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Brée, der auch einige Wiener "Tatort"-Folgen geschrieben hat, hatte für sich selbst genug von brutalen Handlungen und Darstellungen. Davon habe ja auch die Realität derzeit genug anzubieten. "Ich lese jeden Morgen die Zeitung. Als Trump wieder zum US-Präsidenten gewählt wurde, habe ich aber zwei Tage keine Zeitung gelesen. Ich wollte einfach nichts von dem ganzen Wahnsinn wissen", erzählt der Autor. Das gelte auch für TV-Serien: "Ich kann diese grauslichen Serienmörder, Thriller und ähnlich brutale Sachen nicht mehr sehen." Daraus ergibt sich seine Sympathie für Cozy Crime, auch wenn er erst vom Ueberreuter-Verlag, der seine zwei Bände "Jugendsünden" und "Klapperstorch" im September veröffentlicht hat, erfahren hat, dass die beiden Werke in diese Kategorie fallen.
"Ich bin ja selbst nicht nur Autor, ich lese ja auch und bin auch Konsument. Und daher möchte ich eher etwas schreiben, was ich selbst auch gerne lesen würde. Und da gefällt mir eine Kriminalgeschichte mit lustigen Figuren und Lokalkolorit einfach viel besser als ein Thriller mit all seinen grausigen Schilderungen", sagt Brée, für den es eine schöne Vorstellung ist, wenn jemand am Strand oder während einer Zugfahrt lachen muss, weil er oder sie gerade eines seiner Bücher liest. "Das würde ich gerne hinbekommen, dass du dir das Buch kaufst und ich dir damit ein paar Stunden Freude bereite. Das ist mir mittlerweile wichtiger als hochtrabende Literatur", führt der nun in Tirol lebende gebürtige Deutsche aus.
Geboren im Ruhrpott, zog es Uli Brée in jungen Jahren zunächst zu einer Clownausbildung nach Amsterdam und anschließend nach Wien, wo er die Schauspielschule Krauss besuchte. Seitdem hat der heute 60-Jährige eine beeindruckende künstlerische Karriere hingelegt, in der er nach der Schauspielerei vor allem als Drehbuchautor tätig war, aber auch als Regisseur - und nun eben auch als Buchautor. Für seinen Kriminalroman "Du wirst mich töten" erhielt er 2022 den Leo-Perutz-Preis.
Seine beiden neuen Bücher, in der die "Liesl von der Post" die Hauptrolle spielt, waren aber zunächst fürs Fernsehen konzipiert: am 14. und 28. Dezember werden beide Teile mit Katharina Straßer als Liesl auf ServusTV ausgestrahlt (jeweils um 20.15 Uhr) - und erst nach Verfassen der Drehbücher hat Brée die Plots zu Romanen umgewandelt. "Das ist durchaus eine Herausforderung. Zwar kannst du in der Romanversion einige Dinger besser ausformulieren und auch ein paar Kleinigkeiten zusätzlich einstreuen, du musst es aber auch so schreiben, dass Leser oder Leserin die Kamerafunktion übernehmen", beschreibt er seinen Zugang zu dieser Umwandlung.
Die Idee zur "Liesl von der Post" habe sich entwickelt, nachdem seine Serie "Aus die Maus" für ServusTV beim Publikum nicht so gut ankam wie erhofft. Auf der Suche nach einer Idee für einen am Land spielenden, witzigen Krimi habe ihm dann die in seinem Tiroler Heimatdorf tätige Briefträgerin "Michi" die gewünschte Inspiration geliefert. "Die will nie weg aus ihrer Heimat, hat nur einmal einen Urlaub im Ausland verbracht, den sie furchtbar fand. Und das Lustige daran ist, dass ihr Mann Fernfahrer ist. Seine Schilderungen von Staus auf diversen Autobahnen reichen ihr völlig als Eindrücke von 'draußen'", lacht Brée, der besagte Postlerin natürlich darüber informiert hat, dass ihr seine Romanfigur täuschend ähnlich ist. "Sie fühlt sich sehr geehrt, wollte aber zu keiner Präsentation mitkommen, weil sie da übers deutsche Eck hätte fahren müssen, was ihr zu weit ist", erzählt der neue Cozy-Crime-Autor lachend.
