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Medienprofi Settele fordert mehr Mut vom heimischen TV

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Settele berät u.a. den ORF
©APA/APA/THEMENBILD/EVA MANHART
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Matthias Settele hat die slowakische Privatsendergruppe Markiza saniert und sie zur Marktführerschaft geführt. Mittlerweile ist der Medienmanager zurück in Österreich und steht u.a. dem ORF als Berater mit seiner Firma "SetTele Entertainment" zur Seite. Bei den "Cable Days" im Design Center Linz (1.-2. Oktober) hält er eine Keynote zu Strategien und Geschäftsmodellen in der Streamingwelt. Im APA-Interview spricht der 57-Jährige über Aufholbedarf, Verführungen und Kooperation.

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APA: Ihr Einstiegsvortrag bei den Cable Days ist mit "Schöne neue Streaming-Welt" betitelt. Warum?

Matthias Settele: Der Titel spielt mit "Schöne neue Welt" von Aldous Huxley, wo man sich in sanfter Diktatur der Unterhaltungsindustrie zu Tode amüsiert. Ich denke aber positiv, weil die heimischen Medienunternehmen selbst viel in der Hand haben. Dennoch sind sie Angriffen ausgesetzt: von Netflix und Co. mit Angebot in Topqualität und von unlimitierten Millionenkanälen wie Youtube und TikTok. Es ist eine doppelte Challenge.

APA: Und bewältigen sie diese Challenge bisher zufriedenstellend?

Settele: Der Aufholbedarf ist riesig. Der ORF durfte lange Zeit wenig im digitalen Raum machen, und andere heimische Häuser haben es teilweise verträumt. Aber in den vergangenen Monaten ist mehr Bewegung in den heimischen Streamingmarkt gekommen als jemals zuvor. Der ORF hat die Plattform ORF ON im Mai gestartet, die ProSieben-Gruppe setzt auf Joyn, Canal+ ist mit der Champions League gestartet, Sky hat neue Rechte erworben, RTL investiert massiv in seine Streamingplattform RTL+ und ServusTV hatte mit der Fußball-EM auch sehr hohe Zahlen im Onlinebereich.

APA: Aber ist es auch genug Bewegung?

Settele: Genug ist es natürlich nicht. Es gibt viele Verführungen: FAST-Channels auf einem Connected-TV, Youtube und TikTok, Netflix, Prime, Disney+, HBO, Paramount, etc. Die haben gigantische Produktionsbudgets. Die heimischen Player müssen sich durch Kreativität und gute lokale Produktionen auszeichnen. Ich glaube, hier steht man erst am Beginn. Darüber hinaus muss die Qualität der Plattform, der Userkomfort und das datenbasierte Arbeiten passen. Internationale Player sammeln Daten und lernen daraus. Hier gibt es Aufholbedarf.

APA: Sie haben sich angesichts einer Konkurrenz, die zunehmend global verortet ist, für Kooperation am österreichischen Medienmarkt ausgesprochen. Darauf drängt derzeit fast jeder. Und dennoch wirkt es zumindest so, als würde hier nur wenig bis keine Fahrt aufgenommen werden. Warum?

Settele: Ich glaube, es beginnt mit der Einstellung. Alle müssen sich verantwortlich für den Standort und gutes Programm fühlen. Jede österreichische Produktion, die Erfolg hat, ist ein Erfolg für den Standort. Bei Kooperationen gibt es zum Teil wettbewerbsrechtliche Restriktionen, zum Teil hängt es von den handelnden Personen ab. Die Herausforderung durch Netflix & Co ist aber so riesig, dass die Player früher oder später zu Kooperation finden werden. Am Ende sollte dadurch mehr Geld für kreatives, mutiges Programm und Ideen freiwerden. Wir stehen erst ganz am Beginn.

APA: Kann es sein, dass wir dann ganz am Ende eine Plattform sehen, die von allen relevanten heimischen Playern gepflegt und vorangetrieben wird?

