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Klimagipfel-Abschlussentwurf ohne konkrete Summe

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Konferenz soll eigentlich am Freitag zu Ende gehen
©APA/APA/AFP/ALEXANDER NEMENOV
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In der Debatte um die Zukunft der Klimafinanzierung ist auf der UNO-Klimakonferenz in Baku weiterhin kein Kompromiss in Sicht. Im Streit über die Aufstockung von Klimahilfen zugunsten ärmerer Staaten hat die Präsidentschaft Aserbaidschans einen Beschlussentwurf vorgelegt - allerdings ohne konkrete Summen. "Das ist eine Zusammenfassung von Differenzen, das ist keine Basis, auf der wir weiterarbeiten können", sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Donnerstag.

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Im zehnseitigen Papier, das am frühen Morgen veröffentlicht wurde, bleiben auch weitere Streitpunkte ungelöst. Die EU hat die Beschlussvorlagen umgehend zurückgewiesen. Die Präsidentschaft hat nach der deutlichen Kritik mit dem Aufruf zu einer Versammlung reagiert. In der nach lokaler Tradition "Kurultai" bezeichneten Runde sollte am Donnerstagmittag in Baku versucht werden, die teils weit auseinander liegenden Positionen zusammenzuführen. Auf Grundlage dieser Gespräche sollten dann im Anschluss neue Entwürfe für die Beschlusstexte erarbeitet werden, hieß es.

Am späten Donnerstagabend fanden noch zahlreiche Gespräche zwischen den Verhandlern statt. Aus gut informierten Kreisen erfuhr die APA, dass erst im Laufe des Freitags mit einem neuen Entwurfstext zu rechnen ist. Mit einer Einigung am Freitag, dem offiziellen Schlusstag der COP, sei nicht zu rechnen.

"Scheitern ist keine Option", mahnte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der zum Schlussspurt der Konferenz zurück nach Aserbaidschan gereist ist. Die Konferenz müsse ein neues Ziel für Klimahilfen festlegen, das dem Bedarf der Entwicklungsländer entspreche - damit diese wiederum Klimaziele vorlegen könnten, die das wichtige 1,5-Grad-Ziel in Reichweite halten. "Diese Konferenz muss im Angesicht der Klimakatastrophe Gerechtigkeit herstellen", betonte Guterres. "Die Gelder sind keine Almosen. Sie sind eine Investition gegen die verheerenden Folgen, die ein unkontrolliertes Klimachaos für uns alle mit sich bringt."

Die EU hat die ersten Beschlussvorlagen zurückgewiesen. "Das ist eindeutig unannehmbar, so wie es jetzt aussieht", sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra zuvor am Vormittag auf der COP29. Da gebe es für ihn "nichts zu beschönigen". Im Text fehlte etwa eine klare Festlegung zur Frage, ob weiter ausschließlich die klassischen Industriestaaten Geldgeber bleiben oder auch wohlhabende Schwellenländer wie China und die reichen Golfstaaten zu Zahlungen ermuntert werden.

In dem Textentwurf zum neuen Finanzrahmen für die Jahre von 2025 bis 2035 steht anstelle eines Betrages in einer Textversion ein nicht näher bezifferter Billionenbetrag, was Forderungen der Entwicklungsländer entspräche. In einer alternativen Option wird lediglich als Minimalbetrag die Summe von 100 Milliarden Euro jährlich genannt, zu deren Zahlungen an Entwicklungsländer sich die Industriestaaten bisher für die Jahre ab 2020 verpflichtet hatten.

Während bei Klimakonferenzen der erste Entwurf, der üblicherweise am Donnerstag präsentiert wird, traditionell noch nachverhandelt wird, sei die Lage heuer besonders prekär. "Für diesen Status eines Textes ist die Zeit schon sehr weit, ich würde sogar sagen zu weit, fortgeschritten", so Gewessler. Es würden mehr "unversöhnliche Versionen als Kompromisse im Text stehen".

Auch die österreichischen Jugenddelegierten bei COP29 zeigten sich enttäuscht über den Beschlussentwurf und das Fehlen konkreter Summen für die Klimafinanzierung. "Die großen Fragen sind immer noch offen", sagte Sigrid Karl der APA. Die 24-Jährige, die an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) studiert, fordert eine starke Sprache im finalen Abschlusstext.

