von
Der erwartete Gläubiger-Andrang am Extraeingang des Landesgerichts Ried zur Berichtstagsatzung war ausgeblieben. Die Gläubiger waren im Vorfeld gebeten worden, sich vertreten zu lassen. Auch KTM-Chef Stefan Pierer kam nicht zu dem Termin. Stattdessen erschien Gottfried Neumeister, Co-CEO von Pierer Industries. Auf Fragen zahlreich wartender Journalisten sagte er nichts und bat "um Verständnis" dafür.
Begonnen hatte die Spirale der schlechten Nachrichten bereits im ersten Halbjahr, als der Mutterkonzern Pierer Mobility 373 Jobs strich - gut 300 davon am KTM-Standort Mattighofen - und wenig später noch einmal 120 bei der KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH. Für die ersten sechs Monate 2024 meldete der börsennotierte Motorrad- und Fahrradhersteller schließlich einen Umsatzrückgang von 27 Prozent auf 1 Mrd. Euro, bei einem Periodenverlust von 172 Mio. Euro. Die Finanzmarktaufsicht prüft derzeit, ob den Ad-hoc-Pflichten korrekt nachgekommen wurde. Im August kündigte man an, aufgrund von Absatzrückgängen weitere 200 Jobs abzubauen. Man habe aber "frühzeitig tiefgreifende Maßnahmen" gestartet, die im zweiten Halbjahr zu "einer deutlichen Verbesserung der Ergebnisse führen werden", war Firmenchef Stefan Pierer damals überzeugt. Dass er am Freitag nach Ried kommen wird, war nicht zu erwarten.
Es kam jedenfalls anders als damals von Pierer prognostiziert: Mitte November wurde bekannt, dass KTM einen dreistelligen Millionenbetrag benötige, es folgte die Ankündigung von neuerlich 300 Kündigungen und eines Produktionsstopps für Jänner und Februar. Ende November leitete die Pierer Industrie AG ein europäisches Restrukturierungsverfahren - ein neuartiges Vorinsolvenzverfahren - ein. Kurz darauf meldeten die KTM AG und ihre beiden Töchter Insolvenz an. 250 der mehr als 3.600 Mitarbeitenden wurden bereits gekündigt, 500 weitere sollen noch folgen. In der Belegschaft herrscht Ungewissheit, wen es treffen wird. Nachdem auch eine Tochterfirma der insolventen KTM Components GmbH, die Vöcklabrucker Metallgießerei GmbH, einen Konkursantrag gestellt hat, verlieren dort zusätzlich 134 Menschen ihre Jobs.
Die Mitarbeitenden bei KTM warten immer noch auf ihre November-Gehälter und das Weihnachtsgeld - beides bekommen sie aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds - sowie auf die Dezember-Entgelte, die von der Firma versprochen, aber bisher noch nicht ausbezahlt wurden. Für jene, die von der Kündigung bedroht sind, bauen AMS und Land Oberösterreich eine Insolvenzstiftung auf.
Der angekündigte Produktionsstopp wurde vorgezogen, die Fertigung in Mattighofen steht seit Freitag voriger Woche still. Im Jänner und Februar erfolgt dann die bereits angekündigte Betriebsunterbrechung - mit Lohn-und Gehaltskürzung - wegen des hohen Lagerbestands. Wie berichtet stehen bei KTM rund 130.000 Motorräder auf Lager, die zumindest teilweise nicht der ab kommenden Jahr geltenden Euro5+ Abgasnorm entsprechen sollen. Als Insolvenzursache verwies das Unternehmen aber unter anderem auf gestiegene Standortkosten und auf die Rezession.
Laut Gläubigerschutzverbänden hat KTM Schulden in der Höhe von mindestens 1,8 Mrd. Euro angehäuft, davon soll ein Großteil von rund 1,3 Mrd. Euro Banken betreffen. Gläubiger können noch bis spätestens 16. Jänner ihre Forderungen anmelden. Die Prüfungstagsatzung wurde für den 24. Jänner, die Abstimmung über den Sanierungsplan für 25. Februar anberaumt. Den Gläubigern wird im Sanierungsplan eine Quote von 30 Prozent zahlbar innerhalb von zwei Jahren angeboten.