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23.000 Fans bei Parov Stelar und Deichkind am Lido Sounds

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Parov Stelar ließ die Tanzbeine schwingen
©APA/APA/TOBIAS STEINMAURER/TOBIAS STEINMAURER
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23.000 Fans haben am Freitag am Urfahraner Jahrmarktgelände in Linz geschwitzt, getanzt und ein stilistisch weites Spektrum an Musik genossen: Bei der Fortsetzung des Lido Sounds brannte die Sonne vom Himmel. Der Feierlaune tat das keinen Abbruch. Am Abend sorgte Parov Stelar als Headliner mit einem Heimspiel für Begeisterung. Erstmals vor großem Publikum präsentierte er mit Band ein neues Programm. Auf der Ahoi! Pop Summer Stage sorgten Deichkind für einen enormen Ansturm.

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Stelar hatte sich mit "großer Freude, aber auch großer Nervosität" der Aufgabe gestellt. "Zu Hause spielen hat eine ganz eigene Färbung. Da musst du bestehen", sagte er der APA. Letztendlich überwog natürlich die Vorfreude: Gestern habe er noch bis zu seinem Domizil am Linzer Pöstlingberg die Kings Of Leon herauf gehört. "Angenehm, morgen gehe ich da runter arbeiten", sei seine Reaktion gewesen. Der Veranstaltung streute er Rosen: "Linz hat sich so ein Festival mehr als verdient. Linz ist doch Technologiestadt, was kann da besser passen als so ein Festival. Ich denke, es braucht noch ein bisschen Arbeit, dass es bei allen Leuten ankommt. Wenn es nicht allen gefällt: Alles, was erfolgreich ist, wird auch Neider und Gegner auf den Plan rufen."

Überrascht hat er mit zahlreichen unveröffentlichten Songs zwischen den Hits. "Mir war es wichtig, einmal einen völlig konträren Weg zu gehen", erläuterte er diesen Schritt. "Ich habe mich gefragt: Was ist momentan wichtig? Das Live-Business hebt sich immer noch ein bisschen ab von dem digitalen Wahnsinn, der uns gerade um die Ohren fliegt. Da dachte ich, gut, dann gebe ich diesem live-organischen Business einfach einmal Vorrang." Auf alle Fälle zog Stelar mit Visuals und Licht eine Mega-Show ab: "Die Leute zahlen viel Geld für ein Ticket, die wollen auch was dafür und haben sich das auch verdient." Getanzt wurde natürlich auch zu bekanntem Material wie "The Heat Is On", gesungen von Elena Karafizi. Für lässigen Swing sorgte eine Bläsersektion, hymnische Melodien wechselten sich mit wummernden Bässen ab.

Visuelle Reize waren auch bei Deichkind keine Mangelware. Das Interesse an der Hamburger Hip-Hop- und Electropunk-Formation war derart groß, dass der Zutritt zum prall gefüllten Areal schließlich untersagt wurde. Die Polizei zog vor den Sperrgittern einen zusätzlichen Kordon auf. Deichkind legten mit "99 Bierkanister" los, der Aufforderung "Achtung, alle Hände hoch" leisteten alle Folge. Wie gewohnt gab es schrille Kostüme, bewegliche Bühnenelemente und schräge Choreografien zu Songs wie "Wutboy" (mit Konfettikanonen), "Porzellan und Elefant" (Ansage: "Schaut mal wie unterschiedlich wir sind, trotzdem sind wir alle hier") und später im Set "Arbeit nervt". Zu "Bentley" wurde auf einer riesigen Gucci-Tasche geritten - in einem Kostüm, das (zufällig?) an die letzten Outfits von Kanye West erinnerte. Kapitalismuskritik fehlte ebenso wenig wie politische Statements: Bei "Bon Voyage" rutschten die Akteure auf Drehsesseln, auf deren Lehnen die Botschaft "Fuck AFD" zu lesen war. Am Ende hieß es: "Remmidemmi"!

Davor hatte Hozier auf der Main Stage ein intensives, stimmiges Konzerterlebnis samt politischer Brandrede geboten. Zwischen Hip-Hip, Rockmusik und Electroswing aufzutreten, scheint für den Iren kein Problem. "Wir sind eine neunköpfige Band, mich mitgezählt", bekräftigte der 34-Jährige backstage. "Meine Musik bewegt sich zwischen Rock und Folk und manchmal Gospel. Es gibt ja auf dem neuen Album Rocksongs." Ein Set "von hoher Energie" und "dazwischen Songs zum Auschillen", hat Hozier angekündigt - und sein Wort gehalten. Naturgemäß gab es bei "Take Me To Church", vor fast genau zehn Jahren in Österreich an der Spitze der Charts, die heftigste Publikumsreaktion.

