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Eine solche Eskalation könne katastrophale Folgen haben, so Pedersen. Der Sondergesandte fügte an, er habe die nach dem Sturz von Machthaber Bashar al-Assad ernannte Übergangsregierung bereits getroffen. "In den vergangenen zwei Wochen gab es erhebliche Kämpfe, bevor ein Waffenstillstand vermittelt wurde." Er habe sich auch die unter Assads Regierung betriebenen "Verliese" und "Folter- und Hinrichtungskammern" des Saidnaya-Gefängnisses angesehen.
Der Sondergesandte rief zu einer "breiten Unterstützung" für Syrien auf und forderte ein Ende der gegen das Land verhängten Sanktionen, um einen Wiederaufbau des Landes nach dem langen Bürgerkrieg zu ermöglichen. "Konkrete Handlungen bei dem politischen Übergang werden entscheidend dafür sein, dass Syrien die notwendige wirtschaftliche Unterstützung erhält", sagte Pedersen. Es gebe in der internationalen Gemeinschaft "eine klare Bereitschaft" zur Hilfe. Der Bedarf Syriens sei "immens" und könne nur mit breiter Unterstützung gedeckt werden, betonte er.
Westliche Länder sind bisher zögerlich im Umgang mit der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS), welche die letztlich erfolgreiche Großoffensive gegen die Assad-Regierung angeführt hatte und nun die syrische Übergangsregierung stellt. Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, hervorgegangen. Sie wird vom Westen weitgehend als "Terrororganisation" eingestuft - auch wenn sie versucht, sich ein neues, gemäßigtes Image zu geben.
Der UN-Sondergesandte Pedersen wies am Dienstag vor dem Sicherheitsrat auch auf die mehr als 350 Luftangriffe Israels auf syrisches Gebiet seit dem Sturz Assads hin, die seinen Worten zufolge die "geschundene Zivilbevölkerung weiter gefährden" und "die Aussicht auf einen geordneten politischen Übergang" untergraben.
Auch die von Israel angekündigten Pläne, Siedlungen in den besetzten Golanhöhen auszubauen, kritisierte Pedersen. Israel müsse "alle illegalen Siedlungsaktivitäten" dort einstellen, forderte er.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) rechnet für das erste Halbjahr 2025 mit der Rückkehr von einer Million Flüchtlingen nach Syrien. Das sei die Planungsgröße, sagte Rema Jamous Imseis, UNHCR-Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika, in Genf. Die Menschen brauchten Unterstützung, um Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten zu finden, sagte sie.
Imseis warnte davor, syrische Flüchtlinge voreilig aus anderen Ländern zur Rückkehr in ihre Heimat zu drängen. "Niemand sollte gegen seinen Willen gezwungen werden, zurückzukehren", sagte sie. "Wir zählen auf Regierungen, dass sie Geduld haben und keine drastischen Entscheidungen fällen." Es sei noch zu früh, um zu bestimmen, wo es für Rückkehrer sicher sei. Ohnehin könne man nicht erwarten, dass Flüchtlinge nach jahrelangem Exil über Nacht eine Tasche packen und ausreisen.
In Syrien gebe es nach dem Sturz der Assad-Regierung noch keine neuen Grenzkontrollen, sagte Imseis. Das UNHCR sei aber an der Grenze und sehe Tausende, die über Jordanien oder die Türkei ins Land kämen. Es gebe aber auch Tausende, die ausreisten. Genaue Zahlen dazu gebe es nicht.
Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind nach dem Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Bashar al-Assad zahlreiche Menschen aus dem Land geflohen. "Wir hören, dass religiöse Minderheiten das Land verlassen", sagte IOM-Generaldirektorin Amy Pope am Dienstag bei einem Besuch im Libanon. Gleichzeitig riet sie von einer massenhaften Rückkehr geflohener Syrerinnen und Syrer vor einer Stabilisierung der Lage ab.
Die Menschen hätten zwar das Recht, nach Hause zurückzukehren, räumte Pope ein, die Infrastruktur könne aber "einen solchen Zustrom nicht verkraften". Ohne Investitionen werde "die Rückführung von Menschen das Land nur weiter destabilisieren" und durch den so entstehenden Druck womöglich eine "neue Migrationswelle" ausgelöst.
Vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg in ihrem Heimatland sind Millionen Syrerinnen und Syrer geflohen. Die meisten von ihnen haben Zuflucht in Nachbarländern gefunden. So hat alleine die Türkei fast drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Kämpfer der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die langjährige Herrschaft Assads in Syrien beendet. Die HTS-Miliz hat ihre Wurzeln in einem syrischen Ableger von Al-Kaida, nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu dem Terrornetzwerk. HTS-Anführer Mohammed al-Jolani, der inzwischen unter seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Sharaa auftritt, hat erklärt, dass die syrische Übergangsregierung alle Syrer sowie die staatlichen Institutionen schützen werde.
Dennoch seien seit dem Umsturz "zehntausende" Menschen aus Syrien geflohen, sagte Pope. Mitglieder der schiitischen muslimischen Gemeinschaft seien geflohen, "nicht weil sie tatsächlich bedroht werden, sondern weil sie sich Sorgen über mögliche Bedrohungen machen", fügte sie hinzu. Christliche Religionsführer in Damaskus hätten berichtet, "dass ihre Gemeinden weiterhin sehr besorgt sind", sagte Pope. Die Mehrheit der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime.