Babler? Holzeitner? Heinz Sichrovsky über bedrohliche Visionen zur Regierungsbildung.
Jetzt werden Sie sagen, dass ich nicht undankbar sein soll und dass der Komet ohnehin fünf Minuten vor dem Zusammenprall abgedreht hat. Und tatsächlich fordern die folgenden Einlassungen eine Präambel des Ressort-Autisten: Alles ist besser als das, was uns gerade noch verschont hat. Nicht Hafenecker zu sein, qualifiziert fast schon pauschal zur Lichtgestalt.
Aber auch nur fast, wenn ich richtig höre, was der Kultur im Regierungskonstrukt so zugedacht ist. Dass sie das Allerletzte ist, was zur Verteilung gelangt, selbst wenn im Bärenfell wegen überlangen Feilschens schon die Motten nisten: Das ist Routine. Aber diesmal kann es bedrohlich werden.
Um mit den Neos zu beginnen (sollte die Regierungsbeteiligung mitsamt der Vorsitzenden das Mitgliedervotum überleben): Sie sind am Ressort hoffentlich desinteressiert. Zumindest lässt die Entsendung des Erlebnisbeherbergers Schellhorn in die Verhandlungsgruppe Kultur darauf schließen. Allerdings würden sie ihm vermutlich sogar das Ressort überlassen, wenn im Gegenzug mindestens 2.000 Mitglieder der zerstrittenen Splitterpartei darauf verzichten, das fertige Konstrukt in die Luft zu jagen. Der Idee kann ich wenig abgewinnen, wenn ich mir Elfriede Jelineks Wortmeldung vor der Implosion der Volkskanzlerträume vergegenwärtige: „Neu ist meine Verachtung für Mrs 9%“, hat sie uns geschrieben, „die ohne Not vom Verhandlungstisch aufgestanden ist.“ Bei Redaktionsschluss war sie dort wieder ansässig. Aber die Kultur scheint doch keine ihrer Prioritäten zu sein.
Dafür soll die Parteivorsitzende das Außenministerium bekommen – die Repräsentantin der einzigen Partei, die an der Neutralität zupft und uns ein Stück Richtung Nato rücken will! Baerbock in Pink, den Globus umrundend – angst und bang wird einem da.
Die ÖVP
Dass sich Schallenberg aus der Bundespolitik verabschiedet, ist ein düsteres Zeichen. War er doch in seinen paar Monaten als Außenminister des Kabinetts Bierlein auch ein zuinnerst kunstsinniger, gebildeter und zuverlässiger Kulturminister, sicher einer der besten der vergangenen Jahrzehnte.
Die ÖVP wäre auch nach ihm nicht schlecht aufgestellt. Vom visionären Kulturpolitiker Erwin Pröll darf man nur träumen. Aber Andreas Salcher, der einst abmontierte Kultursprecher der Wiener ÖVP? Oder Christopher Drexler, der für das harte Geschäft zu feinsinnig war? Alles müßig, denn die Kultur geht – zu Redaktionsschluss schien das beschlossen – an die SPÖ.
SPÖ als Drohung?
Und wie denn auch nicht, denkt man an die Lichtgestalten, die der alten Kulturbewegung Glanz verliehen haben! Hilde Hawlicek, die den verteufelten Burgtheater-Visionär Claus Peymann unter Hintansetzung ihrer eigenen Karriere wie eine Löwenmutter geschützt hat. Rudolf Scholten. Helmut Zilk, beraten von Ursula Pasterk, die eine große Kulturstadträtin wurde. Die konnten es.
Heute fiele einem – ich habe diese meine Überzeugung nicht verborgen – Alexander Wrabetz ein. Aber der, so war zu Redaktionsschluss zu hören, kommt bei Babler weniger an als bei Bürgermeister Ludwig. Welcher hiemit dringlich ersucht wird, kolportiertem Unfug zu begegnen.
Welchem? Da gibt es mehrere Varianten. Eva-Maria Holzleitner, 31, zum Beispiel, die das Ressort zu den Frauenagenden übernehmen könnte. Nun will ich nicht ausschließen, dass das Kind Holzleitner mit fiebrigem Blick am elterlichen Bücherschrank gekratzt hat, um sich Zugang zu den Werken Kleists, Brechts oder Jelineks zu verschaffen. Oder dass sich die Heranwachsende auf dem Stehplatz des Linzer Landestheaters fünfeinhalb Stunden lang von „Tristan und Isolde“ entrücken ließ. Dann wäre sie richtig, wobei das von ihr absolvierte Brucknergymnasium Wels eine falsche Spur legt (es liegt nur zufällig an der Anton-Bruckner-Straße).
Wäre all das nicht so, müsste man die Personalie als offene Verachtungsbekundung für die Kunst qualifizieren. Man erinnert sich noch, wie die Grünen die verdiente Europamandatarin Ulrike Lunacek mit dem Kulturstaatssekretariat bedanken wollten. Was sollte man sich in der blühenden Kulturnation auch einmischen? Aber die Dame bepöbelte gleich den Literaturnobelpreisträger Handke. Da war sie schon fast weg. Dann kam Corona, und als es an viele Existenzen ging, taumelte die Politikerin in Pressekonferenzen durch die Grundbegriffe. Der Zorn ihrer Schutzbefohlenen hat sie weggeweht. Gottlob konnten sich die Grünen bei der SPÖ die Spitzenbeamtin Andrea Mayer leihen.
Oder Babler selbst?
Gedient haben beide übrigens unter Vizekanzler Kogler, dessen Kunstverstand dem seines Nachfolgers Babler nur unwesentlich überlegen ist. Dass Babler das Ressort zu sich nimmt, ist die zweite Option. Er wird doch nicht am Ende selbst?? Seine bis dato einzige wahrgenommene Kundgebung Richtung Kunst war ein Porträt des Liedermachers Sigi Maron über dem Traiskirchner Amtsschreibtisch. Am besten, er bietet Wrabetz das Staatssekretariat an. Oder er holt Andrea Mayer zurück.
Oder er findet, was ernstlich zu befürchten ist, eine Funktionärin der Sozialistischen Jugend, deren Amtsverständnis im Philharmonikerinnenzählen, Probenbrüllerverhaften, Radetzkymarsch-Canceln und sonst beim Nova-Rock-Festival gipfelt. Corona ist vorbei, aber es geht anderweitig ans Eingemachte. Das mikroskopische Kulturbudget darf nicht angerührt werden, dem RSO droht das Ende. Für pubertäre Albernheiten ist jetzt keine Zeit.
Alle Beteiligten sollen sich erinnern, wie das Lunacek-Debakel den Anfang vom Ende der grünen Zuversicht markiert hat. Denn Kulturschaffende wissen Worte zu setzen und können dabei enorme Lautstärke entwickeln. Und im April wird in Wien gewählt.
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