News Logo
ABO

Bachmann-Preis 2024 geht an Tijan Sila

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
5 min
Die Jury hat Tijan Sila den Bachmann-Preis 2024 zuerkannt
©APA/APA/GERT EGGENBERGER/GERT EGGENBERGER
  1. home
  2. Aktuell
  3. Schlagzeilen
Der 1981 in Sarajevo geborene und seit 1994 in Deutschland lebende Autor Tijan Sila hat am Sonntag in Klagenfurt den 48. Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. "Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde" heißt der Siegertext, in dem sich der Erzähler anhand seiner Familie mit dem Weiterwirken des Balkankriegs in der Psyche der Menschen beschäftigt.

von

Der Schweizer Juror Philipp Tingler, der den Siegertext eingeladen hatte, hob in seiner kurzen Laudatio Silas "Ton unsentimentaler Lakonie" und seinen "ganz eigenen und einzigartigen Stil in einer Mischung aus Pointiertheit, Tragikomik und Melancholie" hervor. Der Auszug aus einem in Entstehung befindlichen Roman bekam 23 Jury-Punkte - mit Abstand die meisten.

Deutsch habe er erst zu lernen begonnen, nachdem er mit seinen Eltern als Kriegsflüchtling nach Deutschland gekommen war, sagte Tijan Sila, der Germanistik und Anglistik in Heidelberg studierte und heute in Kaiserslautern lebt, im Interview mit der APA. "Irgendwann war klar, dass ich nicht nach Bosnien zurückkehren werde. Nachdem so viele Jahre vergangen waren, habe ich gemerkt, dass ich auf Deutsch denke, auf Deutsch träume, dass es meine Primärsprache geworden ist. Wohingegen mein Bosnisch mit 13 Jahren aufgehört hat, sich weiterzuentwickeln."

2017 erschien sein Debütroman "Tierchen Unlimited", sein bis heute einziges Buch, das in der Folge auch auf Bosnisch übersetzt wurde. 2018 folgte "Die Fahne der Wünsche", 2021 "Krach". 2023 erschien bei Hanser Berlin sein autobiografisches Buch "Radio Sarajevo", an das jener Roman anschließen wird, aus dem Tijan Sila einen Textauszug gelesen hat. Der Verlag Hanser Berlin kündigte dieses Buch heute für voraussichtlich 2026 an - etwas optimistischer als der Autor selbst, der den Erscheinungstermin im Interview mit "auf keinen Fall vor 2027" einschätzte und sich sehr lobend über den Verlauf der 48. Tage der deutschsprachigen Literatur äußerte: Das Niveau der Texte sei sehr hoch gewesen, die Jurydiskussionen sachlich und nicht verletzend. Die Tage in Klagenfurt seien "wirklich toll, aber herausfordernd" gewesen, meinte er, der schon am ersten Lesetag viel Jurylob erhalten hatte, es aber nicht einschätzen konnte: "Es war stressig."

Etwas verwirrend war hingegen am Sonntag die Preisvergabe - die obendrein ohne jegliche Jurydiskussion stattfand. Die mit 25.000 Euro dotierte Literatur-Auszeichnung wurde heuer zum zweiten Mal nach einem Punktesystem vergeben. Dabei konnte jedes Jurymitglied fünf Punkte bis einen Punkt vergeben, ausgenommen waren ihre eigenen Kandidatinnen und Kandidaten. Bei Punktegleichstand waren Stichwahlen nötig, was die Preisvergabe unübersichtlich machte.

Der Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro) ging an den Deutschen Denis Pfabe für seinen im Baumarkt spielenden Text "Die Möglichkeit einer Ordnung". Für den 3sat-Preis und den Kelag-Preis kam es zur Stichwahl zwischen Miedya Mahmod, Johanna Sebauer und Tamara Štajner. Den Kelag-Preis (10.000 Euro) bekam die in Wien lebende slowenische Musikerin und Autorin Tamara Štajner für ihren sehr persönlichen Text "Luft nach unten". Den mit 7.500 Euro dotierten 3sat-Preis erhielt in einem sehr unübersichtlichen Stimm-Prozedere die in Hamburg lebende Österreicherin Johanna Sebauer für "Das Gurkerl". Dieses begeisterte auch das Publikum am meisten, denn für ihren satirischen Text gab es zudem den BKS Bank-Publikumspreis (7.000 Euro plus Stadtschreiberstipendium), für den am Samstagnachmittag online abgestimmt werden konnte.

Der Bachmann-Preisträger erhielt neben dem Siegerscheck auch eine im Vorjahr neu kreierte Skulptur. Geschaffen wurde die 2,3 Kilogramm schwere Plastik vom Bildhauer Helmut Machhammer, sie trägt den Spitznamen "Inge".

In einer Aussendung gratulierte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Sonntag "allen Preisträger:innen - und allen voran dem verdienten Bachmann-Preisträger 2024 Tijan Sila". Einen "Sieger" habe es aber bereits vor dem Wettbewerb gegeben, nämlich "die deutschsprachige Gegenwartsliteratur. Denn die Bachmann-Tage waren auch heuer wieder ein Ort für Neues und ein Platz des Aufbruchs. Klagenfurt war in diesen Tagen Avantgarde."

(S E R V I C E - )

KLAGENFURT - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/GERT EGGENBERGER/GERT EGGENBERGER

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 15€
Ähnliche Artikel
Armin van Buuren wird dem Publikum am Salzburgring einheizen
Schlagzeilen
180.000 Besucher zum Electric Love Festival erwartet
Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch bei der Arbeit
Schlagzeilen
"Pass"-Duo Ofczarek und Jentsch dreht Wiener Friedhof-Serie
Sam Smith mit großer Stimme und viel Show
Schlagzeilen
Lido Sounds endete mit fulminantem Sam Smith
Bei Nina Chuba war "für jeden was dabei"
Schlagzeilen
"Große Show" von Nina Chuba beim Lido Sounds in Linz
Johanna Sebauer las über "Das Gurkerl"
Schlagzeilen
Wettlesen um Bachmann-Preis zu Ende, nun ist die Jury am Zug
Parov Stelar ließ die Tanzbeine schwingen
Schlagzeilen
23.000 Fans bei Parov Stelar und Deichkind am Lido Sounds
Sommer, Sonne, Literatur: Freitags in Klagenfurt
Schlagzeilen
Zweiter Tag beim Bachmann-Preis: Baumarkt und einsame Insel
Sänger Caleb Followill von den druckvollen Kings Of Leon
Schlagzeilen
Rastlose Kings Of Leon beim Lido Sounds in Linz
Sarah Elena Müller hatte Startnummer eins im Wettlesen
Schlagzeilen
Lesestart bei Bachmann-Preis mit sprechender Schwelle
Fendrichs Musik tritt in die Fußstapfen der Habsburger
Schlagzeilen
Ehre für Austropopkaiser: "I am from Austria" vor Schönbrunn
In der "Würsteloper" kippen heimische Würstelstandverhältnisse
Schlagzeilen
Zillertaler "Würsteloper": Zerbröckelnde Wiener Würstelwelt
Fendrichs Musik tritt in die Fußstapfen der Habsburger
Schlagzeilen
Fendrich statt Sisi: "I am from Austria" vor Schönbrunn