"Die Michi ist genau so, wie die Liesl in den Büchern", stellt Brée klar: "Sie bleibt gern am Zaun stehen und tratscht mit den Bewohnern, die sie beim Zustellen antrifft. Dabei lässt sie stets den Motor ihres alten und verbeulten Post-Fiats laufen. Um ehrlich zu sein, wundere ich mich, dass noch niemand die Idee hatte, eine Postlerin zur Ermittlerin in einem Kriminalroman zu machen", meint der vielseitige Autor. Denn es gelte zu bedenken, dass Postboten gerade in einem kleinen Dorf alles über dessen Bewohner wüssten. "Die Michi weiß ganz genau, wer bei uns viele Mahnungen bekommt, wer Zahlungsaufforderungen nicht nachkommt und auch, wer gewisse Kataloge in auffällig neutralen Kuverts geliefert bekommt".
Während die "Roman-Liesl" in einem Ort namens Öd die Post zustellt und dort bei ominösen Todesfällen Miss Marple spielt, geht die reale "Michi" ihrem Job ohne Avancen auf private Ermittlungen nach - und zwar in Affenhausen, einem kleinen Ort am Mieminger Plateau. Dort bewohnt Brée jenes Haus, das einst als Innenmotiv der "Bergdoktor"-Serie (mit Harald Krassnitzer) diente. "Ich wollte aufs Land, als meine Kinder auf die Welt kamen. Ich wollte, dass sie in der ländlichen Idylle aufwachsen können und nicht im Lärm der Großstadt", erzählt er und ergänzt: "Wenn ich Sehnsucht nach Wien habe, wo ich doch lange gelebt habe, kann ich ja jederzeit nach Wien fahren." Sehnsucht ist überhaupt ein Begriff, der ihm wichtig ist. "Wenn die Menschen keine Sehnsucht mehr haben - egal nach was, egal ob sie erfüllbar ist oder nicht - dann könnten wir eigentlich gleich mit allem aufhören", meint er. Daher liebe er es, in seine Romane kleine Passagen einzubauen, die möglicherweise nicht unmittelbar zum Plot gehören, aber eben Sehnsüchte einzelner im Buch vorkommender Personen untermalen.
Ob es denn Cozy Crime auch im echten Leben geben kann? "Schwierige Frage", meint Brée dazu, um dann festzustellen, dass vielleicht nicht Mord als "True Crime" das Zeug zum "Cozy Crime" habe, wohl aber weniger schwerwiegende Delikte. "Neulich habe ich wieder in der Zeitung über diesen Pfarrer gelesen, der bei sich im Pfarrgarten Drogen angebaut hat, das würde für mich in diese Kategorie fallen", fällt ihm dann ein aktuelles Beispiel dazu ein.
Wie sieht der mit verschiedenen Medien- und Fernseh- bzw. Serienformaten vertraute Uli Brée die Zukunft des Buches und linearen Fernsehens im Internet- und Streamingzeitalter? "Das Interessante ist ja, dass trotz aller Neuerungen das Alte immer wieder kommt", meint er dazu. "Nehmen wir etwa Spotify her. Zunächst mussten die Musiker wieder mehr auf Tour gehen, weil sie durch Plattenverkäufe kaum mehr Geld verdienten. Jetzt kaufen die Leute wieder Plattenspieler und hören Vinyl - und ähnlich ist es auch beim Fernsehen: Da haben die Leute Streamingabos und reißen verschiedene Serien an, und irgendwann tun sie sich mit der Entscheidung schwer, was sie sich anschauen wollen und werden frustriert - und dann schauen sie wieder fern, und das um 20.15 Uhr! Diese Hauptabendprogramm-Zeit hat sich interessanterweise bei vielen total eingebrannt." Brée rechnet also damit, dass sich neuartige und alteingesessene Formate ergänzen - und auch Wesenszüge des jeweils anderen Formats annehmen: "Streamingdienste wollen nun auch klassische TV-Filme produzieren, um neues Publikum anzusprechen. Und Fernsehsender wiederum setzen verstärkt auf Mediatheken, damit man ihre Inhalte auch zeitunabhängig im Internet anschauen kann."
(Das Interview führte Markus Frey/APA)
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Frey