News Logo
ABO

Trumps Kreuzzug gegen die „Wokeness“

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
6 min

Donald Trump

©APA/AFP/JIM WATSON

„Inklusion“, „Diversität“, „Frauen“ – mehr als 200 Begriffe hat US-Präsident Donald Trump aus dem offiziellen Sprachgebrauch streichen lassen. Betroffen sind Websites von Behörden, Lehrpläne staatlicher Schulen und Förderanträge. Wer „Klimakrise“ sagt, muss mit bürokratischen Hürden rechnen. Begriffe wie „diversity“ oder „gender“ gelten nicht mehr als neutral, sondern als bedrohlich. Dahinter steckt mehr als nur Sprachpolitik.

Gänzlich verboten sind sie zwar nicht, aber die Verwendung von Begriffen wie „Solidarität“, „Aktivismus“ und „Feminismus“ würde künftig automatisch eine neuerliche Prüfung von Anträgen oder Verträgen auslösen, heißt es in einer Anweisungen der Administration von US-Präsident Donald Trump. Aus zahlreichen internen Regierungsmemos und öffentlichen Verlautbarungen hat die New York Times eine Liste von jenen Wörtern zusammengetragen, die in Schriftstücken von Behörden und Schulen, in Förderanträgen sowie auf Websites nicht mehr vorkommen sollen. Die publizierte Liste an unliebsamen Formulierungen erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, heißt es. Denn man habe nicht alle Memos der Regierung einsehen können.

Unter den unerwünschten Wörtern finden sich „Aktivismus“ und „Feminismus“ ebenso wie der englischsprachige Neologismus „Allyship“, der mit „Solidarität“ übersetzt werden kann. Gemeint ist die aktive Unterstützung und Solidarität privilegierter Personen gegenüber marginalisierten Gruppen. Dabei geht es darum, die eigenen Privilegien zu nutzen, um Chancengerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit zu fördern. Am Papier gehört das wohl bald der Vergangenheit an, denn „privilegiert“ wurde ebenfalls gestrichen, genauso wie „Minderheit“ und „Gleichberechtigung“.

Die Folge: Das gemeinsame Engagement für soziale Gerechtigkeit verblasst – zumindest auf Websites der Behörden, wo bereits massiv umformuliert wurde. Laut New York Times seien seit Trumps Amtsantritt bereits Tausende Löschungen oder Änderungen vorgenommen worden. Überprüfen lässt sich das mit der Hilfe von Internetarchiven. Außergewöhnlich ist die sprachliche „Anpassung“ mit Blick auf das Politikververständnis des neuen Präsidenten freilich nicht. Und dennoch ist das Ausmaß auffällig.

Nein zu „Wokeness“

Der Großteil der fortan gestrichenen Wörter richtet sich dabei gegen die sogenannte „Wokeness“ – gemeint ist das Engagement für soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen Sexismus, Rassismus und Diskriminierung. Moderne Begriffsdefinitionen inkludieren in die „woke“-Haltung auch den Einsatz für eine klimafreundliche Zukunft. Diese scheint jüngsten Entwicklungen zufolge ebenfalls nicht den politischen Vorstellungen von US-Präsident Trump zu entsprechen.

Denn bereits am Tag seiner Amtseinführung unterzeichnete er ein Schreiben, um die Kündigung des Pariser Klimaabkommens in die Wege zu leiten. Anfang März zogen sich die USA aus dem Führungsgremium des UNFonds für Klimaschäden zurück. Weiters gab es Tausende Kündigungen bei der Umweltschutzbehörde, dem Energieministerium und der NOAA, der führenden Klimawissenschaftsbehörde der Regierung. Wenig überraschend finden sich auf der Liste unerwünschter Wörter demnach auch „Klimawissenschaft“ und „Klimakrise“.

