Usha Vance: Wer ist die Frau an der Seite von Trump-Vize J.D. Vance?

Der Empfang bei Usha Vance’ Amtsantritt als neues Vorstandsmitglied des Kennedy Centers war frostig. Als sie den Platz neben ihrem Ehemann, US-Vizepräsident JD Vance, einnahm, buhte das Publikum sie aus. Es war einer der vielen – zunächst kleinen – Schritte, den die Second Lady der USA zunehmend ins Rampenlicht macht, seit ihr Ehemann eine der wichtigsten politischen Figuren an der Seite des US-Präsidenten ist. Donald Trump hatte Mrs. Vance nach seiner Ankündigung das zu „woke“ Programm der Einrichtung zu beenden, ins Gremium des Kennedy Centers berufen. Laute Buhrufe zeigten, was viel Zuschauer davon hielten. Sie warfen dem Paar vor, das Theater zu ruinieren.

Es war einer der ersten öffentlichen Auftritte von Usha Vance in einer Position, die lange Zeit undenkbar schien. Schließlich hatte sich JD Vance einst als „Never-Trump-Typ“ bezeichnet, bevor er im Juli 2024 überraschend in das hohe Amt berufen worden war. Der 40-jährige ehemalige Venture-Capital-Unternehmer Vance hatte durch seine Bestseller-­Memoiren „Hillbilly Elegy“ aus dem Jahr 2016 Bekanntheit erlangt. Darin beschreibt er seine Herkunft aus der Arbeiterklasse im weißen, ländlichen Amerika. Die herausragenden Qualifikationen seiner Frau betont er generell häufig und auch, wie „geehrt“ er sich durch ihre Erfolge fühle.

Als Absolventin der Universitäten Yale und Cambridge arbeitete Usha Vance als Wirtschaftsanwältin für eine renommierte Kanzlei in San Francisco und für die konservativen Supreme-­Court-Richter John G. Roberts Jr. und Brett Kavanaugh, als Letzterer noch am Berufungsgericht tätig war. Auf die politischen Entscheidungen ihres Ehemanns hat Usha Vance großen Einfluss, wie dieser selbst einräumt.

Allerdings steht die glänzende Karriere der 39-Jährigen als prominente Anwältin sowie ihr liberal geprägtes akademisches Umfeld im Kontrast zu der anti-elitären, populistischen ­Marke, die ihr Ehemann politisch vertritt. 2021 hielt JD Vance auf der National Conservatism Conference eine Grundsatzrede mit dem Titel „Die Universitäten sind der Feind“ und wetterte gegen Frauen, die „90 Stunden pro Woche in einer Büro­zelle bei der New York Times oder Goldman Sachs arbeiten“. Politische Widersprüche begleiten ohnehin beide Teile dieser Ehe. Während JD Vance Donald Trump einst als „Amerikas Hitler“ bezeichnete, um dann Vizepräsident zu werden, vollzog Usha Vance eine noch drastischere politische Kehrtwende: Sie war noch 2014 als Demokratin registriert.

Als Tochter indischer Einwanderer wuchs die Second Lady als Usha Chilukuri in Rancho Peñasquitos, einem wohlhabenden Vorort von San Diego, auf. Ihr Vater war Maschinenbauingenieur am IIT Madras in Indien und Dozent an der San Diego State University, ihre Mutter Molekularbiologin und Rektorin an der University of California, San ­Diego. Beide waren fest verankert im engen Kreis indisch-amerikanischer Akademiker und Fachkräfte.

Freunde aus ihrer Schulzeit beschrieben Usha Vance gegenüber der New York Times als „Führungspersönlichkeit“ und „Bücherwurm“. „Mit fünf oder sechs Jahren erhob sie bereits Anspruch auf Führungsrollen“, sagte ein enger Freund der Familie, Vikram Rao, der Zeitung. „Sie entschied, welche Brettspiele wir spielten und welche Regeln galten. Sie war nie gemein oder unfreundlich, aber sie war der Boss.“

Diesen Ehrgeiz und Tatendrang zeigte Vance auch im Alter von 17 Jahren beim Quizwettbewerb für Highschool-­Schüler in einem Interview mit der San Diego Union-Tribune. „Es reicht nicht, die Antworten zu kennen“, sagte sie. „Man muss sie auch schnell abrufen und formulieren können.“ Nach ihrem Schulabschluss absolvierte sie binnen vier Jahren ein Geschichtsstudium an der Yale University, danach erforschte sie dank eines Gates-Stipendiums an der Universität Cambridge die Ursprünge des Urheberrechts und erwarb 2010 einen Master-Abschluss in Philosophie.

Als Usha Vance 2013 für ein Jurastudium nach Yale zurückkehrte, lernte sie ihren zukünftigen Ehemann kennen. Beide nahmen an einer Diskussionsgruppe zum Thema „Sozialer Niedergang im weißen Amerika“ teil.

