von
Vorweg wurde das Handeln der Beschuldigten von der Staatsanwältin als "fast einzigartig" in Hinblick auf Manipulation und Kaltblütigkeit bezeichnet. Im Kern geht es in dem Geschworenenprozess um drei Punkte, die zwei Mordversuche sowie eine fingierte Messerattacke. Die angeklagte Niederösterreicherin soll zunächst am 8. Juli 2022 ihrem damaligen Partner bei einer Feier Methanol und psilocybinhaltige Pilze (Magic Mushrooms) in einem Getränk verabreicht haben. Der 42-Jährige wurde daraufhin fast blind und erlitt eine Methanolvergiftung. Der Tod sei nur durch eine intensivmedizinische Therapie mit Vornahme einer Blutwäsche verhindert worden, betonte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag.
Die 32-Jährige berichtete bei ihrer Befragung durchaus ausschweifend. In Hinblick auf den 8. Juli 2022 skizzierte sie einen feuchtfröhlichen Partyabend mit Freunden samt selbst gemachtem "Spezialgetränk" (ein Teelöffel klein gehackte Mushrooms, Schnaps, Cola und Eis) sowie Bowle. Den Ermittlern übergab die Angeklagte später drei Flaschen, in denen Methanol sichergestellt wurde. "Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht ausgeschenkt", sagte die Beschuldigte. Dass ihr Ex-Partner fast erblindet sei, "tut mir sehr leid".
Zu einem weiteren Mordversuch soll es in der Nacht auf den 3. November 2022 gekommen sein. Nach dem Verzehr von Muffins und Tabletten - verabreicht wurden ihm auf diese Weise größere Mengen der Medikamente Rohypnol und Sirdalud - wurde der 42-Jährige mit Schnittverletzungen am Unterarm ins Krankenhaus gebracht.
Die Angeklagte ortete einen Suizidversuch infolge des von ihr zuvor verkündeten Beziehungs-Aus. "Ich hatte um ihn Angst und vor ihm Angst in dieser Situation." Tatsächlich soll sie selbst dem Mann die Wunden zugefügt haben, so der Vorwurf. Nur durch rasche medizinische Versorgung und Nicht-Eröffnen der Unterarmschlagader dürfte es beim Mordversuch geblieben sein. Der 42-Jährige überlebte laut Staatsanwältin "neuerlich nur sehr knapp". Als Motiv gilt, dass die Beschuldigte im Testament ihres Lebensgefährten als Alleinerbin eingesetzt war und bei seinem Tod ein Vermögen von rund drei Millionen Euro erhalten hätte.
Erhebungen gegen die 32-Jährige nahmen später ihren Lauf. Mitte Mai 2023 war die Angeklagte dann mit Bauchverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden und hatte von einer Messerattacke ihres nunmehrigen Ex-Partners berichtet. Der Mann kam in U-Haft, wurde aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen versuchten Mordes wurde eingestellt. Laut einem Gutachten hätte der 42-Jährige aufgrund seiner massiv beeinträchtigten Sehleistung nicht entsprechend agieren können. Auch weitere Angaben der Beschuldigten waren widersprüchlich. Umfangreiche Ermittlungen ergaben, dass die 32-Jährige den Mordversuch an ihr fingiert haben soll, sich Bauchstiche sowie weitere Verletzungen selbst zugefügt und Spuren präpariert haben dürfte. Die Frau wurde schließlich am 14. Juli des Vorjahres festgenommen.
"Das war komplett dumm und ich habe das in meiner Verzweiflung gemacht", sagte die Niederösterreicherin zu der fingierten Messerattacke. Sie will bei Planung und Ausführung Unterstützung durch einen Bekannten gehabt haben. Ihrem 42-jährigen Ex-Partner habe man in Hinblick auf die laufenden Ermittlungen schwere Körperverletzung anhängen wollen: "In der Hoffnung, dass man mir dann wieder mehr glaubt."
Weiters wird der Angeklagten vorgeworfen, vor der Kriminalpolizei mehrfach selbst falsch ausgesagt sowie andere Personen - unter anderem auch noch aus der Haft heraus ihre minderjährige Tochter - dazu angestiftet zu haben, unrichtige Behauptungen zu tätigen. Zusätzlich wird ihr die Verleumdung mehrerer Personen angelastet, um ihre Taten zu verheimlichen. Der Bekannte der 32-Jährigen, der laut der Beschuldigten bei dem fingierten Messerangriff mitgewirkt haben soll, landete auf diese Weise ebenfalls vorübergehend in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen der falschen Beweisaussage und der Verleumdung bekannte sich die Angeklagte in weiten Teilen schuldig.
Gänzlich anders verhält es sich mit den beiden angelasteten Mordversuchen. Diese stellt die 32-Jährige dezidiert in Abrede, wie auch Verteidiger Sascha Flatz in seinem Eröffnungsstatement ausführte. In beiden Fällen sei die Rettungskette von der Beschuldigten in Gang gesetzt worden. Zudem sei seine Mandantin in finanzieller Hinsicht in keiner Zwangslage gewesen, wodurch Geldnot als Motiv wegfalle.
Die Niederösterreicherin leidet einem Gutachten zufolge an einer Persönlichkeitsstörung, ist aber zurechnungsfähig. Die Staatsanwaltschaft hat zusätzlich zu einer Strafe die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch beantragt. Der Prozess wird am (morgigen) Mittwoch fortgesetzt, befragt werden soll das Opfer. Weitere Termine sind für Donnerstag und 12. November angesetzt, ein Urteil ist für 13. November geplant.
++ ARCHIVBILD ++ Am Landesgericht Korneuburg hat die aufsehenerregende Bluttat in Gerasdorf (Bezirk Korneuburg) vom 04. Juli 2020 ein erstes juristisches Nachspiel. Wegen versuchten Mordes verantworten muss sich am Donnerstag, 08. April 2021, jener 37-Jährige, der als Leibwächter des erschossenen Videobloggers Mamichan U. alias Martin B. fungiert hatte. Vorgeworfen wird Ahmed A., er habe auf den flüchtenden mutmaßlichen Mörder schießen wollen, nachdem dieser Martin B. getötet hatte. Im Bild eine Außenaufnahme des Landesgerichts Korneuburg, aufgenommen am Freitag, 02. Juni 2017. (ARCHIVBILD VOM 2.6.2017)