Das am häufigsten gestrichene Wort – in all seinen Variationen – ist „diversity“ (Diversität), dicht gefolgt von „gender“ (Geschlechtsidentität). Unerwünscht ist auch die Kombination beider Wörter: „gender diversity“ (Geschlechtervielfalt). Die Formulierung „Schwangere Person“, die das Kabinett von Joe Biden im Sinne der Rücksichtnahme auf die Transgender-Community wählte, soll unter Trump nicht mehr verwendet werden. Begründung: In den Augen des neuen US-Präsidenten gibt es nur zwei Geschlechter.

Nachdem Trump bereits im Wahlkampf angedroht hatte, dem „Transgender-Wahnsinn“ ein Ende zu setzen, hatte er alsbald jenes Dekret unterzeichnet, das in den Vereinigten Staaten künftig nur noch „männlich“ und „weiblich“ als Geschlechter anerkennt. Begriffe wie „LGBTQ“ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer) werden beispielsweise auf der Seite des National Park Services zum Stonewall-Memorial auf „LGB“ reduziert.

Bedeutungswandel „woke“

Doch es ist nicht nur die queere Community, deren Verbannung in die (sprachliche) Nichtexistenz politisch vorangetrieben wird. Seit Monaten berichten Medien von Sorgen der Randgruppen. Zu diesen Minderheiten zählt nicht zuletzt die afroamerikanische Community, die den Begriff „woke“ Mitte des 20. Jahrhunderts in seiner ursprünglichen Bedeutung prägte. Die damit beschriebene „Wachsamkeit“ für Rassismus und mangelnde soziale Gerechtigkeit rückte im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung ab 2014 vermehrt ins Zentrum, nachdem Michael Brown in Ferguson, Missouri, als Folge von Polizeigewalt zu Tode gekommen war.

Mit „stay woke“ im Sinne von „wachsam bleiben“ wurde oft eine Warnung vor ungerechten Polizeikontrollen oder Übergriffen ausgesprochen. Mittlerweile wird der Begriff „woke“ von konservativen Parteien politisch instrumentalisiert und als Abwertung gegenüber linker Politik verwendet.

Blurred image background

George Floyd kam am 25. Mai 2020 im Alter von 46 Jahren nach rassistischer Polizeigewalt ums Leben. „Ich kann nicht atmen“, waren die letzten Worte des Afroamerikaners, als ein Polizist über acht Minuten lang auf seinem Nacken kniete. Die Szene wurde per Handyvideo festgehalten und verbreitete sich über Social Media.

 © Tim Markland / PA / picturedesk.com

„Black Lives Matter“

Trumps Einstellung zur „Black Lives Matter“-Bewegung zeigte sich schon während seiner ersten Amtsperiode, als der Tod George Floyds bei einem gewaltvollen Polizeieinsatz in Minnesota landesweite Proteste – unter anderem nahe dem Weißen Haus – ausgelöst hatte. Trump drohte mit einem Einsatz des Militärs gegen Demonstranten. Die seit Juni 2020 an das Schicksal Floyds erinnernde Kunstinstallation „Black Lives Matter“ wurde nach Anordnung Trumps abgerissen. Anfang März trugen Arbeiter mit Presslufthämmern den riesigen gelben Schriftzug von der Straße in der Nähe des Weißen Hauses ab – nicht ohne Folgen.

Amerika-Expertin Heike Paul sieht den Fortschritt afroamerikanischer Bürgerrechte bedroht, wie sie in einem APA-Interview sagte. Trump werfe der „Black Lives Matter“-Bewegung vor, Amerika zu spalten. Folglich musste die berühmte Anti-Rassismus-Parole daher ebenfalls dran glauben – so wie die zahlreichen Wörter, die für den Kampf gegen die Klimakrise und das Engagement für soziale Gerechtigkeit stehen. Ob der „woke“-Gedanke in seiner ursprünglichen Bedeutung in den Köpfen der Menschen fortlebt, wird sich zeigen.

Über die Autoren

Logo
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER