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Stocker weiterhin gegen Defizitverfahren

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Kommende Woche berät die Regierung über die Wirtschaftssituation.
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Kanzler Christian Stocker (ÖVP) ist trotz der drohenden schlechteren Wirtschaftszahlen weiterhin gegen ein EU-Defizitverfahren. "Das gilt auch weiterhin", sagte er am Freitag vor Journalisten. Der derzeit geplante Einsparungsbedarf von 6,4 Milliarden Euro könnte also noch steigen. Stocker hofft aber darauf, dass die Verteidigungsausgaben eventuell nicht in den Stabilitätspakt fallen. Die erste Regierungsklausur von ÖVP, SPÖ und NEOS am Dienstag dreht sich um die Wirtschaft.

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Wenn man bei den Ende März angekündigten Prognosen der Wirtschaftsforscher tatsächlich andere, schlechtere Zahlen bekomme, "müssen wir uns natürlich darüber unterhalten, wie wir damit umgehen wollen", erklärte Stocker bei seinem Antritts-Pressegespräch. Er hob aber auch hervor, dass Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) am Donnerstag in der "ZiB2" klargemacht hatte, dass eine Vermögens- bzw. Erbschaftssteuer in dieser Legislaturperiode nicht zur Debatte stehe.

Gefragt, ob man also im Fall des Falles noch mehr sparen oder lieber ein Defizitverfahren riskieren sollte, erinnerte Stocker daran, dass man sich darauf geeinigt habe, ein Defizitverfahren klar zu vermeiden - "das gilt auch weiterhin".

Marterbauer hatte am Donnerstag gemeint, die Regierung werde auf Basis neuer Zahlen beraten, wie man damit umgehe. Würden Maßnahmen gesetzt, dürften diese jedoch nicht die Konjunktur weiter abwürgen. Ob es doch ein Defizitverfahren der EU geben könnte, wollte der Finanzminister nicht beurteilen. Das entscheide die Kommission.

Der Bundeskanzler setzt jedenfalls Hoffnung in die europäische Diskussion, dass die Verteidigungsausgaben möglicherweise ganz oder zumindest teilweise nicht unter den Stabilitätspakt fallen sollen. Das könnte auch für Österreich eine Entlastung bringen. Dies sei aber "noch nicht in trockenen Tüchern", vieles sei hier noch nicht klar.

Trotz Aufrüstung in Europa wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine glaubt Stocker übrigens, dass eine Debatte über die österreichische Neutralität "nichts bringt": Selbst wenn man die Neutralität in der Sekunde abschaffen würde, wofür es keine Mehrheit gebe, "hätte sich an unserer Sicherheitssituation einmal nichts geändert", gab Stocker zu bedenken. Vielmehr gehe er davon aus, dass man das Bundesheer wie im Regierungsprogramm vorgesehen bis 2032 mit zwei Prozent des BIP ausstatte, und wenn man die Verteidigungsfähigkeit in diesem Sinn erhöhe, leiste man auch einen Beitrag zur Gesamtverteidigung Europas.

Entspannt sieht der Kanzler den Handelskrieg zwischen den USA und Europa: Die Debatte werde sich wieder beruhigen, wenn bekannt werde, welche Auswirkungen die Zollpolitik haben werde - er gehe davon aus, dass da auch die USA kein Interesse haben. Deshalb würde er hier "kühlen Kopf bewahren und nicht zu sehr dramatisieren".

Kommenden Dienstag trifft sich die Dreierkoalition zu einer Arbeitsklausur. Als Schwerpunkt kündigte Stocker das Thema Wirtschaft an. Dementsprechend sind auch die Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr (WIFO) und Holger Bonin (IHS) zur Klausur geladen. Es gehe um eine Abstimmung für die Planung der Wirtschaftspolitik, erklärte Stocker, schließlich seien Standort und wirtschaftliche Entwicklung "große Anliegen" der neuen Regierung.

Ein weiterer Fokus der Klausur liegt auf einem Arbeitsplan für die nächsten Wochen und Monate. Man wolle eine strukturierte Zusammenarbeit, jede Partei solle sich in der Umsetzung des Regierungsprogramms wiederfinden, bekräftigte Stocker.

Dass einige geplante Maßnahmen der Regierung wie ein Kopftuchverbot für Mädchen oder ein Stopp des Familiennachzugs bei Asyl rechtlich nicht halten könnten, nimmt Stocker in Kauf. Wenn er als Rechtsanwalt immer nur dann einen Prozess geführt hätte, wenn er sicher sei, dass er ihn gewinnen wird, hätte er die Interessen seiner Mandanten nicht erfüllt, zog Stocker einen Vergleich. Es gebe eben drängende Themen für die Bevölkerung, und es seien jetzt Maßnahmen notwendig.

Natürlich gebe es das Risiko, dass die eine oder andere Maßnahme in einem Verfahren als nicht rechtskonform beurteilt werde - allerdings bekomme man in solchen Verfahren auch oft Anleitungen, wie man es rechtskonform umsetzen könne, meinte Stocker. Das Recht sei nicht dazu da, um Probleme unlösbar zu machen, sondern um zu Lösungen zu kommen, meinte Stocker.

Genauer anschauen will sich die Regierung den Energiemarkt. Das Auslaufen der Energiepreisbremse argumentierte Stocker unter anderem damit, dass die finanziellen Mittel "nicht auf ewig zur Verfügung" stünden. Statt einer Direktförderung auf Energiekosten will Stocker andere Maßnahmen, damit die Energiepreise am Markt nicht den Standort gefährden. "Wir werden uns diesem Energiemarkt in dieser Periode sehr zeitnah widmen", stellte er in Aussicht.

Generell ist der neue Bundeskanzler der Meinung, dass die Regierung seit ihrer Angelobung "sehr aktiv" gewesen sei, man sei "sehr rasch ins Handeln und ins Tun gekommen". So verwies er etwa auf die Mietenbremse, eine Einigung zum Stopp des Familiennachzugs und ein Entlastungspaket für Klein- und Mittelunternehmen. Auch er selbst sieht sich schon im Kanzleramt angekommen, wiewohl die Anrede "Herr Bundeskanzler" noch keine Routine für Stocker ist: "Es reißt mich nicht, aber es ist schon ungewohnt."

Um eine Gesprächsbasis mit der FPÖ, mit der ja Koalitionsgespräche gescheitert sind, will sich Stocker für etwaige Verfassungsmehrheiten im Parlament bemühen. Vor allem aber will sich Stocker um die freiheitlichen Wähler kümmern, schließlich hätten diese "ganz ähnliche Sorgen und Nöte" im täglichen Leben wie die anderen, gab sich der Kanzler überzeugt.

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