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Hilfe für Hochwasseropfer in Österreich angelaufen

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Bundespräsident machte sich Bild von der Lage in Tulln
©APA/APA/NLK/GERHARD PFEFFER
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Die Bundesregierung stellt nach der Hochwasserkatastrophe weitere Mittel zum Wiederaufbau zur Verfügung. Bereits am Vortag hat das schwer betroffene Niederösterreich erste Hilfen erhalten, hier fließen 45 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds. Der Fonds selbst wird auf eine Milliarde Euro aufgestockt, gaben Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Mittwoch bekannt. Im schwer getroffenen Niederösterreich haben die Aufräumarbeiten begonnen.

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Mit der Aufstockung des Katastrophenfonds soll den Betroffenen schnell und unbürokratisch geholfen werden, hieß es von Regierungsseite. Es sollen sowohl Schäden von Privatpersonen als auch Unternehmen ersetzt werden, auch Mittel für beschädigte Infrastruktur von Gemeinden und Bundesländern werden damit bereitgestellt, hieß es. Auch Vorschüsse werden gewährt. Bisher betrug die Höhe des Fonds 620 Millionen Euro, davon wurden 300 Millionen Euro noch nicht verbraucht, hieß es auf Nachfrage aus dem Kanzleramt zur APA. Die Abwicklung der Hilfen werde über die Gemeinden erfolgen.

Um unmittelbare Schäden beim Hochwasserschutz zu reparieren, ist ein zehn Millionen Euro Soforthilfe-Paket für die Sanierung von entsprechenden Einrichtungen und Dämmen vorgesehen - ebenfalls aus dem Katastrophenfonds, wie Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in einer Aussendung präzisierte. Insgesamt soll in den kommenden Jahren (2024 bis 2027) bis zu rund eine Milliarde Euro in den Hochwasserschutz investiert werden.

Bundeskanzler wie auch Vizekanzler dankten bei der Pressekonferenz einmal mehr allen Helfern und Einsatzkräften für die geleistete Hilfe. Auch wolle er allen Betroffenen noch einmal versichern, "dass wir alles in unserer Macht stehende tun, die Folgen abzufedern", sagte Nehammer. Gefragt nach seinen früheren - teils scharf kritisierten - Aussagen, wonach er bei Klimafragen gegen "Untergangsszenarien" sei, sagte Nehammer, dies habe sich darauf bezogen, "dass ich nichts von Untergangsszenarien an sich halte". Nur mit Innovation und Tatendrang könne man dem Klimawandel begegnen, verwies er etwa auf Holland, das ja einen Meter unter dem Meeresspiegel liege. "Ich bin weiter gegen Untergangsszenarien", denn aus Angst entstehe nichts Produktives, sondern es brauche die "kreative Kraft".

Auch sei bereits Kontakt zu betroffenen Nachbarländern und der EU-Kommission aufgenommen worden, um die Aktivierung des EU-Solidaritätsfonds zu prüfen, so Nehammer. Der Bundeskanzler wird am morgigen Donnerstag zu einem Hochwasser-Gipfel nach Polen reisen. Der polnische Premierminister Donald Tusk hat zu diesem Gipfel nach Breslau (Wroclaw) eingeladen, bei dem die Regierungschefs der betroffenen Länder über Schutzmaßnahmen und den Wiederaufbau beraten. Neben Nehammer werden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie die Regierungschefs der Slowakei und Tschechiens, Robert Fico und Petr Fiala daran teilnehmen.

In Niederösterreich hat sich die Hochwassersituation am Mittwoch weiter entspannt. Die Pegel waren großteils im Sinken. Die Aufräumarbeiten nach Überschwemmungen gingen weiter. Bundespräsident Alexander Van der Bellen stattete am Mittwoch dem Landesführungsstab in Tulln einen Besuch ab. Das Staatsoberhaupt machte sich ein Bild von der Lage in Niederösterreich und ließ sich von der Einsatzleitung über die aktuelle Situation in Kenntnis setzen, berichtete der Landespressedienst. Van der Bellen richtete seinen großen Dank an die Einsatzkräfte und drückte gegenüber den Betroffenen seine Anteilnahme aus.

Mit den fallenden Pegeln werde auch "das Ausmaß der verheerenden Schäden immer sichtbarer", teilte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) mit. "Für die Einsatzkräfte war die heutige Nacht im Vergleich zu den letzten Nächten vergleichsweise ruhig", berichtete Pernkopf, der Einsatzleiter des Landesführungsstabs. Am Mittwoch laufen die Aufräumarbeiten laut dem Landesvize "voll an", insgesamt stehen 18 Katastrophenhilfsdienstzüge im Einsatz: "1.300 Soldatinnen und Soldaten helfen mit Hubschraubern, schwerem Gerät und im Rahmen des Assistenzeinsatzes, heute kommen zusätzliche Pionier-Kräfte aus Salzburg dazu."

Fast 1.400 Objekte wurden den Angaben zufolge insgesamt bisher vorsorglich evakuiert. 87 Personen wurden mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht. 18 Ortschaften bzw. Gebiete waren am Mittwoch nicht erreichbar, der Schwerpunkt der betroffenen Gebiete lag im Tullnerfeld und im Pielachtal. Es kam zu 20 Dammbrüchen. Seit Beginn der starken Regenfälle standen 38.643 Kräfte im Einsatz.

