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ImPulsTanz holt Kentridges Klassiker "Ursonate" nach Wien

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Kentridges "Ursonate" umtanzt Sinnhaftigkeit der Sprache
©APA/ImPulsTanz/APA/Paula Court
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Worte ohne Sinn, doch keinesfalls sinnlose Worte: William Kentridges Lecture Performance "Ursonate" hüllt das gleichnamige Dada-Gedicht von Kurt Schwitters in eine multimediale Vorstellung, die Krieg anprangert und die Bedeutung von Sprache prüft. Unter Beifall und Lachen feierte der südafrikanische Allroundkünstler am Mittwochabend im Odeon Theater seine Österreichische Erstaufführung - nach "The Great Yes, The Great No" heuer bereits die zweite im Rahmen von ImPulsTanz.

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In seinem Standard-Outfit - einer dunklen Hose und einem weißen Hemd - tritt Kentridge vor eine Projektionsfläche, nimmt seinen Platz hinter dem Stehpult ein, setzt seine Brille auf und öffnet ein Buch. Die Leinwand zeigt ebenfalls ein Schriftstück. Der Vortrag beginnt. An sich nichts Sonderbares - würden die ersten Worte nicht "Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee" lauten. Die Unverständlichkeit seiner Erläuterungen scheint den Künstler, dessen Repertoire von Theater über Film bis zu Malerei reicht, jedoch nicht zu beirren.

Er spricht selbstsicher, macht Denkpausen, verlässt gelegentlich sein Pult und hält bei dynamischer Gestikulation Blickkontakt mit dem Publikum. Seine Satzvariationen bewegen sich dabei am Rande der Bedeutung, umtanzen die Sinnhaftigkeit. "GIF", "Zucker", "Rakete", meint man zu vernehmen - natürlich ein Irrtum. Doch auch ohne Verständnis für die Sprache lassen sich Fragen, Feststellungen, Pointen erkennen. Denn Kentridge spielt mit Sprechgeschwindigkeit, Tonhöhe und Sprachmelodie und fesselt so die Zusehenden.

Bemerkenswert ist, wie er die vermeintlichen Worte in ihrer Wiederholung mit wechselnden Emotionen und Bedeutungen auflädt, die Dramatik seines Vortrags phasenweise steigert, um zu einer antizipierten - ja fast schon erleichternden - Pointe zu kommen, die bereits das Mal zuvor keinen Sinn ergeben hat. Eine Entkoppelung von Sprache und Sinn.

Hinter den scheinbar bedeutungslosen Fantasieworten verbirgt sich Kritik, die heute zweifelsohne genauso angebracht ist wie zur Entstehungszeit von Schwitters' "Ursonate" (1923-1932). Im Kontext des Ersten Weltkriegs drückte die in der Schweiz entstandene Kunstrichtung des Dadaismus Widerstand gegen die Situation Europas und die Normen der Kunst aus. Diesen Hintergrund lässt Kentridge über Projektionen selbst gemachter Stop-Motion-Arbeiten in das multimediale Werk (ursprünglich eine Auftragsarbeit der Performa Biennial, uraufgeführt im Rahmen des Performa 17 Festival) - einfließen.

Seine Kohlezeichnungen - vom Selbstporträt bis hin zu geometrischen Formen - sowie Textfetzen wirbeln über die Animation der rasch blätternden Buchseiten. Explosionen, kriegerische Verwüstung, der wiederholte Fall eines Soldaten mischen sich unter die Bilder. Selbst die Balletttänzerin, die eine lose Verbindung zum ImPulsTanz-Rahmen herstellt, trägt ein Gewehr.

Plötzlich erhebt sich inmitten des Vortrags im Publikum ein Mitperformer, unterbricht und widerspricht lautstark - wenngleich unverständlich. Eine hitzige Diskussion entsteht. "kwii Ee", einigen sich die beiden, ehe weitere Performende die Bühne betreten, um das Stück mit einer Kadenz enden zu lassen, für die Kentridge üblicherweise Musikschaffende aus aller Welt einlädt. Diesmal sind es Musiker und Musikerinnen aus "The Great Yes, The Great No", die abermals eine Steigerung in Dramatik, Lautstärke und Tempo erzeugen. Doppeldecker erscheinen auf der Projektionsfläche, das Cello ahmt ihre Fluggeräusche nach, die Wortkreationen erinnern in ihrer Härte an Bombenabwürfe. Rhythmische Bewegungen vor tänzerischen Projektionen schlagen eine abschließende Brücke zum Tanz-Festival. Mit dem Zuklappen des Buches endet die knapp 45-minütige Vorstellung eher abrupt.

Neben seinem reflexiven Wert bot der Abend auch eine humoristische Komponente. Denn Kentridges "Worte" weckten wohl im Großteil des Publikums Erinnerungen an unverständliche Vorträge oder Vorlesungen, bei denen der Redner genauso gut "Rakete bee bee, Rakete bee zee" hätte sagen können. Die Begeisterung für Kentridges Kauderwelsch ließ viele Zusehende auch nach der Vorstellung Schwitters zitieren. Die Fantasiesprache ist angekommen. Und die Kritik am Krieg?

(Von Selina Teichmann/APA)

(S E R V I C E - ImPulsTanz: "Ursonate" von William Kentridge. Libretto nach Kurt Schwitters' "Ursonate". Mit William Kentridge und Performenden aus "The Great Yes, The Great No": Anathi Conjwa, Marika Hughes, Nhlanhla Mahlangu, Nathan Koci. Bühnenbild: Sabine Theunissen. Auftragsarbeit der Performa Biennial, uraufgeführt im Harlem Parish, New York City, im Rahmen des Performa 17 Festival (US). )

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/ImPulsTanz/APA/Paula Court

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