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Hisbollah-Chef: Israel hat "alle roten Linien überschritten"

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Rede des Hisbollah-Chefs war mit Spannung erwartet worden
©APA/APA/AFP/ANWAR AMRO
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Nach der Explosion hunderter Kommunikationsgeräte der pro-iranischen Hisbollah im Libanon hat der Chef der schiitischen Miliz mit "harter Vergeltung" gedroht. Israel werde seine "gerechte Strafe" erhalten, sagte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah am Donnerstag in einer Fernsehansprache. Mit den Explosionen, bei denen nach Regierungsangaben mindestens 37 Menschen getötet und mehr als 2.900 weitere verletzt wurden, habe Israel "alle roten Linien überschritten".

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Die Anschläge am Dienstag und Mittwoch könnten als Kriegserklärung aufgefasst werden, betonte er in der mit Spannung erwarteten Rede weiter. Ob es tatsächlich zu einem offenen Krieg zwischen der radikal-islamischen Miliz und dem israelischen Militär kommen wird, ließ er zunächst offen.

Die Hisbollah werde ihre seit elf Monaten andauernden Angriffe auf israelisches Gebiet nicht einstellen, solange Israel weiter im Gazastreifen Krieg gegen die verbündete Hamas führe, sagte Nasrallah. Die vor den Kämpfen geflohenen Bewohner Nordisraels könnten nicht in ihre Heimat zurückkehren: "Keine militärische Eskalation, keine Tötungen, keine Morde und auch kein umfassender Krieg können die Bewohner wieder ins Grenzgebiet zurückbringen."

Nasrallah warf Israel versuchten "Völkermord" vor. "Innerhalb von zwei Tagen und binnen einer Minute pro Tag hat Israel darauf abgezielt, mehr als 5.000 Menschen zu töten", sagte er in seiner Rede. "Dieser kriminelle Akt kommt einer Kriegserklärung gleich", so Nasrallah. "Die Bestrafung wird kommen." Wann, wo und wie werde man sehen, wenn der Zeitpunkt gekommen sei.

Nasrallah, wie auch Militär- und Geheimdienstexperten, sehen Israel als Drahtzieher hinter den Explosionen. Die Regierung in Jerusalem hat sich zu den Vorfällen weder bekannt noch eine Verantwortung dementiert. Der Hisbollah-Chef kündigte eine interne Untersuchung an.

Israel will durch militärischen und diplomatischen Druck erreichen, dass der Beschuss des Nordens aufhört und die Hisbollah sich wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UNO-Resolution vorsieht. Danach sollen rund 60.000 Menschen, die sich aus der Grenzregion zum Libanon in andere Landesteile in Sicherheit bringen mussten, in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren können.

Nasrallah sagte weiter, es bestehe kein Zweifel, dass die Hisbollah einen schweren Schlag erlitten habe. Er sei "in der Geschichte unseres Widerstands und vielleicht in der Geschichte des Konflikts mit dem Feind beispiellos". Der Hisbollah sei bewusst, dass Israel technologisch überlegen sei - "insbesondere, weil es von den USA und dem Westen unterstützt wird".

Während Nasrallahs Rede im Fernsehen lief, ging der gegenseitige Beschuss an der israelisch-libanesischen Grenze unvermindert weiter. Zwei israelische Soldaten wurden bei Angriffen aus dem nördlichen Nachbarland getötet. Die israelische Armee teilte mit, ein 20 Jahre alter Soldat und ein 43 Jahre alter Reservist seien im Norden des Landes gefallen.

Die Hisbollah greift seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr Ziele in Israel an, nach eigener Aussage aus Solidarität mit der islamistischen Hamas. Sie will die Angriffe erst bei einer Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel einstellen. Der fast tägliche Beschuss hat sich zu einem niedrigschwelligen Krieg entwickelt. Im Libanon wurden etwa 600 Menschen getötet, die meisten davon Hisbollah-Mitglieder. In Israel kamen offiziellen Angaben zufolge 48 Menschen durch die Angriffe der schiitischen Miliz ums Leben, darunter Soldaten, aber auch viele Zivilisten.

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi genehmigte nach Militärangaben Pläne "für die Fortsetzung des Kriegs" an der nördlichen Front. Genauere Details nannte die Armee nicht. Es war lediglich die Rede von "Plänen für die nördliche Arena", mit Blick auf das Nachbarland Libanon.

Halevi hatte bereits am Mittwoch gesagt, Israel sei sehr entschlossen, sichere Bedingungen für die Rückkehr von rund 60.000 israelischen Einwohnern in das Grenzgebiet zum Libanon zu schaffen. "Wir haben noch viele Fähigkeiten, die wir bisher noch nicht eingesetzt haben", so Halevi. Man habe bereits Pläne für die nächsten Phasen.

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant kündigte eine Fortsetzung der Angriffe auf die libanesische Hisbollah-Miliz an. "Die Hisbollah fühlt sich verfolgt", sagte Gallant nach Angaben seines Büros. "Die Serie unserer Militäraktionen wird weitergehen."

Gallant sagte bei einer Sitzung mit ranghohen Vertretern des Militärs und der Geheimdienste: "In der neuen Phase des Krieges gibt es wichtige Gelegenheiten, aber auch erhebliche Risiken." Bei der Beratung sei es um verschiedene Szenarien im Kampf gegen die Hisbollah gegangen. Ziel sei eine Rückkehr der Einwohner des israelischen Nordens in ihre Wohnorte. "Mit der Zeit wird die Hisbollah einen wachsenden Preis zahlen."

Der französische Präsident Emmanuel Macron telefonierte seinem Büro zufolge mit hochrangigen Politikern und Militärs im Libanon. Sie sollten auf die Hisbollah-Miliz einwirken, eine Eskalation zu vermeiden. US-Außenminister Antony Blinken erklärte kurz darauf, man teile die Haltung Frankreichs. Nach Ansicht seiner Regierung sei ein Waffenstillstand weiter möglich und notwendig. Keine der Konfliktparteien solle eine Eskalation herbeiführen, die ein solches Abkommen erschweren würde.

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