In der Jagd-Affäre rund um den SPÖ-Politiker Georg Dornauer und den Immobilienjongleur René Benko zeigen News vorliegende Unterlagen mögliche Hintergründe zur Pirsch in der Steiermark
Montag der Vorwoche, pünktlich zum beginn der Faschingszeit, kam es in der österreichischen Innenpolitik zu einem Knalleffekt. Die „Krone“ hatte unter dem Titel „Na bumm!“ auf Seite eins der Printausgabe ein Foto veröffentlicht, das den Tiroler SPÖ-Chef und ersten Landeshauptmannstellvertreter bei einem Jagdausflug mit Milliardenpleitier René Benko und einem Hotelier aus dem Stubaital zeigt. Geschossen wurde das Bilddokument am 28. September 2024, einen Tag vor der Nationalratswahl. Im Stüblergut, einem 30-Millionen-Euro-Anwesen in der Steiermark, das in der Laura-Privatstiftung der Benkos gebunkert ist.
Ausgerechnet Dornauer. Ausgerechnet ein Spitzenvertreter der Sozialdemokratie. Ausgerechnet ein Mann, der ein feines Sensorium für die Interessen der sogenannten kleinen Leute auf dem Schirm haben sollte, geht mit dem bekanntesten Bankrotteur des Landes, der seinen Gläubigern Milliarden schuldig geblieben ist, auf die Pirsch. Ein derartiges Bild, noch dazu mit erlegtem Hirsch und Jagdbruch am Hut, emotionalisiert sogar Menschen, die sich in der Regel wenig bis nicht für die Machenschaften in der Politik interessieren.
„Tritt zur Seite“
Aus rechtlicher Sicht gibt es nach Dornauers „Tritt zur Seite“ – der 41-Jährige wechselt per 18. Dezember von der Landesregierung als einfacher Abgeordneter in den Tiroler Landtag – zwei Fragestellungen für die Ermittler:
1. Wer hat geschossen? War es Georg Dornauer, gegen den seit fünf Jahren, seit einem Fauxpas am Innsbrucker Flughafen, als er ein geladenes Jagdgewehr auf dem Rücksitz seines Porsche bei halb geöffnetem Fenster liegen hatte lassen, ein Waffenverbot besteht? Offiziell hat per eidesstaatlicher Erklärung der Hotelier die Verantwortung übernommen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt.
2. War es Anfütterung? Spitzenpolitiker dürfen keine Einladungen annehmen, deren Wert über der Bagatellgrenze liegt. Bei einem Ausflug auf ein nobles Jagdgut, für das sich einst sogar Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz interessiert hatte und in dem die Benko-Stiftung sogar hauptberufliche Oberförster beschäftigt, kann diese Grenzen schon binnen weniger Stunden überschritten sein, wenn man mit Profis durch die Wälder am Gaberl streift und es womöglich noch Speis und Trank gibt. Auch dazu werden die Ermittler wohl noch Fragen stellen.
Politische Nähe
Ein Aspekt blieb in der Benko-Dornauer-Debatte, die sich auch international um die Frage dreht, wie es sein kann, dass ein gescheiterter Unternehmer wie Benko weiterhin einem Luxus-Leben frönt, bis dato unbeleuchtet:
Warum sucht René Benko weiterhin die Nähe zur Politik? Könnte das damit zusammenhängen, dass die Laura-Privatstiftung seiner Familie allein in seinem Heimatort Innsbruck über einen Liegenschaftsbesitz im Wert von rund 120 Millionen Euro verfügt? Hat Benko, der auch nach dem Signa-Zusammenbruch in seinen Stiftungen weiterhin die Fäden zieht, hier womöglich geschäftliche Interessen? Könnte es für ihn und seine Stiftung von Vorteil sein, mit einem der höchsten Vertreter des Landes Tirol auf Du und Du zu sein? Immerhin zeichnet Georg Dornauer als erster Landeshauptmannstellvertreter nicht nur für Sport, sondern auch für die Liegenschaften des Landes verantwortlich.
News begab sich auf Spurensuche.
Das M911
Nach Tirol, in die Innsbrucker Innenstadt. Dort, in der Museumstraße, steht neben dem Landesmuseum eine dieser lange im Verborgenen gehaltenen Immobilien der Laura-Privatstiftung. Das Gebäude mit den Hausnummern 9–11, intern nur als „M911“ bezeichnet, zählt seit Langem zum Kernvermögen der Stiftung. In einem vertraulichen Wertgutachten wurde die Immobilie durch einen externen Immobilienbewerter noch Ende Februar 2023 für den Stichtag 31. 12. 2022 mit 17,2 Millionen Euro bewertet.
Um diese Immobilie und weitere Innsbrucker Immobilien kümmert sich der vormalige Geschäftsführer der Signa Holding und enge Benko-Vertrauensmann Marcus Mühlberger seit dem insolvenzbedingten Zusammenbruch des Signa-Reiches. Schon kurz vor dem Kollaps des Konzernkonglomerates notierte sich Mühlberger im August 2023 den Namen „Dornauer“ inklusive der Kontaktdaten von Georg Dornauer in seiner To-do-Liste. Offensichtlich spielte die Person Dornauer in der Welt von Mühlberger und damit höchstwahrscheinlich auch in der von René Benko eine schon damals wichtige Rolle. Zu einem Zeitpunkt, als links und rechts um das Signa-Konstrukt die Einschläge näherkamen. Schon damals war Dornauer in seiner Funktion als Landeshauptmann-Stellvertreter für die Liegenschaften des Landes Tirol mitverantwortlich.
