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Ex-BVT-Beamter Egisto Ott enthaftet

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Ott hat die Justizanstalt Josefstadt bereits verlassen
©APA/APA (Archiv/Neubauer)/HERBERT NEUBAUER
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Der am 29. März unter Spionage-Verdacht fest- und in weiterer Folge in U-Haft genommene frühere Verfassungsschützer Egisto Ott befindet sich wieder auf freiem Fuß. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab am Mittwoch einer Haftbeschwerde des ehemaligen Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Folge und ordnete die Enthaftung Otts an.

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Dieser Beschluss wurde unverzüglich umgesetzt. "Er hat vor rund einer Stunde die Justizanstalt Josefstadt verlassen", bestätigte der Sprecher des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Christoph Zonsics-Kral, zu Mittag auf APA-Anfrage. Darauf bei einer Pressekonferenz nach dem Ministertreffen des Forum Salzburg in Laxenburg angesprochen, meinte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): "Ich habe relativ wenig Verständnis dafür, wenn dem so sein soll. Herrin des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft, ist die Justiz."

Das OLG begründete seine Entscheidung in einer Pressemitteilung damit, der dringende Tatverdacht bestünde "weitgehend", aber der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr sei nicht mehr gegeben. "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nach einer früheren Untersuchungshaft Anfang des Jahres 2021 weitere Straftaten verübt hat. Die Fakten, auf die sich der dringende Tatverdacht bezieht, liegen vor der seinerzeit verhängten Untersuchungshaft", hieß es in der Medienerklärung.

Untersuchungshaft dürfe nur verhängt werden, wenn sowohl ein dringender Tatverdacht als auch zumindest einer von drei im Gesetz genau definierten Haftgründe - Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und Tatbegehungsgefahr - gegeben sei, erläuterte OLG-Sprecher Reinhard Hinger im Detail. Das Landesgericht für Strafsachen, das am 30. März dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der U-Haft gefolgt war, hatte Verdunkelungsgefahr und Tatbegehungsgefahr angenommen. Bei Verdunkelungsgefahr darf die U-Haft ex lege nicht länger als zwei Monate dauern - dieser Zeitraum ist inzwischen verstrichen. Bei angenommener Tatbegehungsgefahr ist die U-Haft nicht auf zwei Monate limitiert - für das OLG liegt dieser Haftgrund aber nicht mehr vor.

Gegen Ott wird von der Staatsanwaltschaft Wien seit 2017 wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs, Verletzung des Amtsgeheimnisses und weiterer Delikte ermittelt. Otts Festnahme am Karfreitag waren Informationen vorangegangen, dieser habe Diensthandys von drei damaligen Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) dem russischen Inlandsgeheimdienst übergeben. Auf den Handys der drei Spitzenbeamten sollen sich jedenfalls Amtsgeheimnisse, aber keine speziell klassifizierten Dokumente befunden haben.

Die Geräte waren bei einem Bootsausflug des Innenministeriums am 10. Juli 2017 ins Wasser gefallen, als ein Kanu kenterte. In weiterer Folge wurden sie zur Datenrettung ins BVT gebracht, wobei ein Forensiker zuerst eine Trocknung mit Reiskörnern vornahm. Offenbar wurde sogar versucht, einen Spezialisten aus Israel beizuziehen, um die Daten der durchnässten Handys auslesen zu können, was an dessen finanziellen Forderungen scheiterten.

Ott und der Forensiker - gegen diesen ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien wegen Veruntreuung - sollen in weiterer Folge den damaligen Sobotka-Mitarbeitern vorgemacht haben, ihre Handys wären unbrauchbar, die Daten unrettbar verloren und sie würden die Geräte daher der Vernichtung zuführen. Während bei zwei Handys vermutlich kein Zugriff auf die abgespeicherten Daten mehr möglich war, dürfte das beim dritten Gerät aber zumindest in Teilen gelungen sein. Dafür spricht ein USB-Stick, der im Februar 2021 bei einem Ex-Polizisten und Unternehmer im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellt werden konnte. Der Ex-Polizist behauptet, Ott habe ihm den USB-Stick im September 2019 in der Therme Oberlaa übergeben. Auf dem USB-Stick fand sich ein vollständiger Extraktionsbericht über die forensische Datensicherung eines Mobiltelefons, das auf Grund der gesicherten Kontakte und Chats einem der drei betroffenen früheren Sobotka-Mitarbeiter zuordenbar war.

Ott bestreitet, mit der Beschaffung der Handys etwas zu tun gehabt und diese weitergegeben zu haben. Die Handys seien ihm "in einem Kuvert in den Briefkasten in meiner Wiener Wohnung gelegt" worden, gab er nach seiner Festnahme am 30. März in seiner Beschuldigteneinvernahme zu Protokoll: "Von wem ist mir nicht bekannt. Zum Vorhalt, dass diese drei Telefone über mich (...) nach Russland verbracht wurden, bestreite ich. Diese drei Telefone habe ich irgendwann zuhause in Kärnten physisch vernichtet, sprich mit dem Fäustel zerschlagen. Danach habe ich sie in der Mülltonne entsorgt."

Der frühere BVT-Chefinspektor wird weiters verdächtigt, auch einen SINA-Laptop mit möglicherweise brisantem Datenmaterial dem russischen Geheimdienst verkauft zu haben. Das Gerät soll am 19. November 2022 in Wien mit falschen Pässen ausgestatteten Männern, die vermutlich dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB zuzurechnen waren, übergeben und über Istanbul nach Moskau zum Sitz des FSB gebracht worden sein. Den Deal eingefädelt haben soll Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mittlerweile für den russischen Geheimdienst tätig sein soll. Für den Laptop sollen im Herbst 2022 20.000 Euro bezahlt worden sein, wobei Marsalek das Geld von "laundry guys" (Geldwäscheleuten, Anm.) von Berlin nach Wien bringen ließ, wie sich aus Chats ergibt, die Marsalek mit einem inzwischen in London inhaftierten bulgarischen Geschäftsmann führte, der eine mehrköpfige, für Russland operierende Spionage-Zelle angeführt haben soll. Auf dem nach Russland transferierten Laptop dürften sich der Geheimhaltung unterliegende Daten eines EU-Staates befunden haben, ergibt sich aus dem Ermittlungsakt.

Was mit den nunmehr entdeckten SINA-Laptops, die kriminaltechnisch untersucht werden, geplant war, ist unklar. Ott soll mittlerweile gestanden haben, er wisse von insgesamt fünf SINA-Laptops, wobei sich einer "im Ausland, aber nicht in Russland" befinde. Einen hätte "einer seiner Mitarbeiter", einen weiteren "ein Journalist in Österreich". Für Egisto Ott gilt die Unschuldsvermutung.

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA (Archiv/Neubauer)/HERBERT NEUBAUER

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