von
Der Titel "Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik" sagt viel, aber nicht alles. Es ist eigentlich die Überschrift über die erste Vorlesung, in der sich Campino analytisch, scharfsinnig, kritisch und bei Bedarf humorvoll mit Lyrik auseinandersetzt, die er als "kleine Lebenshilfe zum täglichen Gebrauch" betrachtet - von Erich Kästner über Heinrich Heine bis zu Liedermachern. Alles andere als schulmeisterlich verwebt der Sänger Betrachtungen über Kunst, Zeitgeschichte und Haltung, gibt das Lebensgefühl junger Menschen in den frühen Nachkriegsjahren der BRD wieder, erläutert Hintergründe eigener Songs und erklärt, was Punk als Gegenentwurf zu Spießigkeit auslöste.
"Ich hatte freie Themenauswahl, da war mir sofort klar, dass ich gerne über Lyrik, über Gedichte reden will", sagte Campino im APA-Interview über die Einladung zur Gastprofessur. "Beim längeren Nachdenken kam für mich noch eine Komponente dazu: In der ersten Lesung geht es um Kommunikation, Nachrichten und Texten aus den letzten 100 Jahren, aber wie geht es weiter mit uns? Insofern war die zweite Lesung darauf ausgerichtet, was auf uns zukommt durch KI, Soziale Medien und die Tatsache, dass wir alle mit der digitalen Welt vernetzt sind und diese einen immer größeren Einfluss auf uns ausübt."
Der Sänger und Autor veranschaulicht im ersten Teil seine Ausführungen mit Texten von Kästner bis Kraftwerk, zieht Parallelen zu eigenen Songtexten und deckt ein breites Spektrum von Themen ab wie Liebe, Beziehung zu den Eltern, Nationalismus und Fremdenhass, Gott und Kirche, Tod und das Ringen um richtige Worte. Im zweiten Teil mit dem Titel "Alle haben was zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit" geht es um den "Krach des Internets". Zugleich fordert der Künstler Verantwortung, geht auf die ewige Diskussion "Pop und Politik" ein und appelliert zur Verteidigung der Säulen der Demokratie.
Campinos Gastprofessur-Vorträge bringen viel Aktuelles ohne Polemik, sachlich argumentiert und mit Lyrik in Verbindung gebracht auf den Punkt. Man sollte das überdenken und es nicht gleich mit einem "Kommentar-Reflex" bewerten. Zur Belohnung gibt es am Ende ein Gedicht von Ernst Jandl, den Campino bei einem Duell gegen die KI ins Rennen schicken würde.
(S E R V I C E - Campino: "Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik", Piper Verlag, 160 Seiten, 17 Euro)