Mehrheit für EU-Kurs

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Sandu unzufrieden mit Wahlergebnis
©APA/APA/AFP/DANIEL MIHAILESCU
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Die Bevölkerung Moldaus ist in der Frage der EU-Annäherung tief gespalten. Ein Referendum, mit dem die pro-europäische Regierung von Präsidentin Maia Sandu die EU-Perspektive des Landes in der Verfassung festschreiben lassen wollte, hat am Sonntag ein äußerst knappes Ergebnis gebracht. Nach Auszählung von 99,46 Prozent der Stimmen stimmten laut Wahlkommission 50,41 Prozent mit Ja und 49,59 Prozent mit Nein. Den Ausschlag dürften die Auslandsmoldauer gegeben haben.

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Das äußerst knappe Ergebnis der Volksabstimmung dürfte sowohl Staatspräsidentin Sandu, die das Verfassungsreferendum angestoßen hatte, als auch der proeuropäischen Regierung in Chisinau schwer zu denken geben. Zudem kommen die drei bestplatzierten prorussischen Gegenkandidaten Sandus im Präsidentenrennen kumuliert auf knapp 50 Prozent der abgegebenen Stimmen, während die Amtsinhaberin selbst bloß knapp 42 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.

Dem früheren moldauischen Außenminister Nicu Popescu zufolge schwächt das Ergebnis sowohl die moldauischen Behörden im Zuge ihrer Verhandlungen mit den westlichen Partnern als auch Staatspräsidentin Sandu hinsichtlich der am 3. November anstehenden Stichwahl - die prorussischen Kräfte hätten eben erheblichen Aufwind erhalten, sagte der proeuropäische Politiker den Medien.

Immerhin konnte Sandu dank der Auslandsmoldauer ihren Vorsprung im Präsidentenrennen ausbauen - nach Auszählung von 99,37 Prozent der Stimmzettel lag die 52-Jährige mit 42,3 Prozent in Führung, während ihr wichtigster Gegenkandidat, der von der prorussischen Sozialisten (PSRM) unterstützte frühere Generalstaatsanwalt des Landes Alexandr Stoianoglo, auf 26,07 Prozent der abgegebenen Stimmen kam.

Während der führende pro-russische Oppositionspolitiker Ilan Shor am Sonntagabend bereits die "laute und klare" Ablehnung des EU-Beitritts durch die Moldauer gefeiert hatte, erhob Staatspräsidentin Sandu schwere Vorwürfe gegen Russland, dem sie Stimmenkauf in gigantischem Ausmaß vorwarf. Es gebe Beweise, wonach 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte sie. "Wir haben es mit einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land zu tun." Sie wolle das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen. Details nannte die 52-Jährige nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor dem Urnengang Wählerbestechung und prorussische Desinformation in dem Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt.

Russland forderte Sandu indes auf, Beweise für eine von ihr beklagte Wahlmanipulation aus dem Ausland vorzulegen. Es handle sich um ziemlich ernste Anschuldigungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge. "Wenn sie sagt, dass sie wegen irgendwelcher krimineller Banden zu wenig Stimmen bekommen hat, sollte sie die Beweise vorlegen", sagte Peskow. Die vorläufigen Ergebnisse zeigten vielmehr, dass viele Menschen in der Ex-Sowjetrepublik nicht mit Sandus Politik einverstanden seien.

Peskow warf Sandus Regierung einen unfreien Wahlkampf vor, weil der prorussischen Opposition etwa die Möglichkeiten zur Agitation genommen worden seien. In dem Land waren mehrere russischsprachige Medien blockiert worden. Trotz Verboten und der Verfolgung von russlandfreundlichen Kräften habe sich gezeigt, dass viele Moldauer Sandus Politik nicht unterstützten, sagte Peskow. "Das verdient Beachtung." Die Ex-Sowjetrepublik, die EU-Beitrittskandidat ist, ist traditionell zwischen Russland und dem Westen hin- und hergerissen.

Beim Referendum wurde gefragt, ob die Verfassung geändert werden soll, um den EU-Beitritt als Ziel aufzunehmen. Nachdem die pro-russische Opposition offiziell zu einem Boykott der von der Regierung initiierten Volksabstimmung aufgerufen hatte, war allenfalls eine zu niedrige Beteiligung erwartet worden, aber keine Ablehnung. Tatsächlich wurde die erforderliche Stimmbeteiligung von einem Drittel mit fast 50 Prozent deutlich erreicht, während erste Teilergebnisse eine deutliche Ablehnung mit 55 Prozent zeigten. Im Laufe der Auszählung drehte sich jedoch das Blatt durch klare Ja-Mehrheiten in der Hauptstadt Chisinau und insbesondere in der Diaspora. Auffallend war die starke Ablehnung in der autonomen Region Gagausien, wo gerade einmal fünf Prozent für die EU-Mitgliedschaft stimmen. Wenige Tage vor der Wahl war die Regionalpräsidentin wegen pro-russischer Aktivitäten mit EU-Sanktionen belegt worden.

Kritiker Sandus werfen ihr vor, die Interessen des Westens zu vertreten und darüber zu versäumen, die angeschlagene Wirtschaft und die hohe Inflation in den Griff zu bekommen oder Justizreformen voranzutreiben. Die moldauische Regierung versuchte, bei der Energieversorgung unabhängiger von Russland zu werden, weshalb die Preise in die Höhe schnellten. Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas.

Bei ihrer Stimmabgabe sagte Sandu, der Wahlausgang müsse vom "Willen des moldauischen Volkes" bestimmt werden und nicht "von schmutzigem Geld". Die Präsidentin beschuldigt Moskau immer wieder, sich politisch in der ehemaligen Sowjetrepublik einzumischen. Anfang Oktober hatte die moldauische Polizei einen groß angelegten Wahlbetrug aufgedeckt, bei dem mehr als 100.000 Menschen bestochen worden sein sollen, um im Sinne Moskaus abzustimmen. Nach Einschätzung des moldauischen Politikinstituts WatchDog hat Moskau allein in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) für Einmischungen in die moldauische Politik ausgegeben. Der Kreml wies alle Vorwürfe "kategorisch" zurück.

Moldau grenzt an die Ukraine und an Rumänien. Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 befürchten viele Moldauer, dass Russland ihr Land als nächstes angreifen könnte. Sorge bereitet vielen auch die Lage in der russischsprachigen Region Transnistrien, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Moldau abgespalten hatte.

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