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Mordprozess um totes Baby in Wien vor Urteil

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Angeklagter beteuert seine Unschuld
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Im Mordprozess um ein mutmaßlich vom Vater getötetes Baby haben sich am Donnerstag kurz vor 15.00 Uhr die Geschworenen am Wiener Straflandesgericht zur Beratung zurückgezogen. Der 30-jährige Beschuldigte soll laut Anklage seinem drei Monate alten Sohn mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben. Laut einem gerichtsmedizinischen Gutachten starb der Bub "eindeutig" an den Folgen eines Schütteltraumas. Der 30-Jährige bestritt die Vorwürfe.

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Am zweiten Verhandlungstag kamen die Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp und der Neuropathologe Herbert Budka zu Wort. Sie erläuterten, dass das Kind gewaltsam getötet wurde und der Hirntod durch Blutung unter der harten Hirnhaut, einer ausgeprägten wässrigen Hirnschwellung und sauerstoffmangelbedingte Hirnschädigung mit einer Hirnstammeinklemmung verursacht wurde. Dafür muss ein Neugeborenes "fünf bis zehn Sekunden lang, rund zehn bis dreißig Mal geschüttelt werden", so Klupp. Dem 30-Jährigen, der sich seit 11. Februar in U-Haft befindet, drohen im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

Der Mann bestreitet vehement vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Christina Salzborn), mit den Verletzungen und dem Tod seines Sohnes etwas zu tun zu haben. "Ein Schütteln ist nie passiert. Weder absichtlich noch unabsichtlich", beteuerte der Angeklagte bereits am ersten Verhandlungstag. Der Beschuldigte vermutet, dass es bei der notärztlichen Behandlung des drei Monate alten Buben in einem Spital zu Behandlungsfehlern gekommen sein könnte. Die Ärzte hätten zwei Mal eine Drainage gemacht, ohne dass er dem zugestimmt hätte, betonte der 30-Jährige. Laut dem Gerichtsmediziner, der auch den Krankenakt des Kindes vorliegen hatte, seien keine Behandlungsfehler passiert.

Die Mutter des Buben hatte am 3. Februar gegen 23.00 Uhr mit ihrem Sohn ein Krankenhaus aufgesucht, wo unverzüglich mit der Behandlung des laut Anklage misshandelten Säuglings begonnen wurde. Für das Baby kam jede ärztliche Hilfe zu spät. Das Kleinkind dürfte schon zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme keine Gehirnfunktionen mehr gehabt haben. Am 6. Februar wurden die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet und der Bub für tot erklärt.

Das Spital alarmierte in weiterer Folge die Polizei, da sich bei dem Baby die typischerweise auf ein sogenanntes Schütteltrauma hindeutenden Hirnverletzungen und Einblutungen in der Netzhaut zeigten. Zudem wies das Baby neben den Kopfverletzungen auch ältere mögliche Verletzungen - ein Verdacht auf eine gebrochene Rippe und einen gebrochenen Arm - auf. Die Eltern wurden in weiterer Folge wegen Mordverdachts fest- und in U-Haft genommen.

Die Mutter wurde dann allerdings Ende Mai enthaftet, das gegen sie gerichtete Ermittlungsverfahren mittlerweile eingestellt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist gegen die 27-Jährige kein Tatverdacht mehr gegeben.

Die Mutter, die seit mehr als zehn Jahren mit dem Angeklagten liiert war, hatte am Nachmittag des 3. Februar gemeinsam mit ihrer zwei Jahre alten Tochter eine Geburtstagsfeier besucht. Von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr war der Vater allein mit dem Sohn zu Hause. Für die Staatsanwältin bestand kein Zweifel, dass es in diesen sieben Stunden zu den festgestellten Hirnverletzungen gekommen sein muss. Die minutiöse Aufarbeitung - etwa Rufdaten- und Handyauswertungen - würde dafür sprechen, sagte die Anklägerin im Schlussplädoyer.

Schon am 29. Jänner soll es in den Nachmittagsstunden zu einem Vorfall gekommen sein, der von der Anklage als versuchter Mord qualifiziert wird. Der als Sachverständiger beigezogene Neuropathologe hatte im Ermittlungsverfahren ältere Subduralblutungen unter der Hirnhaut des toten Säuglings festgestellt, was er auch heute neuerlich vor Gericht bestätigte.

Verteidigerin Astrid Wagner bezeichnete ihren Mandanten im Schlussplädoyer als "äußerst guten und geduldigen Vater". Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe würden nicht zu seiner Persönlichkeit passen. Der Bub - ein Wunschkind - war am 3. November mittels einer Saugglockengeburt zur Welt gekommen. Der Angeklagte erzählte am ersten Verhandlungstag, dass das Kind seit seiner Geburt schwer geatmet hätte.

Laut dem Gerichtsmediziner Klupp lagen beim Säugling keine genetischen Erkrankungen oder eine Schädigung des Gehirns durch die Saugglockengeburt vor. Das Neugeborene hätte sich altersentsprechend entwickelt.

Der Angeklagte argumentierte außerdem, dass der Kleine mehrfach zu Familienfeiern mitgenommen und dabei "herumgereicht" und von Angehörigen auf den Schoß genommen worden sei. "Wenn man mit dem Kind im Kinderwagen über ein Kopfsteinpflaster fährt, es hochwirft oder mit dem Kind raue Umgangsformen hat, das ist nicht geeignet ein solches Schütteltrauma-Syndrom hervorzurufen", betonte Klupp jedoch.

Die einzige Frage, die Unsicherheiten aufwarf war, wann genau dem Kind die Verletzungen zugefügt wurden. Klupp meinte, dass das Schütteltrauma unmittelbar vor dem ersten Auftreten der Symptome geschehen sein muss. Neuropathologe Budka wollte sich nicht darauf festlegen. "Das traue ich mich nicht zu sagen", erklärte der Mediziner. Er begrenzte es auf den Verlauf des Vorfallstages, aber zu welcher Uhrzeit sei unklar".

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