„Sie schien eine Art genetische Anomalie zu sein, eine Kombination aller positiven Eigenschaften, die ein Mensch haben sollte: intelligent, fleißig, groß und wunderschön“, schrieb ihr Ehemann in seinen mittlerweile berühmten Memoiren. „Ich scherzte mit einem Freund, dass sie, hätte sie eine schreckliche Persönlichkeit, eine perfekte Heldin in einem Ayn-Rand-Roman abgeben würde. Aber sie hatte einen großartigen Sinn für Humor und eine außergewöhnlich direkte Art zu sprechen.“

Auf den ersten Blick schienen Vance’ ungestümes Wesen und Chilukuris zurückhaltende Art wie eine inkompatible Kombination. Später formte das Paar genau daraus seinen Erfolg in der Politik. Inspiriert von den Diskussionen ihrer Gruppe – deren Leseliste unter anderem Arbeiten wie „Urban Appalachian Children: An ,Invisible‘ Minority in City Schools“ umfasste – half Usha ihrem späteren Mann, die Ideen für seine späteren Bestseller-Memoiren „Hillbilly Elegy“ zu strukturieren. Das Buch wurde 2020 von Ron Howard als Film für Netflix adaptiert, in dem Usha Vance von der Schauspielerin Freida Pinto verkörpert wurde. „Usha war die spirituelle Kraft, die mich in Yale führte“, schrieb JD Vance über seine Frau. „Sie verstand instinktiv die Fragen, die ich nicht zu stellen wusste, und sie ermutigte mich, Chancen zu ergreifen, von denen ich nicht wusste, dass sie existierten.“

Das Paar heiratete 2014 in einer interreligiösen Zeremonie in Kentucky. Usha Vances Familie ist hinduistisch, ihr Mann konvertierte 2019 zum Katholizismus. Sie haben drei Kinder, die Söhne Ewan und Vivek sowie Tochter Mirabel.

Im Jahr 2018 zog das Paar von San Francisco nach Ohio und kaufte für 1,4 Millionen Dollar ein viktorianisch-gotisches Haus in einem wohlhabenden Viertel im Osten von Cincinnati. Das Anwesen aus dem Jahr 1858 gilt unter lokalen Historikern als bedeutend und bietet reichlich Platz für ihre Hunde Pippin und Casper.

„Usha holt mich definitiv ein bisschen auf den Boden zurück“, sagte Mr. Vance 2020 im Podcast von Megyn Kelly. „Und wenn ich vielleicht ein bisschen zu überheblich oder stolz werde, erinnere ich mich einfach daran, dass sie viel erfolgreicher ist als ich. Die Leute erkennen gar nicht, wie brillant sie ist.“

Ein 1.000-seitiges Buch könne seine Frau in nur wenigen Stunden lesen, erzählte er stolz. „Ich gehöre zu den Typen, die wirklich davon profitieren, eine starke weibliche Stimme über ihrer linken Schulter zu haben, die sagt: ‚Tu das nicht, tu das.‘“

Die Juristin trat 2015 in die Kanzlei Munger, Tolles & Olson ein und arbeitete dort als Prozessanwältin in den Büros in San Francisco und Washington, D.C., wie die Unternehmenswebsite auf ihrer mittlerweile gelöschten Profilseite verriet. Nach Verlassen der Kanzlei 2017 arbeitete Vance bis 2018 für Brett Kava­naugh, als dieser noch am Berufungsgericht für den District of Columbia tätig war, sowie für den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, John Roberts. Beide Männer sind Vertreter der konservativen Mehrheit am Obersten Gerichtshof der USA.

Ab Jänner 2019 kehrte Usha Vance zu Munger, Tolles & Olson zurück und spezialisierte sich – laut Website – auf „komplexe Zivilprozesse und Berufungsverfahren in verschiedenen Sektoren, darunter Hochschulbildung, lokale Verwaltung, Unterhaltung und Technologie, einschließlich Halbleiterindus­trie“. Vor dem Präsidentschaftswahlkampf gab die Kanzlei im Juli 2024 den Rücktritt von Vance bekannt. Fortan unter­stützte sie ihren Ehemann, wiewohl ein großer Teil ihrer beruflichen Laufbahn im Widerspruch zur populistischen, anti-elitären Rhetorik von JD Vance steht. Auch ihre Ex-Kanzlei wird als „radikal progressiv“ beschrieben. Ein Artikel in der Publikation American ­Lawyer aus dem Jahr 2019 ordnete die Personalpolitik der Kanzlei in die Kategorie „cool, woke“. Zwei Ex-Kollegen bezeichneten Usha Vances Auftreten inner­halb der Kanzlei als liberal oder moderat, wie die New York Times berichtete.