Die Landespolizeidirektion Niederösterreich warnte allerdings Opfer des Hochwassers vor Diebstahl und vor Dienstleistungsbetrugsversuchen. Bereits am Dienstag hätten zwei Männer in Pixendorf (Bezirk Tulln) Heizungsklappenreinigung zu überhöhten Preisen angeboten. "Unglaublich, wie schnell Kriminelle die Notlage von Geschädigten ausnutzen", sagte Polizeisprecher Johann Baumschlager. Er berichtete zudem von ersten Diebstählen und Fällen illegaler Sperrmüllsammlung am Mittwoch im Raum St. Pölten.

Auch in Wien kehrte im stark betroffenen öffentlichen Verkehr wieder Normalität ein. Die Wiener U-Bahnen laufen seit Mittwochfrüh wieder im Normalbetrieb, teilten die Wiener Linien der APA mit. Unwetterbedingt waren in der Nacht auf Sonntag Teilstrecken der U2, U3, U4 und U6 gesperrt worden. Nun sind alle Linien ab Betriebsbeginn wieder durchgängig unterwegs. Allerdings kommt es noch auf der U4 im Bereich zwischen den Stationen Schottenring und Schwedenplatz sowie zwischen Pilgramgasse und Kettenbrückengasse zu Langsamfahrstellen.

Auch die am Montag wegen der heftigen Regenfälle gesperrten mehr als 1.000 Parkanlagen der Wiener Stadtgärten öffnen seit Mittwoch schrittweise wieder. Diese Vorsichtsmaßnahme wurde von der Stadt Wien ergriffen, da der stark durchnässte Boden die Standsicherheit selbst gesunder Bäume beeinträchtigte. So wurden in den Parkanlagen der Wiener Stadtgärten seit Samstag bereits über 450 Bäume entwurzelt.

Auch die Sperre der gesamten Donau für jede Form des Schiffsverkehrs wurde Mittwochfrüh streckenweise wieder aufgehoben. Stromaufwärts bis zur deutschen Grenze ist die Schifffahrt wieder möglich, wie das Mobilitätsministerium mitteilte. Weiterhin beeinträchtigt ist allerdings der Abschnitt ab Ennshafen-Wallsee: Dort ist die Sperre weiter aufrecht. In diesem Gebiet ist eine Weiterfahrt oder Ab- und Anlegen verboten.

Die extremen Regenfälle am vergangenen Wochenende haben beim Wienfluss zu einem 1.000-jährlichen Hochwasser geführt, haben Datenanalysen der Abteilung Wiener Gewässer (MA 45) ergeben, die nach dem Rückgang der enormen Wassermassen durchgeführt worden sind. Größere Schäden im Stadtgebiet wurden laut Aussendung der MA 45 aufgrund der sechs Rückhaltebecken im Auhof zwischen dem 13. und 14. Gemeindebezirk mit einer Speicherkapazität von 1.160.000 Kubikmetern verhindert.

Am Freitag wird der Wiener Gemeinderat auf Antrag der Grünen im Rahmen einer Sondersitzung über die jüngsten Ereignisse diskutieren. Im Vorfeld forderte Grünen-Chef Peter Kraus am Mittwoch eine Prüfung des Hochwasserschutzes vor allem entlang des Wienflusses. Auch umfassende Renaturierungsmaßnahmen sowie der Verzicht auf die Lobau-Autobahn wurden urgiert.

Im Burgenland war die Lage an der hochwasserführenden Leitha im Bezirk Neusiedl am See am Mittwoch noch angespannt. Die Brücke zwischen Potzneusiedl und dem niederösterreichischen Deutsch Haslau war aufgrund des Hochwassers gesperrt, teilte das Landesmedienservice Burgenland mit. In den Bezirken Eisenstadt Umgebung und Mattersburg gab die Behörde indes Entwarnung. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach sich angesichts der jüngsten Unwetter für die Implementierung einer Katastrophen-Versicherung aus. Als Vorbild hierfür soll die vom Bund, den Ländern sowie Landwirten finanzierte Hagelversicherung dienen. Die Gelder aus dem Katastrophenfonds würden nämlich lediglich einen Teil der entstandenen Schäden abdecken, erklärte er im APA-Gespräch.

In Oberösterreich waren indes die Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser fast abgeschlossen. Im besonders betroffenen Bezirk Perg sei schon viel getan, allein der Machlanddamm bleibt noch stehen, da der Abbau aufwendig ist und dafür viele Ehrenamtliche gebraucht werden, berichtete der Sprecher des Landes-Feuerwehrkommandos Markus Voglhuber. "In Uttendorf und Mauerkirchen im Bezirk Braunau gibt es noch Überflutungen, weil der Grundwasserspiegel weiter hoch ist", so Voglhuber. Deswegen werde mit dem Abpumpen noch zugewartet, bis dieser zurückgeht.

Die Wasserstände an Inn und Donau gehen zurück, einzig in Mauthausen war die Warngrenze noch überschritten, "die Donau wird sie aber im Lauf des Tages noch unterschreiten", war Christian Wakolbinger vom Hydrografischen Dienst des Landes sicher. "Die Pegel sind überall im Sinken, im Mühlviertel und im Salzkammergut gibt es noch erhöhte Wasserführung im Ausmaß eines einjährlichen bis fünfjährlichen Ereignisses."

Im Vergleich zu bisherigen fünftägigen Extremereignissen hat es in Wien, Nieder- und Oberösterreich in den vergangenen Tagen um etwa 25 bis 160 Prozent mehr geregnet. Von Donnerstag bis Montag waren es regional bis zu 300 und stellenweise sogar knapp über 400 Millimeter, besonders in Teilen von Niederösterreich, berichtete Geosphere Austria am Mittwoch. Starkregen ist in vielen Regionen Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten häufiger und intensiver geworden, wurde betont.

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