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Presserat rügt "Standard"-Artikel über Lena Schilling

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Lena Schilling hatte keinen leichten Wahlkampf
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Der Presserat rügt den "Standard" in Bezug auf seine Berichterstattung zu Lena Schilling. Darin ging es um Vorwürfe aus Schillings privatem wie politischem Umfeld, wonach die damalige grüne EU-Spitzenkandidatin schwerwiegende Gerüchte und Unwahrheiten verbreite. Die Causa war eines der dominierenden Themen im Wahlkampf. Das Selbstkontrollorgan ortet nun in zwei Punkten Verstöße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

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Konkret geht es um den am 7. Mai auf derstandard.at erschienenen Artikel mit dem Titel "Lena Schillings Kandidatur gerät in Turbulenzen", in dem zum ersten Mal über seitens Schilling angeblich verbreitete Fehlinformationen, die auch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen tangierten, berichtet wurde und die ganze Angelegenheit ins Rollen brachte. Der Senat 1 des Presserats erachtet es "grundsätzlich als zulässig, dass über fragwürdige schwerwiegende Behauptungen, die die Spitzenkandidatin einer wahlwerbenden Partei über Mitstreiterinnen und Mitstreiter bzw. Journalisten verbreitet oder aufstellt, berichtet wird", wie es in der am Freitag veröffentlichten Entscheidung heißt. Es sei "aus medienethischer Perspektive möglich, die charakterliche Eignung einer Spitzenkandidatin für die Politik in Frage zu stellen und die Öffentlichkeit über begründete Zweifel daran zu informieren".

Allerdings sieht das Gremium einen "Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Wiedergabe von Nachrichten" (Punkt 2.1 des Ehrenkodex). Im Kern werden die vielfach als Beleg angeführten anonymisierten Zitate kritisiert. Bei der Leserschaft sei der Eindruck entstanden, die Politikerin habe einen mangelhaften Charakter und leide möglicherweise sogar an psychischen Problemen, was als Vorwurf seitens eines Mediums ungewöhnlich sei und unverhältnismäßig schwer wiege. Es wäre geboten gewesen, "auf jene anonymisierten Zitate zu verzichten, die lediglich Werturteile zur Person Lena Schilling enthalten und in denen kein Kontext zu konkreten Ereignissen hergestellt wird", so der Presserat. Denn es scheine naheliegend, dass Informanten aus Schillings Umfeld bei den Grünen, aus dem linken politischen Spektrum oder der Klimabewegung eigene Interessen verfolgen könnten und deren Sichtweise somit etwa aus Konkurrenzgründen oder von persönlichen Zerwürfnissen geprägt seien.

Der Presserat sieht gesondert auch einen "Verstoß gegen das Gebot einer gewissenhaften und korrekten Zitierweise" (Punkt 2.2 des Ehrenkodex). Anonyme Zitate sind laut Kontrollorgan in bestimmten Gründen zulässig, eine Grenze sei allerdings dort erreicht, wo sie nur zur negativen Charakterzeichnung ohne ein damit einhergehendes Tatsachensubstrat dienen. "Bei zahlreichen Zitaten des Artikels kann der Senat ein derartiges Tatsachensubstrat nicht erkennen", urteilt der Presserat. Seiner Meinung nach wäre es erforderlich gewesen, "bloß über die konkreten und belegten Vorwürfe" zu berichten und auf anonymisierte Zitate, "die ausschließlich den Zweck haben, nicht überprüfbare negative Wertungen über den Charakter der betroffenen Politikerin vorzunehmen", zu verzichten. Denn andernfalls würde dies sinngemäß Medien Tür und Tor öffnen, öffentliche Personen mittels namentlich nicht zuschreibbaren Aussagen zu diskreditieren.

Der "Standard" verteidigte in einer in der Entscheidung veröffentlichten Stellungnahme seine Berichterstattung. Die erhobenen Vorwürfe hätten politische Relevanz, keiner der im Artikel erwähnten sei zudem bestritten worden. Die Anonymisierung der Zitate begründete das Medium damit, dass Informantinnen und Informanten andernfalls negative Konsequenzen zu befürchten gehabt hätten. Die Chefredaktion betonte, dass man die Vorhaltungen nicht nur "akribisch gegengecheckt", sondern auch einer "umfassenden rechtlichen Überprüfung unterzogen" habe. Man sei in der Lage, "vor Gericht in jedem einzelnen Punkt den Wahrheitsbeweis anzutreten". In heiklen Fällen seien mehrere eidesstattliche Erklärungen eingeholt worden.

Die Grünen äußerten sich nicht inhaltlich zum Urteil, begrüßten ab, "dass sich der Presserat ausführlich mit der Thematik befasst und geurteilt" habe, denn der Presserat sei "der richtige Ort für diese Reflexion". Zugleich wurde betonte, dass es wichtig sei, "dass sowohl Politik als auch Medien zurückschauen und Lehren aus dem Fall ziehen" würden. "Das wird auch für den kommenden Wahlkampf und für künftige politische Debatten wichtig sein", hieß es aus der Grünen Parteizentrale in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

(S E R V I C E - )

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