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Nehammer erhält Regierungsbildungsauftrag

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Nehammer erhält Regierungsbildungsauftrag
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag ÖVP-Chef Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt. Überdies habe er ihn ersucht, umgehend Verhandlungen mit der SPÖ aufzunehmen. Geklärt werden soll weiters, ob es einen dritten Partner brauche. Nehammer nahm den Auftrag am Nachmittag in einem Statement "in aller Redlichkeit und Ernsthaftigkeit an." SPÖ-Chef Andreas Babler zeigte sich "offen für konstruktive Gespräche".

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Der Kanzler deutete auch an, dass er eine Dreier-Koalition anstrebt. Nehammer peilt nämlich eine "stabile von einer breiten Mehrheit im Nationalrat getragene Bundesregierung" an. Zur Erinnerung: ÖVP und Sozialdemokraten haben nur ein Mandat Überhang.

Sonst folgte Nehammer in weiten Teilen der Argumentationslinie des Bundespräsidenten. Grundlage des Regierens sei eine parlamentarische Mehrheit. Die FPÖ als stimmenstärkste Partei habe diese in den Sondierungsgesprächen nicht finden können, so Nehammer. Daher habe ihm der Bundespräsident den Auftrag erteilt. Er werde nun "hart daran arbeiten, dass Österreich eine stabile, von einer breiten Mehrheit getragene Bundesregierung erhält."

Einmal mehr machte er klar, dass er zu dem stehe, was er vor der Wahl versprochen habe. Gleichzeitig räumte Nehammer ein, dass das Wahlergebnis kein Auftrag für ein "Weiter-wie-bisher" sei. Nun brauche es Veränderungen und Reformen, "um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können." Er werde die Sorgen der Menschen ernst nehmen und sie ins Zentrum des Tuns stellen, auch jener, "die uns diesmal nicht das Vertrauen geschenkt haben".

Als "Kernfragen" und inhaltliche Schwerpunkte nannte der aktuelle Kanzler die Standortpolitik, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, Migration und Integration sowie ein flächendeckendes Gesundheits- und Pflegesystem. Zudem mahnte Nehammer in Richtung des potenziellen Regierungspartners SPÖ, ohne diesen explizit zu nennen, dass der Wohlfahrtsstaat nur durch Menschen finanziert werden könne, die arbeiten und bereit sind, Leistung zu erbringen: "Arbeit muss sich wieder lohnen."

SPÖ-Chef Andreas Babler zeigte sich eine Aussendung "offen" für "konstruktive Gespräche". Eine Koalition werde es mit der SPÖ nur geben, "wenn wir gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen finden, vor denen Österreich steht". Bedingung sei, reale Verbesserungen für die Bevölkerung gemeinsam umsetzen zu können: "Ein 'Weiter-wie-bisher', das wollen wir nicht", ist sich Babler offenbar diesbezüglich mit Nehammer einig.

Van der Bellen hatte davor bei einer Stellungnahme in der Hofburg seine Entscheidung damit begründet, dass FPÖ-Obmann Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finde, der ihn zum Bundeskanzler mache. Dass er von der Usance abgehe, nach der bisher der Bundespräsident immer dem Vorsitzenden der jeweils stimmenstärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben hat, erläuterte Van der Bellen derart, dass es diesmal einen "völlig unüblichen Fall" gebe. Denn niemand wolle mit der stimmenstärksten Partei in einer Regierung zusammenarbeiten.

"Bei der Nationalratswahl am 29. September handelte es sich nicht um ein Rennen, in dem die Partei, die als erste durchs Ziel geht, automatisch die Regierung stellt", erklärte Van der Bellen. Laut Verfassung gehe das Recht vom Volke aus. "Und das Volk sind wir alle: die 1,4 Millionen Wählerinnen und Wähler der FPÖ und die 1,3 Millionen der ÖVP und die eine Million der SPÖ und die 450.000 der NEOS und 400.000 der Grünen und alle anderen, die andere Parteien gewählt haben, oder ungültig oder nicht zur Wahl gingen." Und "niemand kann alleine das ganze Volk für sich beanspruchen", sagte der Bundespräsident wohl in Richtung Kickl.

Für eine stabile Regierung sei eine Mehrheit von 50 Prozent im Nationalrat nötig. In den Gesprächen mit den drei Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ hätten sich die medial kolportierten Aussagen derselben "voll und ganz bestätigt", nämlich dass es für Kickl nur eine Regierung mit ihm als Bundeskanzler geben könne und die anderen nicht mit Kickl regieren wollen.

Van der Bellen nannte die von Nehammer und Babler ihm gegenüber genannten Gründe für die Ablehnung einer Regierung mit Kickl: Sorgen um die liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, um die europäische Ausrichtung, die Putin-Nähe der FPÖ, massive Sicherheitsbedenken der ausländischen Geheimdienste, eine spaltende und herabwürdige Sprache, ein rückwärtsgewandtes Frauenbild und die fehlende Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen.

Daher müsse nun "auf anderem Wege" eine stabile Regierungsmehrheit gesucht werden, begründete der Bundespräsident die Beauftragung Nehammers mit der Regierungsbildung. Er habe den ÖVP-Chef und bisherigen Bundeskanzler bereits am Vormittag darüber informiert, berichtete er. Er vertraue auf "Augenmaß und Verantwortungsgefühl" von ÖVP, SPÖ und allen weiteren beteiligten Parteien.

Kritik an Van der Bellens Vorgehen kam nicht nur von der FPÖ, sondern auch aus den Reihen der ÖVP. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler, der selbst kurz vor einer Landtagswahl steht, meinte: "Ich halte es für völlig falsch, dass der Bundespräsident nicht den Vertreter der stimmenstärksten Partei mit einem Regierungsbildungsauftrag ausstattet. Es ist eigentlich unverantwortlich, Herbert Kickl so schnell aus der Verantwortung und in die Märtyrer-Rolle und ins Schmollwinkerl zu entlassen."

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