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Arbeitslosigkeit im Juni um knapp 10 Prozent gestiegen

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Kocher: Drittniedrigste Juni-Arbeitslosenrate der vergangenen 10 Jahre
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Die schwächelnde Bauwirtschaft und Industrie lassen weiter die Arbeitslosenzahlen steigen. Ende Juni waren 338.051 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos oder in Schulung gemeldet, davon waren 264.018 arbeitslos und 74.033 in Schulungsmaßnahmen des AMS. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmer um 9,9 Prozent bzw. 30.319 Personen gestiegen. Die Arbeitslosenrate erhöhte sich um 0,5 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent.

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Solange die wirtschaftliche Dynamik nicht stärker werde, sei der Arbeitsmarkt unter Druck, sagte Wirtschaft- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Es werde "eine Zeit lang dauern", bis der für Herbst erwartete Wirtschaftsaufschwung sich am Arbeitsmarkt bemerkbar mache. Kocher verwies aber darauf, dass man aktuell "die drittniedrigste Arbeitslosenquote der letzten zehn Jahre an einem 30. Juni" habe und es "sehr viele offene Stellen" gebe. "Nur in den Jahren 2022 und 2023 war die Arbeitslosenrate aufgrund von Nachholeffekten nach der Corona-Pandemie noch niedriger."

Den größten Zuwachs bei arbeitslosen Personen und Menschen in AMS-Schulung gab es Ende Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat in der Warenerzeugung/Industrie (+16,4 Prozent), am Bau (+16,2 Prozent), im Verkehrs- und Lagerwesen (+12,5 Prozent), im Handel (+12 Prozent) sowie in der Gastronomie und Beherbergung (+11,2 Prozent). Etwas niedriger, aber immer noch kräftig, fiel der Arbeitslosenanstieg in der Arbeitskräfteüberlassung (+8,1 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (+7,6 Prozent) aus.

Der deutlichste Arbeitslosen- und Schulungsteilnehmer-Anstieg wurde im Industriebundesland Oberösterreich (+18,2 Prozent) registriert, gefolgt von Tirol (+13,9 Prozent) und Salzburg (+12,5 Prozent) und Steiermark (+12,4 Prozent). Das niedrigste Plus gab es in Wien (+7,1 Prozent) und in Kärnten (6,7 Prozent). Die mit großem Abstand höchste Arbeitslosenquote verzeichnet im Bundesländer-Vergleich Wien mit 10,7 Prozent. Niedriger ist die Arbeitslosenrate im Burgenland (5,8 Prozent), Niederösterreich (5,7 Prozent), Kärnten (5,5 Prozent), Steiermark (5,2 Prozent), Vorarlberg (5,1 Prozent), Oberösterreich (4,2 Prozent), Tirol (3,4 Prozent) und Salzburg (3,3 Prozent). Die Zahl der arbeitslosen Inländer inklusive Schulungsteilnehmer stieg um 6,9 Prozent auf rund 192.000 und die Anzahl der arbeitslosen ausländischen Personen stieg um 14 Prozent auf 146.000.

Deutliche Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der Regierung äußerten die Oppositionsparteien. "Das Versagen der Regierung gegen die Rekordteuerung schlägt voll auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft durch", so SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch in einer Aussendung. "Nach wie vor ist die hohe Arbeitslosigkeit von Ausländern ein riesiges Problem, das Österreichs Sozialstaat immer stärker belastet - hier muss endlich jede weitere Einwanderung gestoppt werden", forderte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. "Das Scheitern der Bundesregierung an einer Arbeitsmarktreform zeigt Folgen", sagte NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker.

Arbeiterkammer und Gewerkschaft kritisierten die geplante Reduktion des AMS-Förderbudgets für aktive Arbeitsmarktpolitik im kommenden Jahr. "Obwohl sich die Wirtschaftsprognosen ändern, die Arbeitslosigkeit steigt und sich offenbar auch verfestigt, wie die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen, kürzt die Bundesregierung das AMS-Budget um fast 95 Millionen Euro", so ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl. "Die aktive Arbeitsmarktpolitik muss aus- statt abgebaut werden, um die Menschen zu qualifizieren und gezielt vermitteln zu können", forderte AK-Präsidentin Renate Anderl. "Ich würde vermuten, dass die nächste Regierung uns dann, sobald sie steht und ein neues Budget hat, wahrscheinlich wieder was draufgibt", so AMS-Vorstand Kopf im Ö1-Radio. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, verwies erneut auf die für den Arbeitsmarkt negative wirkende "hohe Lohnnebenkostenlast" und forderte einen Fokus auf Standortstärkung.

AMS-Vorstand Johannes Kopf hofft auf einen positiven psychologischen Effekt für Österreichs Wirtschaft durch die Erfolge der heimischen Fußballmannschaft bei der Europameisterschaft. Nachdem in den AMS-Zahlen "aktuell noch kein Silberstreif am Horizont erkennbar" sei und "Wirtschaft viel mit Psychologie zu tun" habe, sei "nach einem Strohhalm gegriffen": "Mögen weitere Erfolge unserer Nationalmannschaft jene Euphorie schaffen, dass Unternehmen und Haushalte wieder Vertrauen zurückgewinnen", so der AMS-Chef in einer Stellungnahme. Kopf ist über die Entwicklung der heimischen Industrie "momentan mehrfach" besorgt. Neben der internationalen Konjunktur- und Nachfrageschwäche verzeichne Österreich es eine "deutliche Verschlechterung der Lohnstückkosten - relativ zu anderen Ländern gesehen" und die europäische Automobilindustrie kämpfe mit wachsender E-Auto-Konkurrenz aus China, sagte der AMS-Vorstand am Montag im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radios.

Die schwächelnde Wirtschaftsentwicklung in Österreich macht sich auch am Stellenmarkt bemerkbar. Beim Arbeitsmarktservice waren Ende Juni knapp 98.000 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet, ein Rückgang von rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Der ÖVP-Wirtschaftsbund erfasst in seinem Stellenmonitor alle Jobportale und verzeichnete über 175.500 offene Stellen. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten erhöhte sich hierzulande leicht um 0,1 Prozent bzw. 2.000 Personen auf 3,990 Millionen.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Arbeitsminister Kocher präsentierten am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Zahlen zum Lohn- und Sozialdumping. 2023 hat die Finanzpolizei 1.402 Betriebe nach dem Lohn- und Sozialdumpinggesetz überprüft, die aus dem Ausland nach Österreich "hereingearbeitet" haben. Bei den geprüften Unternehmen wurden 3.443 entsendete oder überlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kontrolliert, 233 Personen waren von Unterentlohnung betroffen. Die Finanzpolizei stellte in diesem Zusammenhang wegen Nichtbereithaltens/-stellens von Melde- oder Lohnunterlagen 399 Strafanträge an die zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden und beantragte Geldstrafen in Höhe von insgesamt rund 4,4 Mio. Euro. Im Rahmen des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes wird jährlich ein Kontrollplan erstellt. 2024 liege "ein besonderer Fokus auf den Bereichen Hotel, Gastronomie und Tourismus, Bau- und Baunebengewerbe sowie der Security- und Eventbranche", so Finanzminister Brunner.

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