In einer Textversion ist gemäß Forderungen der Industrieländer von einer breiteren Basis für die künftig beabsichtigten höheren Einzahlungen die Rede. Zwar sollten Industriestaaten weiterhin "die führende Rolle" einnehmen, genannt werden hier aber auch "Anstrengungen weiterer Staaten", die zu Einzahlungen "wirtschaftlich fähig" sind. Zudem werden Beiträge aus dem Sektor fossiler Brennstoffe angeregt nach dem Grundsatz "Der Verursacher zahlt" sowie Einnahmen aus dem Emissionshandel. Es sei fraglich, ob diese Passagen letztlich akzeptiert würden, äußerte sich Germanwatch allerdings zurückhaltend.

Mit Blick auf die Treibhausgasemissionen ist in einem Papier von einer Abkehr von fossilen Brennstoffen die Rede. Insgesamt bleiben Aussagen in diesem Bereich aber vage. Auch die Beschlüsse der Vorgängerkonferenz zur Verdreifachung erneuerbarer Energien und der Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 werden nicht ausdrücklich erwähnt, es gibt nur indirekte Verweise.

Über die Textentwürfe wird nun weiter verhandelt. Die Entwicklungsländer fordern jährliche Zahlungen von 1,3 Billionen Euro, vorrangig aus Mitteln der Industriestaaten. Diese legten sich bisher nicht fest. In Konferenzkreisen ist von einem kleineren dreistelligen Milliardenbetrag die Rede, was durch eine Ausweitung der Geberbasis ergänzt werden könnte. Mehrere entwicklungspolitische Verbände forderten vor allem die Industriestaaten auf, sich bei den Finanzfragen stärker zu bewegen.

Die Mammutkonferenz mit Zehntausenden Teilnehmern aus fast 200 Staaten tagt seit dem 11. November - bis Freitag soll ein Konsens gefunden werden. Zentraler Streitpunkt ist, wie stark die Finanzhilfen an Entwicklungs- und Schwellenländer aufgestockt werden. Der Bedarf an externen Hilfen beträgt laut einer unabhängigen UNO-Expertengruppe bis 2030 rund eine Billion US-Dollar pro Jahr - und sogar 1,3 Billionen bis 2035. Das wären zehn- bis 13-mal mehr als bisher an Klimahilfe fließt.

"Der Entwurfstext enthält eine Option, die zu Recht anerkennt, dass Billionen benötigt werden. Gleichzeitig ist kein konkreter Betrag für das Klimafinanzierungsziel festgelegt. Das ist eine Missachtung der Bedürfnisse von Millionen von Menschen, die bereits heute unter der Klimakrise leiden", sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace der APA.

Sabine Minninger, Klimaexpertin von Brot für die Welt, nannte den neuen Verhandlungstext enttäuschend. Einen Tag vor dem offiziellen Ende der COP29 seien die Industriestaaten immer noch nicht bereit, über konkrete Zuschüsse zu reden.

Klargestellt wird in dem Textentwurf immerhin, dass zumindest die Unterstützung für die Anpassung an die fatalen Folgen der Klimakrise und die Mittel für den Ersatz von Schäden und Verlusten vorrangig als Zuschüsse fließen soll - und nicht etwa über Kredite, die die Schuldenlast armer Staaten noch vergrößern.

Im Streit über die Höhe künftiger Zahlungen hatte die EU zuletzt auf die Bremse getreten und betont, man werde erst konkrete Summen anbieten, wenn andere Schlüsselfragen geklärt seien. Der Staatenverbund pochte darauf, dass Länder wie China und die Golfstaaten, die viel Geld mit Öl, Gas und Kohle verdient haben, ebenfalls Geld beitragen. Noch gelten diese, und etwa auch Indien, nach einer 30 Jahre alten UNO-Einstufung aber als Entwicklungsstaaten - und damit als Empfängerländer.

Die Entwicklungsländer reagierten am Donnerstag damit, dass sie eine Erhöhung der jährlichen Zahlungen der Industriestaaten auf "mindestens" 500 Milliarden Dollar (475 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2030 forderten. Das machte der Vertreter der Gruppe G77 plus China, der ugandische Unterhändler Adonia Ayebare, in den Beratungen deutlich. Zuvor hatten die Entwicklungsländer Zahlungen von 1,3 Billionen Dollar bis zum Jahr 2035 gefordert. Die nun genannte Summe wäre somit ein Zwischenziel.

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