Settele: Aus Konsumentensicht ist es am besten, wenn alle Inhalte auf einer Plattform sind, aber dazu ist der Wettbewerb zu stark. Es gibt auch grundlegende Unterschiede in den Erlösmodellen und den Strategien. Ein gemeinsamer Player ist auch keine Erfolgsgarantie. In Frankreich haben die beiden führenden Privatsender zusammengearbeitet - und es ist krachend gescheitert. Jeder versucht sein Glück. Der ORF hatte die "Biester", Canal+ setzt auf Fußballspiele und RTL hat jetzt Stefan Raabs neue Show für RTL+ eingekauft und hofft auf neue Abos. Joyn hatte Realityproduktionen und hat sich eher zum Aggregator aufgeschwungen. Es gibt also die verschiedensten Modelle, Leute auf die eigene Plattform zu bringen. Es ist zu früh zu sagen, wie das Spiel ausgeht, weil es gerade erst begonnen hat.

APA: Sie waren lange Geschäftsführer der slowakischen Privatsendergruppe Markiza, sind aber mittlerweile als selbstständiger Berater u.a. beim ORF für die Streamingstrategie an Bord. Vor mehreren Monaten wurde ORF ON gelauncht. Der ORF hat sich das Ziel gesetzt, damit die reichweitenstärkste Plattform hierzulande aufzubauen und auch, was das Look-and-Feel betrifft, auf Augenhöhe mit Netflix und Co. zu agieren. Ist ORF ON schon dort?

Settele: Nein, natürlich nicht. Die Plattform ist erst im Mai gestartet. Ich habe mit den Kollegen eine Liste von 50 Punkten erstellt, die noch geändert werden müssen. Netflix hat lange gebraucht, um dorthin zu kommen, wo es jetzt ist. Und dort wird immer noch bei Datenmanagement und Programmierung dazu gelernt. Es ist ein ständiges Optimieren. Alle lokalen Player sind sehr aktiv, aber es wird noch ein, zwei oder drei Jahre dauern, bis man das Beste rausgeholt hat.

APA: Dem ORF wurden erst mit Jahresbeginn mehr Möglichkeiten im Digitalen verpasst. War das zu spät? Hat man junge Leute nachhaltig an Netflix & Co. verloren?

Settele: Es war spät. Aber trotzdem ist mit guten Inhalten viel möglich. Einige der Topbrands wie "Liebesg'schichten und Heiratssachen" oder "Willkommen Österreich" laufen auch im Streaming hervorragend. Natürlich wollen die Player auch das lineare Business so lange wie möglich aufrechterhalten. Man muss beides machen und lernen: Welcher Content kommt ins Fernsehen? Welcher auf die Streamingplattform? Welcher auf Social Media? Welcher wird aus dem Archiv geholt? Diese Schaufenster zu befüllen und auch zu bewerben, ist komplex.

APA: Die Privatsender erachten den ORF-Programmauftrag als zu ausufernd. Was würde eine Fokussierung des Programmauftrags bedeuten?

Settele: Ich halte wenig davon zu sagen: "Wenn es dem einen schlecht geht, geht es uns besser." Dadurch hat man noch kein neues Programm geschaffen. Es braucht den Wettbewerb um die Idee. Fernsehmacher müssen wieder mutiger werden. Der Staat kann nicht helfen, wenn das Publikum die Programme nicht konsumiert. Es muss faire Spielregeln geben, und es ist natürlich Aufgabe der Medienpolitik zu schauen, dass die wichtigsten Player gut arbeiten können.

APA: Mancher meint, das ORF-Gesetz wird nach der Wahl nicht nur mit Blick auf die Gremien reformiert, sondern auch gleich eine neue Geschäftsführung eingesetzt. Sie wurden immer wieder für einen Topjob im ORF ins Spiel gebracht. Liebäugeln Sie damit?

Settele: Ich war schon Generaldirektor bei Markiza und weiß, wie schwierig jede Managementaufgabe im TV ist. Ich bin interessiert an spannenden Beratungsprojekten und derzeit nicht auf Jobsuche. Es fließt auch noch einiges Wasser die Donau runter, bis man weiß, wie es weitergeht. Wer sagt denn, dass es überhaupt große Änderungen geben wird? Wir haben noch nicht einmal gewählt.

(Das Gespräch führte Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - Infos zu den "Cable Days" von 1. bis 2. Oktober im Design Center Linz unter: https://www.wko.at/oe/cabledays/programm)

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