Den Hit immer wieder live zu bringen, dafür benötige es keine Überwindung: "Niemand würde sich zu Hause immer wieder und wieder Songs anhören, die man vor zehn Jahren herausgebracht hat. Aber ihn live zu bringen, ist was anderes, weil man mit dem Publikum interagiert. Die Freude im Publikum zu spüren ist Teil des ganzen Erlebnisses, auf einer Bühne zu performen. Es erneuert die eigene Freude am Song, wenn man die Reaktion der Leute sieht." Seinen Sound hat Hozier über die Jahre weiterentwickelt, wie das aktuelle Album "Unreal Unearth" unterstreicht. "Das passiert natürlich", betonte er. "Natürlich haben die Leute gewisse Erwartungen. Aber die Frage ist: Langweile ich mich selbst? Begeistert es mich?"

Stark auch das Gastspiel von Benjamin Clementine, der im weißen Sakko auf die Bühne kam und eigentlich so gar nicht ins Ambiente passte. Aber der Mercury-Preisträger hatte sein Publikum mit Musik, die nicht aus einem Genre, sondern schlicht aus dem Herzen kam, voll im Griff. Soul, Pop, Poesie und Avantgarde - einerlei: Ob mit Band (samt riesiger Schlagzeugtrommel) oder allein am Flügel, das war eine herausragende Performance. Gossip konnten an diese Naturgewalt nicht nahtlos anschließen. Frontfrau Beth Ditto sang mit viel "Real Power", so der aktuelle Albumtitel, suchte wiederholt Kontakt zum Publikum und wurde routiniert von ihrer Band begleitet. Aber erst mit Fortdauer bekam das Gebotene auch so was wie Dynamik. Ditto hielt allerdings fest, man sei krank.

Einen Maniac an der Loop Maschine auf der Ahoi! Pop Summer Stage wollten so viele Fans sehen, dass der Bereich auch bei seiner Darbietung abgesperrt wurde. Nur mit Pants bekleidet ließ Marc Rebillet in seiner schrillen One-Man-Show die Bässe wummern und die Beats in die Tanzbeine fahren. Der Performance-Künstler, Musiker und Comedian aus Dallas kann aber auch anders: A-cappella stimmte er zwischendurch Gospel an. Am selben Schauplatz hatte sich zum Start Anaïs mit wunderbarer Stimme und leichtfüßigen Popsongs vorgestellt. Für viel Spaß und Italo-Flair waren Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys zuständig. "Wir geben das Versprechen, dass Menschen bei unseren Konzerten die Probleme mit ihrer Jacke, wenn es nicht so heiß ist wie heute natürlich, an der Garderobe abgeben und sich in Friede und Freude und Freundschaft dem Schlagerstrudel ergeben können", sagten diese im APA-Interview. Grundsätzlich verstehe man sich "in der Tradition des guten, alten deutschsprachigen Schlagers". Roy Bianco nannte in diesem Zusammenhang Udo Jürgens und Vicky Leandros, die "in ihren Schlager eine gewisse Art von Würde verpackt haben, auch mal eine Gesellschaftskritik - im Gegensatz zu diesem Mallorca-Ausverkauf, wie man ihn vom Ballermann kennt."

Für erfrischenden Indie-Rock war auch wieder Platz vorhanden: Leoniden ließen am Nachmittag auf der Main Stage die Gitarren und fette Bässe sprechen, gepaart mit einem Verständnis für eine gute Hook-Line. "Es ist fucking heiß da draußen", hatte Flip von Texta, die bei ihrem Heimspiel u.a. Attwenger zu einer ausgelassenen Session beizogen, das Wetter auf den Punkt gebracht. Schattenplätze, besonders die mit Sprühwasser gekühlten, waren daher ebenso heiß begehrt wie gratis verteilte Fächer und Strohhüte.

Morgen geht es u.a. mit K.I.Z., Kraftklub und Ikkimel weiter. Gespannt darf man auch auf Nina Chuba sein. Am Sonntag geht das Festival mit den Headlinern Sam Smith und den Libertines ins große Finale.

(S E R V I C E - )

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