Es ist ein harter Kontrast dazu, wie JD Vance die Bestätigung von Kandidaten für das US-Außenministerium blockierte, indem er ihnen Fragebögen schickte, um festzustellen, ob sie „zu woke“ seien. Oder wie er zwei Tage nach der Aufhebung von Roe v. Wade im Juni 2022 durch den Obersten Gerichtshof twitterte: „Wenn eure Weltanschauung euch sagt, es sei schlecht ist, wenn Frauen Mütter werden, aber befreiend, wenn sie 90 Stunden pro Woche in einer Bürozelle bei der New York Times oder Goldman Sachs arbeiten, dann seid ihr hinters Licht geführt worden.“

Usha Vance bleibt ein politisches Enigma. Laut Freunden aus ihrer Studienzeit in Cambridge bewegte sie sich damals vor allem in liberalen und linken Kreisen, auch einige Marxisten sollen sich laut New York Times dort gefunden haben. Noch 2014 war Vance als Demokratin registriert.

Ihr akademischer Werdegang gilt vielen als Zeichen von Kompetenz und steht doch im Gegensatz zu einem Großteil der republikanischen Basis, die sich zunehmend anti-intellektuell gibt. Vances politische Neu-Orientierung erfolgte als ihr Mann 2022 für den Senat von Ohio kandidierte. Aus den Unterlagen der Federal Election Commission (FEC) geht hervor, dass sie im Dezember 2021 Blake Masters mit einer Spende unterstützte, einen Kandidaten für den Senat von Arizona und Vertreter des nationalkonservativen Flügels der Republikaner. Es ist Usha Vances einzige bekannte politische Spende.

Im August 2022 traten die Vances gemeinsam beim ultrarechten Nachrichtensender Newsmax auf, der noch weiter rechts steht als Fox News und sich weigerte, die Präsidentschaftswahl 2020 für Joe Biden anzuerkennen. Im selben Jahr veröffentlichte Newsmax einen Artikel mit der Schlagzeile: „Was auch immer an der Yale Law School gelehrt wird, es ist beängstigend.“

Ein Kurswechsel ist auch ein der politischen Wandlung ihres Mannes zu erkennen. Der erklärte Trump-Gegner, der den republikanischen Präsidentschaftskandidaten als „Amerikas Hitler“, einen „Idioten“, „verwerflich“ und einen „zynischen Arsch“ nannte, wandelte sich zu einem von Trumps treuesten Verbündeten. „Manchmal sagen die Leute, dass JD sich stark verändert hat, aber ich kenne ihn seit so vielen Jahren, und er ist sich immer treu geblieben“, sagte Usha ­Vance zu Newsmax über ihren Mann.

Zu der Aussicht, dass ihr Mann das zweithöchste Amt im Land übernehmen könnte, äußerte sich Vance noch im Juni zurückhaltend: „Ich bin nicht darauf aus, unser Leben zu verändern, aber ich glaube an JD und ich liebe ihn sehr. Also werden wir sehen, was das Leben für uns bereithält. Ich glaube nicht, dass jemand auf eine derart öffentliche Prüfung vorbereitet sein kann. Die erste Wahlkampagne, die er führte, war für uns ein Schock. Es war so anders als alles, was wir zuvor erlebt hatten. Aber es war ein Abenteuer.“

In der US-Regierung hat Usha Vance als Ehefrau von US-Vizepräsident JD Vance keine offizielle Rolle. „Second Lady“ ist eine repräsentative, unpolitische Bezeichnung, unter der sie – offiziell privat – nach Grönland reisen wollte, um „das historische Erbe“ der größten Insel der Erde (voll wertvoller Rohstoffe) kennenzulernen.

Was als Charme-Offensive geplant war, misslang vor dem Hintergrund von Trumps Anne­xionsplänen. Nach massiver Kritik der grönländischen und dänischen Regierung wurde die Reise letztes Wochenende zum Besuch der US-Militärbasis Pituffik umgedeutet, was die Begleitung von Ehemann JD Vance nötig machte. Vor Ort übte dieser heftige Kritik an Dänemarks mangelnder Investition in Grönlands Sicherheit.

Grönlands Ministerpräsident Jens-Frederik Nielsen nannte den US-Besuch „ein Zeichen mangelnden Respekts“. Laut Umfrage ist die Mehrheit der Inselbevölkerung dagegen, ein Teil der USA zu werden. Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen wies jede Kritik zurück und demonstriert mit einem Besuch von Mittwoch bis Freitag die „Einheit“ zwischen Dänemark und dem autonomen Grönland, das zum Königreich Dänemark gehört. Mit einer öffentlichen Liebes- und Unterstützungserklärung des dänischen Königs Frederik schloss sich zuletzt die Front um Grönland.

hat das Ehepaar Vance laut dem Magazin Forbes und Offenlegungen. Einkommensquellen umfassen Immobilien (3,7 Millionen Euro), Beteiligung an JD Vances Venture-Capital-Fonds Narya Fund (rund 1 Million Euro), Tantiemen (45.000 Euro jährlich), JD Vances Gehalt (217.297 Euro jährlich) sowie ein Portfolio aus Kryptowährungen und Fondsbeteiligungen

Dieser Beitrag ist in der News-Printausgabe Nr. 14/25 erschienen.

von Emma Loffhagen und William Mata, erstmals erschienen in The Standard