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Manche der Arbeiten kommen knallig, vordergründig daher, verbreiten Optimismus, manche berühren in ihrer Dramatik. Aber doch strahlen alle Werke eine gewisse Haltung der Selbstwirksamkeit aus, zeigen, dass Engagement nicht fatalistisch sein muss, sondern eine Form der Hoffnung bedingen kann. "Ich habe Menschen angesprochen, die sich selbst vielleicht gar nicht als Künstlerinnen oder Künstler definieren würden", umriss Christian Bazant-Hegemark am Mittwoch bei der Präsentation seinen Ansatz für die Ausstellung, die er gemeinsam mit Esther Hladik, geborene Mlenek, kuratiert hat. Entsprechend finden die meisten der Ausgestellten am Kunstmarkt nicht statt.
Dazu gehört etwa der Aktivist Christoph Schwarz, der mit seinem Cabrio-Beet im öffentlichen Raum in Wien bekannt wie ein bunter Hund ist. Sein Originalcabrio wollte er nicht für die Schau zur Verfügung stellen, um es nicht in den Kunstkontext zu bringen. Nun findet sich ein Miniaturauto mit entsprechendem Bewuchs am Boden. Gleich ganz zerlegt ist der Mercedes, den die Romakünstlerin Selma Selman mit ihren "Six Pieces of Mercedes" als Leinwand verwendet. Die documenta-Künstlerin engagiert sich gegen die Diskriminierung insbesondere von Roma-Mädchen.
Bunt-poppig und mit Witz und Frechheit kommen die großformatigen Arbeiten von Florine Imo daher, die urwüchsige Frauenkraft mit canidem Witz verbindet. Stilistisch sind Nazim Ünal Yilmaz' in grellfarbigem Öl gehaltene Gemälde hier nicht entfernt, offenbaren aber erst auf den zweiten Blick die Dramatik hinter bewusst gewählten, teils kitschigen Motiven als Anklage des Patriarchats. Einen zweiten Blick erfordern auch die Tonskulpturen von Veronika Dirnhofer, die aber insofern auf die Klimakrise reagieren, als dass sie nur bei schönem Wetter mittels Solarbrennofen gefertigt werden können.
Am anderen Ende des Emotionenspektrums findet sich hingegen etwa Darrel Toulon mit seinem Tanzprojekt "In the Name of the Father", bei dem er mit Menschen zusammenarbeitete, die infolge von Kriegsvergewaltigungen gezeugt wurden. Noch beklemmender ist der Bilderzyklus von Laurent Ziegler, der in "Die Erinnerung an meine Kindheit" mittels abstrahierter Konstellationen von Föten und Phalli die Missbrauchserfahrungen als Kind aufarbeitet. Die beiden Künstler finden sich auch im umfangreichen Begleitprogramm zur Ausstellung, wenn Ziegler die englischsprachige Ausgabe seines Buches präsentiert oder Toulon einen Workshop anbietet.
So gestaltet sich "Substanz" letztlich als Ausstellung mit Witz, Charme und dem gelegentlichen Schlag in die Magengrube. Eine Schau nicht nur über, sondern auch mit Substanz.
(S E R V I C E - "Substanz" von 1. November bis 9. Februar 2025 im Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien. www.kuenstlerhaus.at)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Künstlerhaus/Dávid Tóth