Tirol Haus
Eine Tochtergesellschaft der Laura-Privatstiftung, in der die Immobilie in der Innsbrucker Museumstraße 9–11 gebündelt ist, steht seit dem Jahr 2021 über einen Mietvertrag mit einer Gesellschaft der Tiroler Landesholding mit dem Namen „Lebensraum Tirol Holding GmbH“ in Verbindung. Einer 100-Prozent-Tochter des Landes. Seit 2023 sitzt obendrein die frühere Ehefrau eines vormaligen Signa-Topmanagers im Aufsichtsrat dieser Tiroler Gesellschaft. Der Mietvertrag ist als Optionsvertrag ausgestaltet worden. Der Hintergrund: Das Haus sollte über die letzten Jahre umgebaut und aufgestockt werden. Schlussendlich sollte ein „Tirol Haus“ daraus werden, in dem die Tirol Werbung bis hin zur Standortagentur beheimatet werden sollte.
Geschehen ist bis dato allerdings nicht viel. Das Haus steht weiter im Urzustand da. Doch offenbar drängt die Zeit. Der Mietvertrag sieht im Anhang eine Verzögerung von maximal eineinviertel Jahren vor. Laut dem News vorliegenden Vertrag ist das der 31. Dezember 2025. Unter diesem Gesichtspunkt kann möglicherweise (politische) Rückendeckung seitens der Eigentümer nicht schaden, denn bei „Einvernehmen“ zwischen den Vertragspartner kann dieser Stichtag verlängert werden. Schon im letzten Jahr sprach der Geschäftsführer von einem Einzug rund um Weihnachten 2026. Eine Anfrage der Tiroler Neos aus dem Februar 2024 zu diesem Thema wurde unter Verweis auf das fehlende Recht, über derartige Vorgänge in landeseigenen Gesellschaften Antworten zu erhalten, inhaltlich schlicht nicht beantwortet.
Seit dem Zusammenbruch der Signa-Gruppe konzentrieren sich Mühlberger und Benko in erster Linie um die Verwaltung des Vermögens in der Laura-Stiftung. Ein nicht gerade einfaches Unterfangen. Im Kern versuchen die letzten Benko-Getreuen, das vorhandene Immobilienvermögen diskret an den Mann oder die Frau zu bekommen. Es herrschte regelmäßig Ebbe auf den Stiftungskonten. Also sollte die geringe Liquidität durch Verkäufe verbessert werden. So weit der Plan. In der Realität hat die Stiftung scheinbar gröbere Schwierigkeiten, Vermögenswerte möglichst diskret abzuverkaufen. Nur bei dem überdimensionierten Privatjet und der Yacht der Privatstiftung scheint das bisher gelungen zu sein.
Diskretion
Auch für das Haus in der Innsbrucker Museumstraße 9–11 sollte offenbar ausgelotet werden, ob ein Verkauf möglich wäre. So vermeldet Anfang des Jahres 2024 ein Innsbrucker Manager einer Laura-Tochtergesellschaft an Marcus Mühlberger: „wie telefonisch besprochen starte ich Sondierungen mit der LRH (Anm. Lebensraum Tirol Holding) betreffend Gesamtverkauf der Objekte M911 (Anm. Museumstraße 9–11) und M25. Ziel: alsbald grosse (sic!) Runde mit LAD Dr Forster und MM. Halte Sie über alles am Laufenden.“
Mühlberger antwortet ihm nur kurz und knapp: „Vor allem DISKRET!“
Bereits im April 2024 meldet sich der Innsbrucker Manager wieder bei Mühlberger. Diesmal ist auch René Benko persönlich involviert. Er gibt beiden den damaligen Stand der Verhandlungen mit dem Land Tirol bzw. der Tiroler Hypo durch:
Land Tirol / Hypo Tirol Bank hat beiliegenden LOI (Anm.: unverbindliche Absichtserklärung) vorgelegt zur Vornahme einer detaillierten DD (Anm.: Due Dilligence, d. h. Prüfung) für das angestrebte 3er-Paket als asset deals, mit Frist bis 30.6.2024 (siehe anbei).
Als Wertindikationen wurden die „Zielwerte“ It Anlage mündlich bestätigt. (d. h. ca 11 Mio für M25+Adam9 und 19 Mio für M911, = 30 Mio.)
M911 vorbehaltlich einer Lösung zur Duldung/Ausmietung Kleider Bauer, welche Hypo gerne selbst mit Hr G. (Name der Redaktion bekannt, Anm.) verhandeln möchte.
Dr Hager wird dies mit dem Hypo-Vorstand direkt verhandeln. Es soll keine Exklusivität im LOl geben.
Jagdfoto
René Benko legte erst im Zuge des Signa-Zusammenbruchs ein verstärktes Augenmerk auf seine Innsbrucker Stiftungsimmobilien. Persönliche Begegnungen mit der lokalen Tiroler Politprominenz waren zuvor auf einige wenige Termine beschränkt. Damals war die Welt auch noch in Ordnung. Auch der Privatjet flog Benko und seine Gefolgsleute noch durch die scheinbar heile Signa-Welt. Von Bangkok bis New York.
Geld schien da kaum eine Rolle zu spielen. Erst mit dem Ende der Signa gewannen Innsbruck und die dortigen Immobilien für Benko wieder an Relevanz. Umso bemerkenswerter, dass ein erfahrener Politiker wie Georg Dornauer sich auf das politische Risiko eingelassen hat, seine angeblich reine Beobachterrolle im Rahmen einer Jagdeinladung in die steirischen Gefilde der Laura-Stiftung mit einem Bild verewigen zu lassen. Fast wie ein kapitaler Bock vor einer Wildkamera. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 47/2024 erschienen.